Steuern, Fristen und Traktoren

Kolumne

In den Wirren der politischen Landschaft beschreiten Gesetzesvorhaben oft komplexe Wege, bevor sie umgesetzt werden können. Das Wachstumschancengesetz ging zuletzt ins „Konklave“ des Gesetzgebungsprozesses, den Vermittlungsausschuss. Der Rauch, der nach der Sitzung Ende Februar in den Berliner Abendhimmel aufstieg, entsprach dann auch der sich verdüsternden deutschen Wirtschaftslage: mehr grau als weiß. Warum das so ist, und was Traktoren und kurze Fristen mit alldem zu tun haben, soll in dieser Ausgabe ergründet werden.

Zunächst ein Blick in den Sommer 2023: Der Maschinenraum des Bundesfinanzministeriums beweist, dass er mindestens genauso joviale Gesetzesbezeichnungen hervorbringen kann, wie es zuletzt Franziska Giffey mit dem „Gute-Kita-Gesetz“ & Co. tat. Neben dem „Zukunftsfinanzierungsgesetz“ ist Finanzminister Lindner vor allem auf seinen Entwurf zum „Wachstumschancengesetz“ stolz. Durchaus zurecht, Ziel des Gesetzes ist immerhin nichts Geringeres als die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken. Eine Investitionsprämie als zentrales Element soll die Transformation der Wirtschaft fördern und die Standortbedingungen mit steuerlichen Anreizen für saubere und klimafreundliche Technologieinvestitionen verbessern. Dazu kommen eine Menge steuerrechtliche Anpassungen in mehr als 30 Gesetzen.

So weit, so unproblematisch? Gegenwind gibt es schon bevor Lisa Paus das Wachstumschancengesetz wegen der Kindergrundsicherung im Kabinett vorläufig zu stoppen weiß. In der Sommerpause konsultiert das BMF den 279 Seiten langen Entwurf mit Verbänden und Ländern. Statt einiger Wochen oder gar Monaten für Analyse und Gegenvorschläge möchte das Ministerium binnen elf Tagen Rückmeldung. Das schürt Unmut, denn kurze Fristen können schnell den Eindruck erwecken, dass man auf das Feedback keinen großen Wert legt. Noch schockierter sind die Länder und Kommunen beim Blick auf das Finanztableau des Gesetzes: Fast zwei Drittel der sieben Milliarden Euro Kosten und wegfallenden Einnahmen sollen sie tragen. Prompt hagelt es Kritik von allen Seiten – auch aus Landesregierungen, in denen die Ampelparteien den Kurs bestimmen. Schlecht für Lindner: Auf die Zustimmung der Länder kommt es bei Änderungen im Steuerrecht an, so will es das Grundgesetz.

Der Agrardiesel ist im Sommer 2023 noch kein Thema, in diesen Wochen geht es noch um Art und Inhalt des „WC-G“, was schon damals so mancher eben dort entsorgen möchte. An besagter Lastenverteilung ändert sich aber auch bis zum Jahresende wenig, sodass die Unions-Länder mitsamt einiger unter SPD-Führung im Dezember den Vermittlungsausschuss anrufen. Hinzugekommen ist in der Zwischenzeit der „Paukenschlag aus Karlsruhe“: Das Urteil zur Schuldenbremse stellt die ursprünglich sieben Milliarden Euro des Wachstumschancengesetzes in den Schatten der Summen, die beim Klima- und Transformationsfonds (KTF) auf der Kippe stehen.

Erst durch die Beschlüsse der Ampel-Koalitionäre, wie das KTF-Loch im Bundeshaushalt gestopft werden soll, erfährt das Wachstumschancengesetz eine Politisierung jenseits der konkret vorgeschlagenen Änderungen. Bundesweit rollen die Traktoren an, da unter anderem Steuererleichterungen auf Agrardiesel wegfallen sollen. So wird das Wachstumschancengesetz zum „Micky-Maus-Gesetz“ (Markus Söder) und die CDU/CSU verbindet ihre Zustimmung im Bundesrat mit der Fortführung der Agrardieselsubvention.

Mittlerweile steht aber auch fest, dass nicht mehr besonders viel vom Entwurf aus Sommer 2023 übrig ist, was noch als größerer „Baustein der Wettbewerbsfähigkeit“ (Christian Linder) angesehen werden kann. So scheint es auch Robert Habeck zu sehen, bezeichnet er das Gesetz doch mittlerweile als „homöopathischen“ Wachstumsimpuls. Die aktuelle Fassung des Gesetzes umfasst ein finanzielles Gesamtvolumen von gut drei Milliarden Euro. Das Kernstück, die Prämie für Investitionen in Energieeffizienz, ist ausgelagert und soll zu einem späteren Zeitpunkt kommen.

So steigt nun am 21. Februar 2024 Rauch in den Berliner Abendhimmel, der so richtig weiß nicht sein kann. Das mittlerweile gerupfte Gesetz findet nur in den Reihen der Ampel-Vertreter eine Mehrheit, die Union besteht weiterhin auf ihrem Agrardiesel-Junktim. Daher kann zwar kommuniziert werden, es habe eine Mehrheit für das Gesetz gegeben. Da dem Vermittlungsausschuss aber das Recht zum Modifizieren und Beschließen von Gesetzen fehlt, müssen Bundestag und Bundesrat noch einmal ran. Wenig überraschend hat der Bundestag Ende Februar mit Mehrheit der Ampel-Koalition bereits zugestimmt. Die Union scheint mittlerweile auch bereit, für eine Entlastung in der Größenordnung des Agrardiesels einlenken zu wollen – der Druck der Wirtschaftsverbände auf ein Ende des Tauziehens steigt. Dazu bleibt noch bis zum 22. März Zeit, ehe – ganz öffentlich – im Bundesrat die Stimmen zum Wachstumschancengesetz ein weiteres Mal gezählt werden sollen.