Die Gen Z rückt zunehmend in den politischen Fokus als Wähler der Zukunft und wird bei der Europawahl vom 6. bis 9. Juni erstmals zur Wählergruppe der Gegenwart. Dies ist auf die Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre zurückzuführen. Passend dazu trat Bündnis 90/Die Grünen am 15. April 2024 bei TikTok ein und Bundeskanzler Olaf Scholz eröffnete den Account „teambundeskanzler“ am 8. April 2024. Ohne Zweifel ist TikTok die führende Plattform der Generation Z. Die Notwendigkeit, manipulative Kommunikation zu bekämpfen, wächst, insbesondere da die AfD TikTok zur Steigerung ihrer Reichweite im politischen Kontext nutzt. Vor diesem Hintergrund hat das Performance-Check-Team von Webnetz den aktuellen Stand der TikTok-Kommunikation politischer Parteien und führender Politiker datenbasiert analysiert und in Top-10-Rankings dargestellt.
Ein Rückblick zeigt: Vor zwei Jahren war Uwe Dohrendorf, niedersächsischer CDU-Landtagsabgeordneter, auf TikTok als „PoliTikToker“ mit den stärksten Resonanzen aktiv. Inzwischen hat das AfD-Lager eine starke Präsenz auf der Plattform aufgebaut. Viele Spitzenpolitiker finden sich allerdings nicht auf dem Reichweiten-Radar wieder. So muss beispielsweise Lars Klingbeil, der Parteivorsitzende der SPD, seine TikTok-Strategie deutlich verbessern, da er die Top-10-Plätze klar verfehlt. Auch die Grünen ließen lange auf ihren Einstieg warten.
Die AFD dominiert das TikTok-Terrain der politischen Parteienlandschaft
Dieses Ranking umfasst alle deutschen Parteien, die im Bundestag, im Europäischen Parlament und/oder in mindestens einem Landesparlament vertreten sind. Es zeigt, wie groß der Vorsprung der AfD auf SPD, CDU, CSU und FDP ausfällt. Die AfD hat eine politische Phalanx auf TikTok errichtet – höchste Zeit, dass die anderen Parteien auf TikTok sichtbar werden und den politischen Diskurs demokratisch bereichern. Als Vorbild könnte die „Tagesschau“ dienen, die im Zeitraum von April 2023 bis März 2024 beachtliche 71,5 Millionen Videoaufrufe erzielte.
Vom First Mover zum Lowperformer: FDP
Beim Blick auf die TikTok-Starttermine der Parteien fällt auf, dass die FDP als erste am 12. November 2020 aktiv wurde, allerdings mit der schwächsten Performance im aktuellen Ranking. Die SPD eröffnete ihren Account bereits am 11. Mai 2021, also auch früher als die AfD, die erst am 27. Januar 2022 startete. Zwischen dem Start der CSU am 5. Mai 2023 und der CDU am 26. Februar 2024 bestehen erhebliche Unterschiede, sowohl im Hinblick auf den Startzeitpunkt als auch auf die Nutzerresonanz. Der gemeinsame Account der CDU/CSU-Fraktion wurde am 2. Dezember 2023 eröffnet. Die Linke trat der Plattform am 11. August 2023 bei. Bündnis 90/Die Grünen sind die absoluten Spätstarter. Sie haben erst Mitte April dieses Jahres ihre ersten Aktivitäten auf ihrem TikTok-Account begonnen.
SPD-Politiker verpassen deutlich die Top 10-Ränge auf TikTok
Die folgende Grafik nimmt führende Politiker mit Sitz im Parteivorstand und/oder Bundestag ins Visier, bildet das Top 10 Ranking nach Videoaufrufen bei TikTok ab. Besonders auffällig, neben der krassen Führungsposition von Martin Sichert (AfD):
Die folgende Grafik konzentriert sich auf führende Politiker, die im Parteivorstand und/oder im Bundestag sitzen, und stellt ein Top-10-Ranking nach Videoaufrufen auf TikTok dar. Neben der krassen Führungsposition von Martin Sichert ist besonders hervorzuheben:
- Kein Spitzenpolitiker der FDP, CSU und SPD erreicht auf TikTok eine Kommunikationsstärke auf Top 10-Level. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (118k) bleibt außerhalb des relevanten Reichweiten-Radars auf Rang 19, während der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil (1.4 Mio. Aufrufe) zumindest in relativer Top 10-Nähe kommuniziert
- Politiker der FDP und CSU sind ebenfalls nicht in der Top 10
- Friedrich Merz (CDU) und Ricarda Lang (B‘90/Grüne) crashen die politische Phalanx der AfD auf TikTok.
- mit Sarah Wagenknecht (BSW) und Heidi Reichinnek (Linke) haben sich auch zwei oppositionelle Politikerinnen in die Top 3 kommuniziert
- AfD-Politiker generieren allein circa 62 Prozent der gesamten Videoaufrufe aller Top 10-Accounts
Fazit
Der Brückenschlag zwischen TikTok und der Politik erfolgte bereits am 21. November 2019 mit dem Start des Kommunikationskanals des TV-Nachrichtenformats „Tagesschau“. Seit diesem seriösen Auftakt verging viel Zeit, bis Parteien und Spitzenpolitiker sich entschieden, über eigene Accounts den politischen Diskurs mit Content bespielten. Obwohl die FDP 2020 als erster Mover aktiv wurde, fehlt es ihr bis heute an einer durchschlagenden Content-Strategie und relevanter Reichweite.
Viele Spitzenpolitiker zögern weiterhin, das große Potenzial der Plattform vollständig zu nutzen – sowohl für Eigenwerbung als auch für politisches Edutainment basierend auf demokratischen Werten. Es bleibt abzuwarten, wie die erst kürzlich im April 2024 eröffneten Accounts des Bundeskanzlers und der Grünen in den TikTok-Diskurs eingreifen werden. Politik-Berater Martin Fuchs warnt: „Es wird nicht funktionieren, dass man die AfD mit ein paar Videos kleinmacht. Auf TikTok Beziehungen mit jungen Menschen aufzubauen, das geht nur mittel- und langfristig.“