Wie können die Ampelparteien besser kommunizieren?

Halbzeit

Das Prinzip Hoffnung

Angst geht um in der SPD. Angst, dass „Olaf“ wirklich glaubt, was sein Umfeld verbreitet: Dass die Bundestagswahl 2025 so gut wie sicher ist. Und dass „Olaf“ meint, seine Strategie von 2021 – unterschätzt zu werden, cool zu bleiben, um dann zu siegen – wiederholen zu können.

Tatsächlich aber sind SPD-Wählerinnen und -Wähler zurzeit massivst gefrustet vom Ampel-Streit, von „No Go“-Gebieten in Deutschlands Innenstädten, von Heizungs-Wirrwarr, Finanz-Chaos und der Diskussion, ob wahre Arbeit sich überhaupt noch lohnt.
Dass auch er in seinem Wahlkreis drängende Fragen wegen der Angleichung von Arbeitslohn und Bürgergeld bekommt, musste sogar SPD-Chef Lars Klingbeil in seinem jüngsten Podcast mit SPD-General Kevin Kühnert eingestehen. Doch statt plausibler Antworten gab es Funktionärs-Folklore von Kühnert – die Warnung, die, die nichts haben „auszuspielen“ gegen die, die nur wenig haben. Und auch Klingbeil fiel nicht mehr ein als Politik-Sprech für die Gen_F(unktionär).

Währenddessen fragen sich gestandene Sozialdemokraten in Leitungsfunktionen, woran es liegt, dass das Haus von Arbeitsminister Heil nahezu die Hälfte des Gesamt-Haushalts unter die Menschen bringt (Rentenzahlungen inklusive), Wählerinnen und Wähler aber diese steigenden sozial Wohltaten in Umfragen so gar nicht mit der SPD verbinden. Stattdessen Horror-Werte um die 15 Prozent.

Doch Olaf lächelt und bleibt cool. Alles andere bedeutet in seiner Welt Schwäche. Ein Kalkül für seinen Wahlkampf 2025 ist weniger undurchdringlich: Selbst mit dreimal satten möglichen Mehrheiten für die AfD bei den kommenden Ostwahlen sowie einem ebenso hohen AfD-Ergebnis bei der Europa-Wahl 2024, werden die Menschen bei der Bundestagswahl 2025 Mitte vor Rechtsruck und Stetigkeit vor Chaos wählen lassen. Also – nach eigener Wahrnehmung – Scholz statt AfD. Dazu ein bisschen Gro-Ko-Folklore. Motto: Es war nicht alles schlecht. Damit das so kommen kann, wird sich Olaf Scholz von der Ampel distanzieren müssen. Aber das erst wenige Wochen vor der Wahl.

Béla Anda

Lösungen von morgen

Auf die Performance der Grünen in der Ampel gibt es zur Halbzeit eine Innen- und eine Außensicht. Und dazwischen einen tiefen Graben. An der Basis ist das Gefühl verbreitet, man würde in der Koalition zu viele Kröten schlucken, etwa in der Klima- oder Asylpolitik. Gesamtgesellschaftlich meint eine Mehrheit, dass die Grünen die Koalition zu stark dominieren würden.

Aufgrund der Widersprüchlichkeit dieser Sichtweisen scheint dieses doppelte Imageproblem der Grünen auf den ersten Blick unauflösbar. Allerdings können Parteien Kritik von innen durch Zuspruch von außen auffangen, andersherum gelingt es selten. Öffentliches Vertrauen verloren die Grünen etwa durch das Heizungsgesetz oder den Atomausstieg. Dass man Vertrauen schneller ramponiert als restauriert, ist eine Binse und trotzdem eine Wahrheit.
Für den Aufbau von Vertrauen braucht es Verständigung mit und Verständnis für jene, die misstrauisch geworden sind. Eine Mehrheit befürchtet derzeit, dass die Klimapolitik der Wirtschaft und dem eigenen Geldbeutel schadet. Soziale und ökonomische Sorgen haben Klimasorgen überholt. Politisch heißt das für die Grünen, sie muss die Probleme von heute mit den Lösungen von morgen anpacken. Kommunikativ bedeutet das: am Anfang der Botschaft sollte der Nutzen für soziale Gerechtigkeit und Wirtschaft stehen.

