Instagram ist den politischen Kinderschuhen entwachsen. Nutzten zur Bundestagswahl 2017 noch nicht einmal die Hälfte der später gewählten Parlamentarier die Plattform, liegt die Nutzungsdichte der heute auf Instagram vertretenen MdBs schätzungsweise bei drei von vier. Ein ähnliches Bild zeigt sich auf Landesebene. Auch zahlreiche Kommunalpolitiker haben die Plattform für sich entdeckt. Nur: Wieso eigentlich? Was kann Instagram, was etwa Facebook oder ein Newsletter nicht können? Was zeichnet ein erfolgreiches, politisches Instagram-Profil aus und wie gelingt eine ganzheitliche, strategische Integration des Kanals in den Kommunikationsmix von Politikern?
Durch die Dominanz der Bildsprache verdichtet Instagram stärker als andere Social-Media-Plattformen das idealisierte Selbstbild, welches Instagram-Nutzer von sich konstruieren. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen, was Politiker auf der Plattform so tun, um ihre jeweilige Politik zu kommunizieren. Im Rahmen meiner Dissertation beforsche ich unter anderem die Nutzung von Instagram in der politischen Kommunikation. Mich interessiert dabei vor allem, wie sich Personalisierung und unmittelbare Wähleransprache auf die Herausbildung von Wahlentscheidungen und individuelle Verhaltensweisen auswirken. Dazu führe ich empirische und experimentielle Studien durch und werte unterschiedliche Statistiken aus.
Late to the party
Bevor wir tiefer in die Materie und die Frage nach der Relevanz von Instagram für politische Akteure einsteigen, muss mit einer immer noch erstaunlich weit verbreiteten Fehleinschätzung aufgeräumt werden: Instagram ist – pardon – nicht der neue „heiße Scheiß“. Die Plattform feiert in 2020 zehnjähriges Jubiläum, 2018 erreichte Instagram die Marke von einer Milliarde Nutzern. Wenn Politiker nun also Instagram in den Kommunikationsmix integrieren, dann ist das weder innovativ noch originell, sondern allerhöchste Zeit. Die „anderen“ Mitspieler im Wettstreit um Aufmerksamkeit – Marken, Musiker, Sportler, Persönlichkeiten und natürlich Influencer – sind schon lange da und haben die Spielregeln für Erfolg auf der Plattform maßgeblich mitgestaltet.
Die Plattform selbst erfreut sich dabei auch in ihrem zehnten Jahr großer Beliebtheit, insbesondere unter Millenials und der Generation X. Für all jene ist Instagram ein fester Bestandteil der Media-Diet. Das dort erlernte Konsumverhalten von medialen Inhalten prägt die Zielgruppe weit über den Einfluss der App hinaus.
Es ist deshalb nur folgerichtig, sich als Politiker dort digital aufzuhalten, wo sich auch ein nennenswerter Anteil potenzieller Wähler tummelt. Genaue Zahlen für den deutschen Markt gibt die Facebook-Tochter zwar nicht heraus, Schätzungen belaufen sich auf 12 bis 15 Millionen Nutzer zwischen 16 und 39 Jahren. Angesichts knapper Mehrheitsverhältnisse im Sechs-Parteien-System eine nicht nur unter Mobilisierungsaspekten wichtige Zielgruppe. Doch dazu gleich mehr. Denn bevor mit Instagram gezielt mobilisiert werden kann, müssen die zu Mobilisierenden erst einmal erreicht bzw. angesprochen werden.
Bitte lächeln
Daran hapert es im politischen Instagram in der Breite. Die Nutzungsdichte ist gestiegen, die qualitative Umsetzung aber geht oft an der Sache vorbei: verwaiste oder halbherzig gepflegte Profile, wie jenes von Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), der wochenlang nichts postet, um auf dem Höhepunkt der Corona-Krise ein Glas Bienenhonig als Lebenszeichen in die Kamera zu halten. Dazu die immergleichen Bild- und Textstanzen. „Gute Gespräche heute mit dem und dem“, „Im Wahlkreis unterwegs“, „Heute Bürgersprechstunde und jetzt bitte alle unbeholfen zum Gruppenfoto aufstellen“. Motiv: „Graues Sakko vor grauer Wand“.
Welche Gesellschaft soll das abbilden, welche Botschaft soll das senden? Was wie eine rhetorische Frage klingt, zielt auf den Kern des Problems: Warum sollte sich jemand mit langweiligen politischen Nichtbotschaften auseinandersetzen, wenn nur einen Fingerstrich entfernt hochwertiger Premiumcontent zum Zeitvertreib lockt?
