Comeback 2017 für die FDP?

Politik

Wie schnell sich die Stimmung in der Bundespolitik wandeln kann, haben die vergangenen Wochen und Monate besonders deutlich gemacht. Noch im Hochsommer schien Bundeskanzlerin Angela Merkel politisch unangreifbar zu sein.

Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Tors­ten Albig räsonierte gar darüber, ob die SPD darauf verzichten könne, einen eigenen Kanzlerkandidaten aufzustellen, weil Angela Merkel ihre Sache so gut mache und kaum zu schlagen sei. Doch durch die Flüchtlingskrise hat sich viel verändert. Der schon sicher geglaubte Wahlsieg 2017 ist plötzlich infrage gestellt und sogar ein Sturz Merkels nicht mehr völlig ausgeschlossen.

Derzeit kann auch niemand voraussagen, ob die FDP bei der Bundestagswahl 2017 wieder in den Bundestag zurückkehren wird. In Umfragen steht die Partei seit einem halben Jahr recht stabil bei fünf Prozent und damit genau an der Grenze zwischen Erfolg und Scheitern.

Aber es gibt zumindest Anzeichen dafür, dass in gut anderthalb Jahren das Comeback gelingen könnte. Da sind zunächst einmal die Wahlerfolge in der ersten Hälfte dieses Jahres. Sowohl in Hamburg (7,4 Prozent) als auch in Bremen (6,6 Prozent) überwand die Partei locker die Fünf-Prozent-Hürde, obwohl beide Hansestädte nicht zu den Hochburgen der FDP zählen.

Die guten Ergebnisse enthielten für die Liberalen eine zentrale Botschaft: Anders als in den Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag im September 2013 hat die FDP als Marke nicht mehr “generell verschissen”, wie es Parteivize Wolfgang Kubicki einmal auf besonders drastische Weise ausgedrückt hat. Wenn sie überzeugendes Personal anbietet, sind Wahlerfolge wieder möglich.

In den beiden norddeutschen Metropolen trat die FDP mit dynamisch und sympathisch wirkenden Spitzenkandidatinnen an. Das hat dem Image der Partei gut getan. Bei nächsten Landtagswahlen am 13. März 2016 in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt werden aber überall Männer auf dem ersten Listenplatz stehen:

In Rheinland-Pfalz der Finanzexperte und ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Wissing (45) und in Baden-Württemberg der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Uli Rülke (54). Ob diese Spitzenkandidaten beim Wähler den gleichen Zuspruch finden werden wie Katja Suding in Hamburg und Lencke Steiner in Bremen, steht dahin.

Aber im Südwesten der Republik sind die Liberalen gesellschaftlich viel tiefer verwurzelt als in den Hansestädten. Und in Sachsen-Anhalt, wo die FDP 2002 mit der späteren Generalsekretärin Cornelia Pieper sogar schon einmal mehr als 13 Prozent geholt hat, tritt die Partei mit dem 37-jährigen Event- und Kongressmanager Frank Sitta an.

Mit etwas Geschick und Glück könnte er im Wahlkampf ähnlich frisch wirken wie die erfolgreichen Frauen im Norden. Sollte der FDP beim Super-Wahlsonntag im Südwesten und vielleicht sogar in Sachsen-Anhalt der Einzug in die Landtage gelingen, wäre das ein sehr ermutigendes Zeichen für die Bundestagswahl im Jahr darauf.

“German Mut” und ein zuversichtlicher Spitzenkandidat

Auch im September 2017 wird die Partei mit dem dann 38-jährigen Christian Lindner über einen jungen Spitzenkandidaten verfügen, der Zuversicht und eine Aufbruchstimmung ausstrahlen könnte. Gut gelang ihm das bereits beim traditionellen Dreikönigstreffen der Partei am 6. Januar vergangenen Jahres und auch beim Bundesparteitag im Mai, dem er das originelle Motto “German Mut” gab.

Allerdings hat die FDP in den vergangenen Monaten auch Fehler gemacht, zum Beispiel in der “Grexit”-Debatte. Während Lindner die Wiedereinführung der Drachme in Griechenland forderte, sprach sich sein Vize Kubicki dagegen aus. Zerstrittenheit in einer so wichtigen Frage ist für Parteien immer schlecht.

Selbst wenn man Lindners Position für richtig hält, muss er sich die Frage gefallen lassen, ob die FDP in Zukunft jemals in der Lage wäre, als Regierungspartei ein Ausscheiden Griechenlands oder auch eines anderen Landes aus der Euro-Zone zu erzwingen.

Denn einen Fehler darf die Partei nie wieder machen, will sie nicht noch einmal ihre Existenz gefährden: in der Opposition etwas versprechen, was sie später in der Regierung nicht halten kann.

Wie oft im Leben hatten sich auch beim Scheitern der FDP im September 2013 langfristige und kurzfris­tige Fehlleistungen summiert. Am Anfang der Fehlerkette stand, dass die Partei in der Opposition bis 2009 Steuersenkungen zum zentralen Inhalt gemacht hatte, dann aber als Regierungspartei so gut wie nichts von ihren Forderungen durchsetzen konnte.

Der massive Glaubwürdigkeitsverlust in der schwarz-gelben Koalition führte dazu, dass erst Landtagswahlen verloren gingen und dann die Kritik am damaligen Parteichef Guido Westerwelle immer stärker anschwoll.