Die grüne Erzählung von Klimaschutz als Wohlstandsschutz hat sich bislang zu wenig durchgesetzt. In Bildung oder Gesundheit investieren Menschen Jahre im Voraus, weil sie sich später davon einen Vorteil versprechen. Für die Umstellung auf Klimaneutralität hat sich ein solcher Glaubenssatz noch nicht etabliert. Dazu muss sich grüne Politik natürlich im konkreten Regierungshandeln beweisen. Es gäbe da ein Projekt, mit dem die Grünen den Beweis in dieser Legislatur antreten könnten. Das Klimageld.

Johannes Hillje

Auserzählt

Im Jahr 2009 wurde die FDP Teil der Bundesregierung, bereits vier Jahre später scheiterte sie kläglich an der Fünfprozenthürde. Christian Lindner übernahm und drehte das öffentliche Bild seiner Partei nach Belieben hin und her. Eine Inszenierung verfing schließlich: die einer innovativen Fortschrittspartei. Jetzt ist die FDP wieder unterwegs in die politische Irrelevanz.

Christian Lindner wurde 2021 Finanzminister. Ein Wahlslogan seiner Partei lautete: „Warten wir nicht länger“. Dann aber wurde aus Gestaltungswillen Mahnung (Schuldenbremse), aus Transformation wurde Bewahrung (Heizungsgesetz). Die Lindner-FDP präsentierte sich mit dem Regierungsantritt als oberlehrerhafter Hüter der Vernunft. Die Folge: Bei den Vorzeigethemen Steuer- und Wirtschaftspolitik erhalten in aktuellen Umfragen sogar die Sozialdemokraten mehr Kompetenzzuspruch.
Nicht nur das Bild beim Wähler ist diffus, sondern auch die Selbstwahrnehmung des liberalen Spitzenpersonals. Es spannt sich vom Dahrendorfschen Mitfühl-Liberalismus bis zum High-Performer-Ego-Trip à la Hedgefonds Henning. Die ständige Neuerfindung ist für Wähler eine Zumutung.

Das Alleinstellungsmerkmal der FDP? Das Parteipersonal sagt, es sei die Freiheit. Die Freiheit ist aber keine unique selling proposition, mit gewinnt man nichts, Wählerstimmen schon gar nicht. Der Wert einer freiheitlichen Grundordnung ist durch alle demokratischen Parteien garantiert. Alles darüber hinaus ist etwas für Feingeister. Ganz anders die Grünen: Auch jene, die sie nicht wählen, glauben, sie würden gebraucht, um Umwelt und Klima zu schützen.
Erzählungen (Narrative), über die sich die Gesellschaft einig ist, prägen langfristig Entscheidungen. Was die Liberalen betrifft, sind sie überwiegend stigmatisierend: „Wozu braucht man eigentlich noch die FDP?“ Oder die „Partei der Besserverdienenden/Umfaller“. Gerade kleine Parteien brauchen einen Markenkern, bei den Liberalen ist das häufig der Ausdruck „FDP pur“. Die Partei schätzt marktwirtschaftliche Prinzipien, aber stellt sie sich beim Thema Selbstdarstellung tatsächlich Marktgesetzen?

Mit Blick auf die Bundestagswahl in zwei Jahren hilft nur ein erneuter Kursschwenk, der mehr als fünf Prozent der Wähler überzeugt. Langfristig benötigen die Freien Demokraten jedoch eine verlässliche Erzählung, die sie unentbehrlich macht.

Maximilian Flügge

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 145 – Thema: Halbzeit. Das Heft können Sie hier bestellen.