"Transparenz ja, verletzende Indiskretion nein"

Autobiografie

Wenn die Wartezeit bis zur Zusage eines angefragten Laudators ein Gradmesser für dessen Wertschätzung gegenüber dem Anfragenden ist, dann hat Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher größte Hochachtung vor Reporter Mainhardt Graf von Nayhauß. “Für Sie immer”, habe Genscher nach einer Sekunde geantwortet, erzählte der 88 Jahre alte von Nayhauß am Mittwochabend in Berlin. Der Journalist hatte sich die bayerische Landesvertretung in der Behrenstraße ausgesucht, um seine Memoiren “Chronist der Macht” vorzustellen.

Zwei Jahre lang hat von Nayhauß an seiner Autobiografie gearbeitet. Er danke seiner Frau dafür, dass sie in dieser Zeit den Kontakt zu Freunden aufrechterhalten habe. Er selbst, so räumte er ein, habe sogar an Samstagabenden nur “widerwillig” seinen Schreibtisch verlassen. Sein Buch, so betonte er in seiner Ansprache an die etwa einhundert Gäste, trage eine Botschaft: “Das Leben hier auf dieser Erde ist nicht das vorgezogene Paradies”, sagte er. “Nein, es ist ein täglicher Überlebenskampf”, so von Nayhauß, der seine 544 Seiten dicke Autobiografie seinem 1933 von der Gestapo ermordeten Vater gewidmet hat.

Dabei zeigte sich von Nayhauß alles andere als verbittert. “Ich habe auch viel Glück gehabt”, sagte er und erinnerte sich an Fronteinsätze im Zweiten Weltkrieg, die er um ein Haar nicht überlebt hätte. Mit Verweis auf den europäischen Einigungsprozess, Mauerfall und deutsche Wiedervereinigung sagte er: “Was immer man an diesem Staat auszusetzen hat: Er ist so stark, dass ihn keine Koalition kaputt machen kann.”

Ein Spiegel seiner Generation

Zuvor hatte der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher sehr persönliche Worte für von Nayhauß gefunden, den er als Reporter kennen und als Freund zu schätzen gelernt hat. “Was Graf Nayhauß präsentiert, geht auch mich stark an”, sagte der FDP-Politiker. “Er verlor den Vater mit sechs Jahren, ich mit neun.” Die Autobiografie sei “kein Bücherschrankbuch, sondern ein Leser-Buch” und “ein Spiegel seiner Zeit und seiner Generation”.

Den Journalisten von Nayhauß würdigte Genscher als einen politischen Reporter, der stets den Grundsatz “Transparenz ja, verletzende Indiskretion nein” beherzigt habe. Von Nayhauß hatte seine journalistische Karriere 1947 als Wirtschaftsredakteur begonnen. Von 1956 an hatte er als Bonn-Korrespondent für “Spiegel”, “Stern”, “Quick” und die “Wirtschaftswoche” berichtet. Von 1981 bis 2011 erreichte er als politischer Kolumnist der “Bild”-Zeitung Millionen Leser. “Ihm ist es als Lebenswerk gelungen, einen eigenen Stil zu prägen”, lobte Genscher am Ende seiner Laudatio. Eines Tages werde es ein Lob sei, über einen Nachwuchsjournalisten zu sagen: “Er hat Nayhauß-Format”.