Liebe Leserin, lieber Leser,
was ist eigentlich gerade los? Tiktok ist in der politischen Kommunikation seit Monaten in aller Munde und die Kirsche auf der Sahnehaube ist nun der neue Account, @teambundeskanzler, von Bundeskanzler Olaf Scholz beziehungsweise seinem Team.
Die ganze Bundesrepublik und alle selbsternannten Experten auf Linkedin und X werden neuerdings zu Tiktok-Experten. Diese Woche habe ich auf Linkedin einen Beitrag meiner Branchen-Kollegin Carline Mohr gesehen, die zur Ruhe aufgerufen hat – dem kann ich mich nur anschließen.
Was mich im Moment tierisch stört, und da kann ich Carline Mohr nur zustimmen, ist, dass jeder, der schon mal was von Social Media gehört hat oder sogar was mit sozialen Medien gemacht hat, zum neuen Bundestrainer aka Tiktok-Experten wird.
Digitale Legitimität für demokratische Parteien
Das „Tolle“ an Social Media in der politischen Kommunikation ist aber, dass es kein Richtig oder Falsch gibt. Es gibt kein Rezept, um viral zu gehen. Es gibt lediglich strategische Überlegungen und das Handwerkszeug, das Social-Media-Manager und Strategen beherrschen müssen, um die Dynamiken der Plattformen zu verstehen. Das ist auch der Grund, warum diese Leute ihren Job machen.
Sicherlich wird ein Tiktok-Account der Bundesregierung nicht einfach mal eben so gelauncht. Hinter jedem Account-Launch stecken Überlegungen, manchmal monatelange Abstimmungsschleifen und daher passiert im digitalen Raum kaum mal etwas eben so.
Aber warum sind alle gerade so nervös? Tatsache ist, dass der digitale Raum durch viele verschiedene Teilöffentlichkeiten nicht mehr überschaubar ist. Jeder, der online ist, konsumiert anders. Dadurch geht viel Kontrolle verloren. Aber auch die sinkende Relevanz von Meta-Plattformen wie Instagram und Facebook gibt Anlass zur Sorge.
Aus diesem Grund müssen sich vor allem demokratische Parteien eine digitale Legitimität erarbeiten. Wie werden wir noch gesehen? Wie müssen wir wirken? Und da gibt es eine Plattform, die bislang noch nahezu unerforscht ist: Tiktok.
Ich habe mich die vergangene Zeit viel mit Tiktok beschäftigt und die Plattform – gerade für die politische Kommunikation – ist nicht ganz einfach zu durchdringen.
Formatreichtum auf Tiktok
Vor allem zu verstehen, wie Videos viral gehen, welche Hooks gut sind und auch wie Tiktok Videos ausspielt – ist teilweise sehr technisch und eine Wissenschaft für sich. Aber um nicht zu sehr ins Detail zu gehen, sei eins gesagt:
Es gibt viele Möglichkeiten, Content und Formate für Tiktok zu produzieren – angefangen beim Bashing anderer Parteien oder Politiker, Behind-the-scenes-Einblicken (siehe Aktentasche beim @teambundeskanzler), Q&A-Formaten mit Spitzenpolitikern, Tiktok-Lives, Straßenumfragen, Erklärvideos durch Presenter, Mitmachen bei Trends oder dem Teilen von Redeausschnitten… die Liste ist lang.
Ein Trend zeichnet sich jedoch ab: Je unerwarteter der Content ist, desto größer ist die Chance, dass er viral geht. Dazu braucht es Mut. Viele Wege führen hier nach Rom und zum viralen Video.
Und jeder Mensch schaut anders und sehr subjektiv auf produzierte Inhalte, weil sie aus seiner Sicht entweder total cool oder total cringe sind. Deshalb gehen die Meinungen auch immer so weit auseinander. Aber das sind immer subjektive Wahrnehmungen. Mein Appell ist es, den strategischen Blick ein wenig zu öffnen und die Social-Media-Experten an den jeweiligen Stellen einfach mal machen zu lassen und sich auch mit öffentlichen Beurteilungen zurückzuhalten. Denn Social Media ist kein statistisches Rechenexempel, bei dem es nur richtig oder falsch gibt.
Best,
Theresa