Dieses Dilemma lässt sich bundesweit und parteiübergreifend beobachten. Profile werden halbherzig eingerichtet und inkonsistent und uninspiriert gepflegt. Oder noch schlimmer: irgendwann aufgegeben oder vergessen. Deutlicher kann man „Ich habe keinen Bock auf einen Teil meines Jobs“ kaum ausdrücken. Genau das ist die Pflege des Profils nämlich: Teil des Jobs, als Volksvertreter zielgruppengerecht über die politische Arbeit zu informieren.
Oder soll man es lassen?
Dass die Umsetzung Schwierigkeiten bereiten kann, ist das eine. Und natürlich: Es ist nicht jedermanns Sache, sich digital so extrovertiert zu verhalten wie reichweitenstarke Influencer. Das gehört aber dazu – und etwas schlecht oder halbherzig zu machen, kann und darf nicht die Lösung für Defizite in der Kanalpflege sein. In diesem Fall sollte man es lieber lassen.
Das hat aber schwerwiegende Konsequenzen, denn Instagram bietet aufgrund der relativ geschlossenen Erlebniswelt und der Unmittelbarkeit von Storys in Kombination mit einem konsistent kuratierten Feed ideale Tools für persönliche Markenbildung. In kaum einem anderen Format kann sich Politik so ungestört inszenieren und selbst erfinden wie bei Instagram. Ich meine das nicht verächtlich, sondern sehe hier eine zwingende Notwendigkeit, sich in der Vermittlung von Politik ein Stück weit der Realität aus Unterhaltung und Marketing zu stellen. Es gibt keinen logischen Grund, den Kanal halbherzig zu pflegen: Bei jedem Bild, das hochgeladen wird, handelt es sich um einen Akt der Inszenierung. Ob in Jogginghose auf der Couch oder staatstragend im Einsatz – beide Bilder sind gleich bewusst inszeniert. Insofern gibt es auch keine Rechtfertigung für halbherzig erstellte, langweilige Beiträge. Es sei denn, und das wäre tragisch, die Inhalte geben nichts anderes her.
Was funktioniert, was nicht?
Auch für politische Profile gelten grundlegende Regeln, die über Erfolg oder Misserfolg in Social Media mitentscheiden: Profile und die dargebotenen Inhalte sind dann anschlussfähig, wenn die Kommunikation transparent, ehrlich, nachvollziehbar und regelmäßig stattfindet. Instagram lebt von der Illusion der Unmittelbarkeit. Insbesondere Instagram-Storys produzieren ein Gefühl von intimen Einblicken und eignen sich hervorragend für die Personalisierung von Politik. Instagram-Storys sind Bilder und kleine Videos, welche Nutzer in chronologischer Reihenfolge hochladen, und die nach 24 Stunden wieder verschwinden. Stories geben so einen als unmittelbar empfundenen Einblick in den Alltag des jeweiligen Nutzers. Das alles bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass nur noch Selfies vom Waldspaziergang hochgeladen werden dürfen.
Im Gegenteil: Meine Studie zum Nutzungsverhalten von Spitzenkandidaten, Generalsekretären und Sprechern zur Bundestagswahl 2017 hat gezeigt, dass die Plattform in Kampagnen-Phasen deutlich politischer ist, als gemeinhin angenommen. Politisch heißt hier, dass in den Wochen vor der Bundestagswahl diejenigen Beiträge besonders starke Reaktionen hervorriefen, welche eine klare, politische Botschaft transportierten. Den Politikern stehen durch die Betonung der Bildebene unterschiedlichste Wege offen, sich als politische Personenmarke zu positionieren und entsprechend auszudrücken.
Noch besser funktionierten übrigens Beiträge, die eine sichtbare Spitze in Richtung einer anderen Partei beinhalteten oder die ein besonderes Alleinstellungsmerkmal des Politikers hervorhoben. Was dies dann konkret für Bildsprache, Narrativ, Inszenierung usw. bedeutet, ist pauschal nicht zu beantworten, sondern hängt vom Naturell bzw. der Persönlichkeit des jeweiligen Politikers ab. Grundsätzlich sollte der Antrieb für das eigene Handeln sichtbar sein, um emotionale Anschlusspunkte zu ermöglichen.
Stellt sich nun also die Frage: Wozu das Ganze? Unterm Strich geht’s doch um die Chancenmaximierung, Wähler zu mobilisieren. Wer sich nun die archimedische Formel für die perfekte Instagram-Kampagne erhofft, den muss ich enttäuschen. Zu viel Humbug wurde im Zuge des Cambridge-Analytica-Skandals über die vermeintliche Wirkungsmacht von Targeting und individuellem Verhalten geschrieben.
