Nachruf auf einen großen Redner

Wolfgang Schäuble

Es kommt immer wieder mal vor, dass Klienten das Mediencoaching beginnen mit diesem Satz: „Eines sage ich Ihnen gleich: ich will authentisch bleiben.“ Und dann kommt oft der Verweis auf Wolfgang Schäuble. „Der verbiegt sich auch nicht, der ist völlig authentisch bis hin zum seinem badischen Dialekt.“

Darauf kommen wir später wieder zurück. Denn schon sind wir mittendrin im Nachruf auf einen Mann, der unser Land verändert hat.

Viele haben es in Berlin erlebt: wenn Wolfgang Schäuble als Redner geladen war, dann wurde es keine langweilige Veranstaltung. Da kam einer, dem man zuhören musste. Man ging auf jeden Fall mit einem intellektuellen Mehrwert nach Hause. Dazu wurde man auch noch gut unterhalten. Und hat mindestens einmal laut gelacht.

Wolfgang Schäuble war einer, der seine Reden selten vom Papier ablesen musste. Die besten Reden waren die, bei denen man ihm beim Denken zuhören konnte. Wo andere sich dann verlaufen, kam Schäuble messerscharf auf den Punkt. Er wusste um die Macht des gesprochenen Wortes. Er setzte sie ein, um seine politischen Ziele zu erreichen.

Kein Wunder, musste er in jungen Jahren doch mit Urgewalten der CDU um den Aufstieg ringen: Geißler, Dregger, Biedenkopf, Kohl. Man ahnt es: Dafür musste man strategisch und taktisch in der Champions-League spielen. Aus diesem rhetorischen Boot-Camp ging Schäuble als ein Meister des (manchmal schmerzlich) treffenden Wortes hervor. Im Wissen um die Dialektik der Macht stand er einem Henry Kissinger am Ende wohl auch in nichts mehr nach.

Was ihm sicher half: Wolfgang Schäuble war nicht nur ein Homo Politicus. Er war auch ein Homme de lettres. Wenn er nicht übellaunig war – was leider seltener vorkam als das Gegenteil – dann endeten unsere Interviews gerne auch mit einem Hinweis auf ein Buch oder mit einer fundierten Kritik einer der letzten Premieren in der Staatsoper.

Damit sind wir wieder bei meinen Klienten, die so authentisch wie Wolfgang Schäuble sein wollen. Was sage ich denen? Genau das: Es geht nicht allein ums authentisch sein. Es geht um Haltung. Haltung formt den Redner.

Darum war Wolfgang Schäuble einer der besten. Erstens: weil er über einen immensen politischen, intellektuellen und kulturellen Resonanzraum verfügte. Er hatte was zu sagen. Zweitens: weil er in seinem Leben – sicher auch durch existenzielle Erfahrungen – zu einem beinahe universalgelehrten Humanisten reifen konnte. Er wusste, warum man für Ideale kämpft – es kann schnell zu spät sein. Und drittens: weil er von einem urgewaltigen Gestaltungswillen durchdrungen war. Es ging ihm um unser Land, unsere Demokratie und seine CDU als die entscheidende politische Kraft. Im psychologischen Management-Sprech: Er hatte sein “Why”. Er wusste, warum er was sagt.

In der Berliner Rhetorik-Diaspora wird er fehlen. Gerade jetzt, wo politische Führung mit der Macht des gesprochenen Wortes wichtiger ist denn je.