Weiblicher, aber nicht weiblich genug

Studie zur Parität

50 Prozent Männer, 50 Prozent Frauen – die Idealvorstellung für die Besetzung der Parlamente ist in Deutschland noch lange nicht Realität. Während es in Brandenburg und Thüringen bereits  gesetzliche Regelungen gab, welche die gleichberechtigte Aufstellung von Frauen und Männern in den Listen für die Landtagswahlen vorgeben, kämpft Berlin noch für ein eigenes Paritätsgesetz. Lisa Hempe, Nora Langenbacher und Helga Lukoschat haben mit der neu aufgelegten Studie „Frauen Macht Berlin!“ im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht, wie stark Frauen tatsächlich in der Berliner Politik vertreten sind. Im Vordergrund stand dabei die Frage: Wie lassen sich die Integration und die Förderung von Frauen in der Politik verbessern?

CDU-Sieg sorgt für mehr Frauen im Parlament

Die Zahlen, die anlässlich der diesjährigen Wiederholungswahl in Berlin erhoben wurden, zeigen: Der Frauenanteil hat sich im Vergleich zur Wahl 2021 insgesamt erhöht. Im Berliner Abgeordnetenhaus ist die Beteiligung von Frauen um 3,6 Prozentpunkte auf 39 Prozent gestiegen. Damit liegt Berlin bei den Länderparlamenten hinter Hamburg und Bremen auf Platz drei und hat im Vergleich zu 2021 einen Platz gut gemacht.

Grafik: Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Berlin
Grafik Friedrich Ebert Stiftung Landesbüro Berlin

 

Überraschend ist, dass der höhere Frauenanteil auch auf den Sieg der CDU zurückgeht. Die CDU-Fraktion weist zwar immer noch einen vergleichsweise niedrigen Frauenanteil auf, doch ist er mit nun 25 Prozent fast doppelt so hoch wie 2021 (13 Prozent). Ein weiterer Grund für die höhere Anzahl an Frauen im Parlament ist der Verlust von Wahlkreisen der SPD. Viele männliche Kandidaten verloren ihre Direktmandate, Frauen konnten so über quotierte Listen ins Parlament einziehen. Das Ergebnis: 47 statt 39 Prozent Frauenanteil bei der SPD.

Höchster Frauenanteil bei den Grünen

Insgesamt weisen die Parteien große Unterschiede in puncto Frauenanteil auf. Während die Grünen und die Linke mit 59 beziehungsweise 50 Prozent Frauenanteil Parität erreichen – mit Nachhilfe von Quotenregelungen – bleiben die anderen Parteien hinter den Erwartungen zurück. Bei der FDP waren es 2021 17 Prozent Frauen, dieses Jahr konnte die Partei bei einem nach wie vor niedrigen Frauenanteil die Fünfprozenthürde nicht überwinden. Das Schlusslicht bildet die AfD mit zwölf Prozent. Die Partei ist damit hinsichtlich der Frauenbeteiligung um drei Prozentpunkte schlechter aufgestellt als 2021.

Während der Berliner Senat mit einem Frauenanteil von 64 Prozent stärker als zuvor weiblich und auch divers besetzt ist, ging der Anteil in den Bezirken leicht zurück. Nichtsdestotrotz liegt Berlin mit einem Frauenanteil von 41,1 Prozent auf der kommunalen Ebene deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 28 Prozent. Auch auf der Führungsebene gab es Veränderungen: Sieben von zwölf Bezirken werden von einer Frau geführt, 2021 waren es nur drei.

Männer werden öfter nominiert

Die Gründe für die insgesamt immer noch schwächere Repräsentation von Frauen in der Berliner Politik sind vielfältig. Helga Lukoschat, Vorstandsvorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin (EAF), sagt: „Unsere Studie zeigt deutlich, wo Stellschrauben liegen: in der Ausgestaltung des Wahlrechts und bei den Nominierungspraktiken der Parteien.“

Das personalisierte Verhältniswahlrecht sieht Direktkandidaturen über Wahlkreise vor. Die Nominierungspraxis zeigt, dass die meisten Parteien (außer den Grünen) eher Männer als Kandidaten für die Wahlkreise aufstellen.

Neben den Wahlkreiskandidaturen sind auch die immer noch männlich geprägten Parteikulturen ausschlaggebend für die fehlende Parität.

Grafik: Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Berlin
Grafik Friedrich Ebert Stiftung Landesbüro Berlin

 

Forderung nach einem Paritätsgesetz für Berlin

Ein Paritätsgesetz soll die noch fehlende gleichberechtigte Teilhabe an der Berliner Politik ausgleichen. Dazu gibt es bereits einen Entwurf. Der bezieht sich nicht nur auf die Wahllisten für den Landtag. Auch die Wahlkreiskandidaturen für das Abgeordnetenhaus soll er regeln sowie die Kandidaturen für Bezirksverordnetenversammlungen auf der kommunalen Ebene.

Dazu sagt Nora Langenbacher, Referentin im Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Von der Studie geht Rückenwind aus für das Vorhaben der Regierung aus CDU und SPD, ein Paritätsgesetz für das Land Berlin umzusetzen.“

Weitere Vorschläge der Autorinnen für eine gleichberechtigte Teilhabe in der Berliner Politik: gemischtgeschlechtliche Tandempartner für Wahlkreise, die Definierung von Verhaltensstandards im Rahmen eines Code of Conducts und eine klare Aufgabenverteilung der Care-Arbeit. Denn der Faktor Zeit ist für eine Teilhabe an der Politik auch nicht unerheblich.

Die vollständige Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung kann hier heruntergeladen werden.