Durch die Arena

Medien

In jedem TV-Duell gibt es Szenen, die hinterher herangezogen werden, um es lächerlich zu machen. Davon gab es auch welche bei dem Fernsehduell, das sich Mario Voigt, CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen im Herbst, und Björn Höcke, der Frontmann der AfD in Thüringen, am Donnerstagabend auf „Welt-TV“ lieferten.

Höcke holte zu einer dieser „Der arme Metzger“-Alltagsgeschichten aus, als ihm ein Fauxpas unterlief. Statt von „Gehacktem“ sprach er von einem „Mettbrötchen“. Voigt fuhr sofort dazwischen: „Mettbrötchen gibt es eher in Nordrhein-Westfalen als in Thüringen“, warf er in Richtung des gebürtigen Westdeutschen Höcke. „Sie verstehen nichts von Thüringen.“

Das war nicht nur eine lächerliche Episode, sondern Taktik. Voigt wirft Höcke vor, zu viel in gesamtdeutschen Diskussionen unterwegs zu sein. Er selbst dagegen berichtete ausführlich von seinen Besuchen in Thüringer Betrieben. Voigt will die AfD in Thüringen mit Wirtschaftsthemen überrumpeln und zeigen, dass Höcke sich gar nicht für Thüringen interessiert, so beschäftigt ist er als rechtsradikaler Strippenzieher innerhalb der Bundes-AfD.

Die Debatte zwischen Höcke und Voigt stand schon vor der Sendung in der Kritik. Voigt wurde vorgeworfen, sich von einem Rechtsextremen instrumentalisieren zu lassen, um mehr Bekanntheit zu erlangen. Abwegig scheint das Kalkül nicht: In einem TV-Beitrag im Vorfeld konnten viele Thüringer mit dem Namen Mario Voigt nicht so viel anfangen. Björn Höcke dagegen gibt mit Wonne den politischen Gottseibeiuns in ganz Deutschland.

Was wäre, wenn… ?

Die heikle Frage war: Darf man mit einem rechtsradikalen AfD-Politiker öffentlich diskutieren? Bietet man ihm damit eine Bühne? Eine Gegenfrage muss erlaubt sein: Was denn sonst? Seit Monaten ist die AfD auf einem Höhenflug. Im Osten ist die AfD stärkste Partei. Irgendwann muss mal festgestellt werden: Ignorieren hat nicht geklappt. Überhaupt war das Bild einer Bühne schon immer schräg: Auf einer Bühne darf man unangefochten auftreten. Die engagierten Welt-Moderatoren Tatjana Ohm und Jan Philipp Burgard sorgten dafür, dass Björn Höcke und Mario Voigt in eine Arena geladen wurden.

Voigt machte seine Sache ordentlich. Immer wieder belegte er Höcke und die AfD mit schmissigen Titulierungen: „Katastrophe für Deutschland“  – selbst der „Reichskanzler“ rutschte ihm einmal aus, in einer seiner stärksten Phasen, in denen er sich den AfD-Rechtsaußen zur Brust nahm. Wenn die AfD sich mit ihren ausufernden Ausweisungsträumen durchsetzte, wer würde dann einen Höcke im Krankenhaus behandeln, fragte der Thüringer CDU-Chef.

Ja, was wäre eigentlich, wenn die AfD das Sagen hätte? Was passiert mit dem Fachkräftebedarf deutscher Firmen, was passiert mit den deutschen Exporten ins EU-Ausland, was passiert mit Deutschen, die dem AfD-Leitbild nicht genehm sind? Auf diese Szenarien fiel Höcke wenig Seriöses ein. Seine Vorstellungen, die deutsche Haushaltskrise über das Streichen von Entwicklungshilfe in den Griff zu bekommen und den Fachkräftemangel durch die „Remigration“ deutscher Auswanderer zu lösen, sind mit Milchmädchenrechnung noch wohlwollend beschrieben.

Dafür gelang es ihm mal mehr, mal weniger, sich zu inszenieren. Gelassen stand er an seinem Pult, sprach kurz und knackig, streute Schlagworte ein, produzierte Social-Media-Content. Voigt dagegen hielt sich angespannt an seinem Pult fest, war dafür aber spürbar gründlich vorbereitet. Er nannte Zahlen, erzählte Geschichten, ritt Attacken. Manchmal fiel ihm die Vorbereitung auf die Füße. Er sprach dann langatmig, leitete zu kompliziert und unflexibel zu seinen Punkten hin. Höcke spießte das zielsicher auf: „Sie haben ja schon eine sehr lange Ausführungszeit hier.“

Wie geht Arena?

Nicht jeder Kampf, der im Duell ausgefochten wurde, diente der Erhellung der Zuschauer. So versuchten die Moderatoren, Höcke mit seinem berüchtigten Zitat zum Holocaustdenkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ in die Ecke zu treiben. Dabei ist schon aus dem Ursprungskontext des Zitats eindeutig, dass Höcke mit der Schande den Holocaust gemeint hatte. Wie sonst sollte man denn sein Lamento darüber, Deutschland sei das einzige Land, das sich ein „Denkmal der Schande“ in die Hauptstadt stelle, verstehen? Ästhetisch? Infrastrukturell? Weil dieses Beispiel von absichtlichem Missverstehen auch nicht gerade neu ist, war Höcke bestens vorbereitet auf diesen Anwurf. Der Holocaust sei ein „Zivilisationsbruch“ gewesen, sagte er, „das stellt niemand in Abrede.“ So ging er über die goldene Brücke, die ihm die Redaktion zur besten Sendezeit gebaut hatte. So geht Arena jedenfalls nicht.

Besser war da schon die Frage, ob Deutschlands Vizeparlamentspräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) nach Höckes Ansicht in Deutschland bleiben dürfe. Über sie hatte Höcke in seinem Buch „Nie zwei Mal in denselben Fluss“ geschrieben, sie habe in Deutschland „nichts verloren“, wenn sie jenseits der Sprache keine deutsche Kultur erkennen könne. „Welt-TV“-Chefredakteur Jan Philipp Burgard pochte hier auf eine Antwort Höckes. Der wand sich, behauptete, den „Kontext“ der Stelle aus seinem Buch nicht parat zu haben (das er früher in der Sendung noch zur Lektüre empfohlen hatte). Auch dass er nicht gewusst haben will, dass „Alles für Deutschland“ die Parole der SA war, nimmt man dem studierten Geschichtslehrer kaum ab. So geht Arena schon eher.

Mehr live wagen

Zweifelhaft ist, ob die groß angekündigten Faktenchecks, die „Welt-TV“ nachträglich zur Verfügung stellen wollte, dem Format wirklich helfen. Höcke kündigte natürlich mehrfach einen eigenen „alternativen“ Faktencheck auf X an. Das ist das eine Problem. Das andere: Wer liest das noch? Ein Spektakel muss für sich stehen und sich selbst genügen. Wie viel stärker wäre es, wenn eine Redaktion Aussagen im Hintergrund checkt und ein Kandidat noch in der Sendung erklären muss, dass er Unsinn geredet hat? Wie viel schöner wäre es, er müsste es zwei- oder dreimal tun? Niemand kann behaupten, im Springer-Haus liefen zu wenig Journalisten herum, die man in einen Raum setzen und recherchieren lassen könnte. Markus Lanz hat dafür einen Knopf im Ohr.

Am Ende konnte Björn Höcke seine zentralen Parolen Social-Media-wirksam aufsagen. Mario Voigt erhielt sein bundesweites Entrée als dessen Gegenspieler. Der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bekam nichts.