Caren Lay betritt das Rednerpult und trinkt zunächst einen großen Schluck aus dem Wasserglas. Dann wird es endlich ruhiger im Saal. Lay, stellvertretende Fraktions- und Parteivorsitzende der Linken sowie Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik, ergreift das Pult und streckt das rechte Bein angriffslustig in Richtung Unionsfraktion: „Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Jahr 1990 gab es noch drei Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Heute ist es noch weniger als die Hälfte… Wir Linke sagen ganz klar: Der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus ist dramatisch und wir müssen ihn stoppen.“ Die Sätze sitzen. Caren Lay meint es ernst. Ihre Stimme klingt kämpferisch, so wie es für eine gute Angriffsrede sein muss. Da ist der frühe Applaus aus den Reihen ihrer Partei wohl verdient.
Kämpferischer Ton
In Zeiten Großer Koalitionen stärkt die parlamentarische Debatte den kontroversen Austausch nicht nur der Abgeordneten, sondern auch der Gesellschaft. Caren Lay folgt dem Selbstverständnis der Linken, eine kämpferische Opposition zu sein, wenn sie sagt: „Denn der soziale Wohnungsbau // ist gut für alle Mieterinnen und Mieter. // Also auch für diejenigen, // die ihn nicht selber nutzen. // Sozialwohnungen // dämpfen die Mietpreise für alle // und sorgen auch für bezahlbare Mieten für alle.“
Pausen, Betonungen und der Klang der Stimme erleichtern das Zuhören. Neben klaren inhaltlichen Aussagen beherrscht Caren Lay auch die emotionale Klaviatur. Schon die alten Griechen haben die Wirkung der Worte verstärkt. Im Katalog wirkungssteigernder Redefiguren der antiken Rhetorik taucht die Epipher ganz oben auf: Die Wiederholung wichtiger Worte am Satzende oder am Ende von Satzteilen.
Plastische Vergleiche
„In den achtziger Jahren waren es noch 20 Prozent Sozialwohnungen. Heute sind es gerade einmal drei Prozent.“ Fakten schaffen Aha-Erlebnisse. Das Ergebnis: Der Zuhörer staunt. Doch Caren Lay setzt noch einen drauf und zitiert die zuständige Ministerin, um einen drastischen Vergleich anzustellen: „Frau Hendricks sagte vor einigen Wochen im Morgenmagazin, dass 40 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger theoretisch einen Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten. Das hieße dann umgerechnet 25 Prozent anspruchsberechtigte Bürgerinnen und Bürger kämen auf eine Sozialwohnung. Und das wird ja nun wirklich ein bisschen eng!“ Bei dieser Aussage schmunzelt und staunt man zugleich über diese überaus plastische und gerade deshalb rhetorisch gelungene Bestandsaufnahme der Gesellschaft.
Und was folgt auf die Diagnose? Das Therapiebeispiel Wien: „Wer sich einmal ansehen möchte, wie sozialer Wohnungsbau gut funktioniert, wie er […] auch architektonisch attraktiv sein kann, der muss nach Wien gehen. Dort sind über 40 Prozent aller Wohnungen […[ im Sozialwohnungssegment: Mit guten Ergebnissen! Während in Deutschland die Mieten explodieren, steigen sie dort nur moderat. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen!“
Fazit
Die Linken-Politikerin Caren Lay zeigt, wie durch Fakten und Vergleiche Emotionen beim Zuhörer erzeugt werden. Auch ihr kämpferischer Ton schafft Spannung und erleichtert das Verständnis. Gut: Neben der kritischen Ist-Analyse gibt sie auch Beispiele, was ihrer Ansicht nach verändert werden muss. So sollten Oppositionsreden sein! Tipp: Mehr Ruhe in die Rede bringen, sonst geraten Fakten schnell durcheinander, und den Blick nicht an den Besucherreihen, sondern an den Abgeordneten ausrichten – denn der Blick adressiert die Rede an die Parlamentarier im Saal.
Mimik, Gestik, Körpersprache:
Lebendiger Ausdruck:
Redeaufbau: