Bereits Otto von Bismarck meinte, Gesetze seien wie Würste – man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden. Wir begeben uns gleichwohl von nun an monatlich in die Maschinenräume der Gesetzgebung und blicken unter die Oberfläche, wenn mal wieder ein Thema in Berlin oder Brüssel die Runde macht. Auch wenn’s da heiß her oder gar mal schmutzig zugehen sollte.
Dabei scheinen sich Gesetzgeber doch redlich zu bemühen: Unser Recht soll möglichst abstrakt sein und viele Fälle abdecken, gleichzeitig verständlich und interessengerecht. Dass da mal das eine, mal das andere Element auf der Strecke bleibt, gehört zum politischen Geschäft. Lassen Sie uns daher den Blick wagen auf Alles, was Recht wird. Und uns gemeinsam nachforschen, ob das Bismarck’sche Gleichnis auch noch heute zutrifft.
Wir starten – so wie diese Kolumne – ganz digital: Das derzeit im Bundestag diskutierte Digitale-Dienste-Gesetz (DDG), welches das deutsche Recht an den Digital Services Act (DSA) anpasst, trifft hier auf harte föderale Strukturen. Übrigens: Ähnlich wie beim Zusammenspiel von Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der EU-Lieferketten-Richtlinie (CSDDD) war es beim DSA unter anderem ein Gesetz aus Deutschland, das als Inspiration diente: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (liebe Leser, bitte gewöhnen Sie sich schon jetzt an solche langen Begriffe in der Kolumne, immerhin geht es hier vor allem um Gesetze in Deutschland..!). Seit 2017 in Kraft regelt es die Regulierung und Meldung von Hassrede und strafbaren Inhalten auf sozialen Plattformen.
Doch die Ära des als NetzDG bekannten Gesetzes wird bald enden, der DSA und das DDG übernehmen (auch bitte an Abkürzungen gewöhnen – es grüßt: der Jurist). Mit einem breiten Regelungsbereich von Melde- und Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte bis hin zur Verfolgung gefälschter Produkte auf Online-Marktplätzen nimmt sich der DSA nicht weniger vor als die Regulierung aller ”Intermediäre” im Netz, insbesondere Online-Plattformen und Suchmaschinen. Während die EU-Kommission vor allem Sanktions- und Dursetzungsrechte gegenüber den großen Akteuren mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern erhält, sollen die Mitgliedsstaaten die Einhaltung der Regeln bei kleineren Diensten überwachen.
Daher ist es wenig überraschend, dass ein solches Unterfangen die Begehrlichkeiten verschiedenster staatlicher Akteure weckt. In den letzten Monaten rangen Behörden, Bundesländer und die Bundesministerien um die Verteilung der neuen Kompetenzen. Durchgesetzt hat sich die Bundesnetzagentur, die als sogenannte Digitale-Dienste-Koordinatorin die wesentlichen Hebel zur Plattformüberwachung erhält und als Bindeglied zur EU-Kommission fungiert. Während manche EU-Mitgliedsstaaten diese Rolle ihren Marktüberwachungs- oder Wettbewerbsbehörden geben, wachsen die Befugnisse der Bundesnetzagentur weiter an: Neben Energienetzen, Gasversorgung und Breitbandausbau geht es in Bonn nun auch um digitale Plattformen.
So weit, so gut? Wir sind immer noch in Deutschland – ein bisschen komplizierter muss es also doch noch sein. Die föderalen Strukturen (immerhin im Grundgesetz verankert) bringen mit den Medienanstalten der Bundesländer weitere Akteure an den Tisch: Die 14 Behörden wollen ihre Kompetenzen zum Jugendmedienschutz behalten und werden es aller Voraussicht nach auch tun – größtenteils zumindest. Mit von der Partie ist da auch noch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz. Und um ein bevorstehendes Kompetenzgerangel zu komplementieren, dürfen zudem das Bundeskriminalamt und der Bundesdatenschutzbeauftragte für Strafrecht bzw. Datenschutzrecht mitmischen. Klingt alles nach einer effektiven und bürokratiearmen Umsetzung von EU-Recht, wie ihn sich die Ampel in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, oder?
Und nun? Die Frist zur Umsetzung des DSA am 17. Februar 2024 jedenfalls kann Deutschland nicht halten. Am 21. Februar 2024 steht noch die Expertenanhörung im Bundestag an, bei der viele der genannten Aspekte zur Sprache kommen werden. Raum für Anpassungen soll es wohl noch geben –, dass allein die BNetzA zuständig sein wird, erscheint aber unrealistisch. Voraussichtlich Ende März oder Anfang April soll das Gesetz mit den Befugnissen dann für alle Beteiligten gelten. Für die gelebte Praxis danach bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung des DSA in Deutschland nicht zu einem Paradebeispiel behördlichen Kompetenzgerangels wird.