Wird das Wulff-Verfahren zum Schauprozess, Herr Bannas?

p&k: Von all den Vorwürfen, denen sich Christian Wulff vor seinem Rücktritt im Februar 2012 ausgesetzt sah, stützt sich die Anklage nun allein auf eine Rechnung von 753,90 Euro. Wegen der Geringfügigkeit des Betrages stellen viele Kommentatoren die Frage nach dem Sinn des Prozesses. Zu Recht?

Günter Bannas: Nein. Ich finde den Prozess ganz und gar richtig. Es gibt den Vorwurf der Vorteilsnahme und der muss aufgeklärt werden. Jeder niedersächsische Beamte hätte sich in einem vergleichbaren Fall vor Gericht verantworten müssen. Und für den damaligen Ministerpräsidenten muss das selbstverständlich in besonderem Maße gelten.

Sehen Sie nicht die Gefahr eines Schauprozesses, der letztlich nur Christian Wulff etwas nutzt?

Von einem Schauprozess kann keine Rede sein. Selbst wenn Christian Wulff freigesprochen wird, dann bedeutet das lediglich, dass er sich strafrechtlich gesehen nichts zu Schulden hat kommen lassen. Es ist aber so, dass Wulff nicht wegen strafrechtlicher Vergehen zurücktreten musste. Es waren viele kleine Sünden: vor dem niedersächsischen Landtag die Unwahrheit zu sagen, als Bundespräsident Beschwerden auf die Mailbox des Chefredakteurs der „Bild“-Zeitung zu sprechen, das misslungene Doppelinterview im Fernsehen. Jede Sünde für sich genommen, wäre wohl vernachlässigbar. In der Summe aber sind sie Zeugnis hochgradigen politischen Versagens.

Dennoch drängt sich der Eindruck auf, dass in der Vergangenheit die vergleichsweise kleinen Sünden skandalisiert wurden, während nun der gesamte Sachverhalt bagatellisiert wird.

Ich verstehe die Kollegen nicht, die heute sagen, es sei unrecht gewesen, wie Wulff damals behandelt wurde. Er wurde als Bundespräsident und damit als Person des öffentlichen Lebens behandelt. Daher ist es auch vollkommen richtig, dass die Auseinandersetzung um sein Fehlverhalten geführt wurde. Dabei glaube ich gar nicht, dass er sich bestechen lassen hat. Es ging um sein Verhalten als Ministerpräsident und als Bundespräsident. Und das war nicht angemessen.