Sind die Webseiten deutscher Städte zu kompliziert geschrieben?

Behördenkommunikation

„Damit trotzdem bei der Bemessung von Bußgeldern und Fahrverboten überall in Deutschland gleich zu bewertende Verstöße auch gleich geahndet werden, besteht ein für alle Bußgeldstellen verbindlicher Katalog.“

Alles klar? So kompliziert informiert die Stadt Essen auf ihrer Webseite zum Thema Verkehr und Mobilität. Laut einer Studie von Wortliga Tools ist das nur ein Beispiel von vielen: 40 Prozent der Online-Informationen, die deutsche Städte für ihre Bürger bereitstellen, seien schwer zu verstehen. 475 Online-Texte wurden untersucht. 194 davon sind kompliziert aufgebaut und verwenden sperrige Worte. 173 Texte seien sogar schwer lesbar. Die Grüne: sehr lange Sätze, komplizierte Begriffe und Passiv-Formulierungen.

Die Webseiten von 19 Mittel- und Großstädten hat die Studie angeschaut. Pro Stadt kamen fünf Themenkomplexe à jeweils fünf Texte unter die Lupe. Die Themen waren Wohnungssuche, Informationen zu COVID-19, Mobilität und Verkehr, Barrierefreiheit sowie Unterstützung von Familien. Mithilfe einer hauseigenen Software wurde das Sprachniveau sowie ein Lesbarkeitsindex berechnet. Für das Sprachniveau wurden je nach Komplexität Punkte zwischen null (Sprachniveau C2 – schwierig ) und drei (Sprachniveau B1 – einfach) vergeben. Bei der Lesbarkeit steht die Punktzahl 100 für die höchste Verständlichkeit. Platziert wurden die Städte nach Sprachniveau. Nur bei Gleichstand im Sprachniveau zählte als nächstes der Lesbarkeitswert.

Ranking: Wie verständlich informieren deutsche Städte unterschiedlicher Größe?, Grafik: Wortliga Tools

Ranking: Wie verständlich informieren deutsche Städte unterschiedlicher Größe?, Grafik: Wortliga Tools

Gute Ansätze

Die durchschnittliche Punktezahl der städtischen Webseiten liegt bei 38. Im Vergleich zum möglichen Höchstwert von 75 signalisiert das einen hohen Nachholbedarf. Basierend auf den Ergebnissen der Studie sind die Webseiten von Nürnberg (50), Hamburg (50) und Köln (49) am verständlichsten aufbereitet. Am schlechtesten schneidet die Stadtseite von Ingolstadt ab (34). Die Studie hat allerdings die Nutzerfreundlichkeit oder das Layout der Seiten nicht berücksichtigt, obwohl beide Faktoren Nutzern helfen, besser zu verstehen. Die Seite der Ruhrmetropole Essen zum Beispiel rangiert auf dem 17. Platz. Dabei ist sie übersichtlich und klar aufbereitet. Eine Stichprobe von p&k ergab: Neben dem eingangs erwähnten Sprachungetüm finden sich kaum andere Negativbeispiele, auch nicht auf den Seiten der anderen Städte. Die Verantwortlichen für die Stadtseiten scheinen verstanden zu haben, dass eine schwer verständliche Sprache zu mehr Rückfragen der Menschen führt und am Ende mehr Geld und Zeit kostet. Eine verständliche Sprache fördert das Vertrauen und interessiert Bürger für städtische Anliegen.

Maßnahmen für Allgemeinverständlichkeit

Seit 2020 sind Behörden dazu verpflichtet, eine Version ihrer Webseite in „Leichter Sprache” anzubieten, um Menschen mit Lernbehinderungen nicht auszuschließen. An die breite Bevölkerung richtet sich diese Maßnahme nicht. „Bürgerfreundliche Kommunikation bedeutet, dass ein Großteil der Bevölkerung die Inhalte versteht und gern liest“, sagt Gidon Wagner, Studienleiter und Geschäftsführer von Wortliga Tools. Scheinbar haben sich die Städte das zu Herzen genommen und ihre Sprache angepasst: Aktiv- statt Passiv-Formulierungen, kurze statt lange Sätze und eine persönliche Ansprache. Ob diese per Sie oder per Du ausfällt, bleibt eine Geschmacksfrage. Von den 19 untersuchten Städten duzen nur zwei: Köln und München.