"Wir müssen Politik besser erklären"

Herr Haser, konnten Sie Herrn Cords zeigen, dass Sie seine Idee eines “Populismus der Mitte” umsetzen?

Raimund Haser: Ich finde diesen Begriff außerordentlich gut. Der gemeinsame Tag hat mir gezeigt, dass ich mich an die eigene Nase fassen muss: Ich bin auch jemand, der zu umfangreiche Facebook-Posts schreibt, weil die Welt so kompliziert ist. Und der Mails oft so schreibt, dass sicher einige davon nicht zu Ende gelesen werden. Als ich bei der Zeitung noch Leitartikel geschrieben habe, habe ich begriffen, dass das Verdichten eines komplizierten Sachverhalts auf 100 Zeilen hilft, die Gedanken zu sortieren. Erst dann weiß man, was man wirklich sagen will. 

Herr Cords, entspricht die Kommunikation von Herrn Haser Ihren Vorstellungen?

Lars Cords: Ich bin sehr beeindruckt, wie viel Zeit er sich genommen hat, mir einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren und mit welcher Vielfalt an Blickwinkeln ich konfrontiert wurde. Das hat mir gezeigt, wie vielfältig die Herausforderung  für eine Landtagsfraktion ist, in der politischen Kommunikation erfolgreich zu sein.
Zu Herrn Haser: Es ist kein Zufall, dass wir hier zusammensitzen. Wir haben uns über Twitter gefunden. Er gehört damit zu einem der Vorreiter innerhalb der Fraktion und geht auch reflektiert mit der Frage um: Welche Sprache benutze ich auf welchem Kanal gegenüber welcher Zielgruppe? Wobei wir uns einig darüber sind, dass da immer noch Luft nach oben ist. Wir sehen es beide als große Herausforderung für alle Beteiligten an, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – auch und gerade über Kommunikation – wieder stärker zueinander zu finden und die Debatte nicht den politischen Rändern überlassen. Dass es dafür unter anderem einen neuen Umgang mit Sprache braucht, war dabei in allen Gesprächen Konsens. Die Frage bleibt nur: Wie? Wir müssen so zuspitzen und vereinfachen, dass wir überhaupt noch durchdringen – ohne dabei zu verzerren, zu verfälschen und über Gebühr zu vereinfachen.

Lars Cords (l.) und Raimund Haser (c) Andreas Söntgerath

Herr Haser, hat der Besuch von Lars Cords Sie dazu angeregt, Ihre Kommunikation zu verändern?

Raimund Haser: Ja, im Kleinen wie im Großen. In letzter Zeit habe ich zum Beispiel nur meinen privaten Facebook-Account genutzt. Vielleicht weil ich Facebook eher für ein privates Kommunikationstool halte, in dem ich meine private Seite zeige – die unweigerlich mit dem Dasein als Politiker verknüpft ist. Twitter bringt für mich hingegen Menschen auf einer professionellen Ebene zusammen. Das hat mir nicht zuletzt dieser Tag gezeigt. Ich nehme mit, dass diese Medien nur über eine jeweils eigene Community funktionieren. Die CDU-Fraktion muss darauf bezogen strategischer denken. Wie gehen wir Dinge an und verkaufen sie? Bildlich gesprochen produzieren wir momentan Autos und stellen diese auf den Hof, ohne uns zu fragen, wie sie anschließend zum Kunden kommen.

Herr Cords, haben Sie konkrete Vorschläge für Herrn Haser, wie er seine Kommunikation verändern kann?

Cords: Meine Vorschläge gehen eher in Richtung der gesamten Fraktion. Sie sollte stärker arbeitsteilig vorgehen und sich bewusst werden, dass nicht alle über alle Themen gegenüber allen Zielgruppen und allen Kanälen alles kommunizieren können oder müssen. Wer das als seine persönliche Herausforderung begreift, muss scheitern. Die gemeinsame Herausforderung bewältigt man nur, indem man sich fachspezifisch, kanalspezifisch und dann natürlich auch wahlkreisfokussiert mit den Themen auseinandersetzt.

Da ist die Frage: Schafft es die Fraktion, diese Arbeitsteiligkeit ganz bewusst zu leben? Jeder Fachpolitiker sollte es als seine Aufgabe ansehen, die eine Botschaft der Woche aus seinem Fachbereich so verdichtet zu formulieren, dass sie twitterfähig oder Facebook-Headline-fähig ist – und das allen anderen Abgeordneten anbieten, es zu adaptieren und über ihre eigenen Kanäle auszuspielen. Dadurch würde ein gewisser Gleichklang trotz großer Kanalvielfalt gelingen. Und: Wenn sie eine ganz junge Zielgruppe nicht komplett ausblenden und verlieren wollen, sollten sich die Abgeordneten auch trauen, Instagram auszuprobieren.

Lars Cords (l.) und Raimund Haser (c) Andreas Söntgerath

Vor welchen kommunikativen Herausforderungen stehen Politiker heute?

Haser: Wir leben in einer Zeit, in der es ums große Ganze geht. Es geht immer weniger um die Frage: Wähle ich die eine oder andere Partei? Sondern mehr darum ob wir es schaffen, die parlamentarische Demokratie, in der alles etwas länger dauert, gegenüber autoritär geprägten Staaten wettbewerbsfähig zu erhalten. Deshalb müssen wir Formate schaffen, mit denen wir Politik als Ganzes erfolgreich machen und konsensfähige Entscheidungen ermöglichen. Wir müssen besser erklären. Wie und warum wir ein Projekt angehen, wo wir Beteiligungsmöglichkeiten sehen, wo wir offen sind für Veränderungen. Und wo wir auf der anderen Seite aber auch keine Möglichkeit dafür sehen, auf jeden zu hören. Irgendwann ist der Punkt der Entscheidungsfindung da und die parlamentarische Demokratie muss entscheiden. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. 
Ganz persönlich sehe ich es auch als Vorteil, manche Dinge länger zu diskutieren und nicht immer dem ersten Gedanken, der einem in den Kopf schießt, nachzugehen. Trotz der allgegenwärtigen Geschwindigkeit sollte man sich die Zeit lassen, ein zweites Mal nachzudenken und vielleicht eine etwas abgeschwächte, konziliantere Formulierung zu wählen. Auch um damit etwas Schärfe aus dem System herauszunehmen.

Cords: Daran möchte ich direkt anbinden: Der Streit als solches muss wieder positiv besetzt werden. Nicht der Streit um Personal und Personen wie er gerade auf Bundesebene lange Zeit im Vordergrund stand, sondern der Streit um Positionen und Themen. Generell ist die Tendenz gegeben, dass Streit als etwas Negatives wahrgenommen wir und man deshalb eine Distanz gegenüber dem politischen Raum aufbaut. Dem muss entgegengewirkt werden. Streit ist das Kernelement der Demokratie und der Weiterentwicklung von Meinungen. Dass zu Streiten bestimmte Regeln gehören und dass dieser Streit nicht nur legitim, sondern sogar lebenserhaltend ist, ist eine der ganz zentralen parteiübergreifenden Botschaften abseits aller parteipolitischen oder tagesaktuellen Themen die es zu kommunizieren gilt. Die zentrale Frage dabei: Schaffen wir es mit einer neu gelebten Streitkultur beieinander zu sein und beieinander zu bleiben? Nicht mit einem Streit, wie man ihn in den USA zurzeit sieht, der teilweise so faktenfrei, unter der Gürtellinie und so dogmatisch geführt wird, dass er die gesamte Gesellschaft spaltet und auseinanderreißt.