Das neue Führungsduo Philipp Rösler und Rainer Brüderle erwies sich schon bald als überfordert und hatte dann mit der #Aufschrei-Affäre und Brüderles schwerem Sturz im Wahlkampf auch noch Pech. Als der angeschlagene Spitzenkandidat in einer Panikreaktion wenige Tage vor der Wahl sagte, wer Merkel wolle, müsse die FDP wählen, war es um die Liberalen geschehen.

Doch dafür, dass die Partei in den vier Jahren in der Regierung sehr viel falsch gemacht hatte, scheiterte sie am 22. September 2013 mit 4,8 Prozent sogar nur relativ knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Trotz aller Fehler und Versäumnisse hatten immerhin mehr als zwei Millionen Wähler ihre Zweitstimme der FDP gegeben.

Es ist schon jetzt das historische Verdienst Lindners, die Partei nach dem Debakel niemals in die Nähe des Rechtspopulismus geführt zu haben. Anstatt mit einer Art deutscher FPÖ zu liebäugeln, besann er sich auf die Wurzeln seiner Partei: “Bürgerrechte, marktwirtschaftliche Überzeugung und Technologieoffenheit”, wie er es kürzlich in einem Interview formuliert hat.

Lindners Aussage, dass im Bundestag nur sozialdemokratische Parteien sitzen, enthält mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. In vielen Debatten herrscht bleierne Langeweile, weil die schwarz-rote Regierung nur von den gemäßigt linken Grünen und der ganz linken Linkspartei kritisiert wird. Lebendiger Parlamentarismus sieht anders aus. Allein schon deshalb wäre eine Rückkehr der FDP in den Bundestag wünschenswert.

Bis zur Abspaltung des wirtschaftsliberalen Flügels Mitte dieses Jahres hätte die AfD zumindest theoretisch die Chance gehabt, die FDP politisch zu beerben. Doch seit sich in der jungen Partei die Nationalkonservativen durchgesetzt haben, wendet sich die AfD an Wählergruppen, für die liberale Werte kaum Bedeutung haben dürften.

“Intensiverer Gesprächskontakt” zur SPD

Zum beherrschenden Thema der vergangenen Monate, der Flüchtlingskrise, war von der FDP lange Zeit nur sehr wenig zu hören. Die Stellungnahmen der Parteioberen beschränkten sich im Wesentlichen darauf, die Maßnahmen der Regierung mit einem “zu wenig” und “zu spät” zu tadeln.

Solche Zaghaftigkeit wirkt bei einer Oppositionspartei nie überzeugend. Erst Anfang November ging Lindner aus der Deckung und warf der Kanzlerin vor, sie habe mit ihrer Willkommenspolitik nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa “Chaos angerichtet” und das “unhaltbare Versprechen” gegeben, dass jeder, der ein neues Leben sucht, es hierzulande finden könne.

Reichlich spät kam diese Attacke, bietet die aktuelle Situation für die FDP doch die Möglichkeit, die Sorgen vieler Menschen aufzunehmen, ohne dabei liberale Prinzipien aufzugeben oder rechtspopulistische Parolen à la AfD zu schwingen.

Von zentraler Bedeutung bleibt für die FDP stets die Koalitionsfrage. Bis zur Hamburg-Wahl im Februar war Lindner auch für ein Bündnis mit der SPD offen und wollte verhindern, dass sich die FDP erneut so fest an die Union bindet wie zu Westerwelles Zeiten. Auch jetzt betont er noch, dass es wieder “einen intensiveren Gesprächskontakt” zu den Sozialdemokraten gebe.

Doch seitdem sich der Hamburger SPD-Bürgermeister Olaf Scholz bereits vor der Bürgerschaftswahl für Rot-Grün entschied und eine rechnerisch mögliche Koalition mit der FDP gar nicht erst in Erwägung zog, hält Lindner eine sozial-liberale oder gar eine rot-gelb-grüne Ampel-Koalition für nahezu ausgeschlossen.

Die Entscheidung von Scholz war für die Liberalen auch deshalb schmerzlich, weil die SPD in Hamburg vier Jahre lang allein regiert hatte und der Bürgermeister nicht einmal behaupten konnte, er wolle eine erfolgreiche Koalition mit den Grünen fortsetzen. “Auf absehbare Zeit”, so sagt Lindner jetzt, sehe er mit der SPD “keine realistische Option auf gemeinsame Arbeit”.

Von den fünf “sozialdemokratischen Parteien”, die nach seiner Überzeugung im Bundestag sitzen, stehe die CDU den Liberalen in ihren Grundüberzeugungen noch immer am nächsten. Das heißt nun aber nicht, dass es nach einem Wiedereinzug der FDP und bei einer entsprechenden Mehrheit automatisch eine schwarz-gelbe Koalition geben muss.

Auch bei den Liberalen rechnet man damit, dass Merkel nach der nächsten Bundestagswahl noch einmal sehr viel ernsthafter als 2013 eine erste schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene anstreben wird.

“Opposition dagegen wäre kein Mist, sondern nötig”, sagt Lindner. Regieren möchte auch er. Aber er ist jung und weiß, dass es nach einem Comeback für seine Partei nicht das Schlechteste wäre, wenn sie sich im Bundestag erst einmal weiter profilieren und nicht gleich wieder auf der Regierungsbank landen würde.