Unabhängig davon ist jedoch eines ganz grundsätzlich festzuhalten: Die Verlagerung zahlreicher Aspekte des sozialen und alltäglichen Lebens in Richtung des Smartphones verändert die Art und Weise, wie Menschen Entscheidungen treffen. Dieser Prozess hat einen Einfluss auf individuelle Wahlentscheidungen und damit auf Mehrheitsverhältnisse. Wie Smartphone-gestützte Kommunikation individuelles Verhalten beeinflusst, habe ich am Beispiel Instagram untersucht.
Sind wir nur dressierte Affen?
Der Zauber, den soziale Medien über Mobiltelefone auf uns ausüben, speist sich aus der menschlichen Natur. Und das geht so: Instagram-Inhalte werden fast ausschließlich auf dem Smartphone konsumiert. Studien aus der Verhaltens- und Suchtforschung zeigen, dass die gesteigerte Interaktionsdauer mit Handys nicht nur die kognitive Leistungsfähigkeit von Individuen schwächt, sondern auch die Art- und Weise verändert, wie Entscheidungen getroffen werden. Angesichts eines Überangebots von Informationen greifen Menschen auf sogenannte „Heuristiken“ in Entscheidungssituationen zurück. Heuristiken sind Abkürzungen im Denken. Sie gleichen akute Informationen mit Erfahrungen ab. Heraus kommen affektive Entscheidungen, die zwar sehr schnell und ohne großen kognitiven Aufwand getroffen werden, jedoch nicht auf Vernunft und Überlegung basieren.
Dasselbe Bild: Eine Kandidatin, die sich auf einem Foto inszeniert, einmal publiziert als Instagram-Post (oben), einmal in einem Zeitungsartikel (unten). Testpersonen reagierten auf den Instagram-Post der Kandidatin positiver.
Da die kognitive Leistungsfähigkeit von Menschen begrenzt ist, steigt mit einer immer größeren Anzahl zu verarbeitender Informationen der Anteil affektiver Entscheidungen. Dies muss nicht zwangsläufig zu schlechteren Ergebnissen für den Menschen führen. Allerdings verändert das Wissen um diese Funktionsweise den Blickwinkel auf augenscheinlich irrationales politisches Verhalten.
Schema F wegen Überforderung
Eine Heuristik leitet den Entscheidungsträger angesichts komplexer Situationen anhand bekannter Muster. Ob diese Muster dabei auf Wahrheit oder auf Unwahrheit basieren, macht für den Entscheidungsträger keinen Unterschied. So sind es oft die leichten Antworten auf komplexe Zusammenhänge, die die Entscheidungsheuristik substanziell beeinflussen. Dieser Mechanismus, sich am Bekannten zu orientieren, um unter Bedingungender Unsicherheit Entscheidungen zu treffen, wird durch das „Look & Feel“ von Instagram verstärkt.
Gar nicht bienenfleißig: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) postete in einem Monat zwei Mal.
In einem Experiment, das ich im vergangenen Herbst an der Universität Hamburg durchgeführt habe, bewerteten Probanden eine fiktive, parteilose Bürgermeisterschaftskandidatin positiver, wenn sie Informationen auf einem Instagram-Profil verbreitete. Eine Kontrollgruppe erhielt dieselben Bilder und Textbausteine in klassischer Textform, der Informationsgehalt war identisch (siehe Abbildung links). Dennoch schrieb die Instagram-Gruppe der Fake-Politikerin unter anderem höhere Charisma-Werte sowie größere Kompetenz zu.
Skandalfest mit Profil
Rational ist dieses Verhalten nicht, dafür konsistent: In einem weiteren Experiment sollten die Probanden ebenfalls eine fiktive, parteilose Bürgermeisterin in den Kategorien „Vertrauen“ und „allgemeine Zustimmung“ bewerten. Als Bewertungsgrundlage gab es wiederum entweder einen Zeitungsausschnitt oder den Screenshot eines Instagram-Posts, der bildlich und inhaltlich mit dem Artikel deckungsgleich war. Die Ausgangssituation war negativ. Demnach sah sich die Politikerin kurz nach ihrer Wahl mit dem Vorwurf konfrontiert, Mitarbeiter unter Druck gesetzt und ausspioniert zu haben. Erwartungsgemäß schlug sich der negative Frame auf die Bewertung der Politikerin durch die Probanden nieder. Interessanterweise bewertete die Instagram-Gruppe die Skandalpolitikerin signifikant besser als die Vergleichsgruppe. Das Wissen um die Instagram-Präsenz war augenscheinlich ausreichend, um die negativen Auswirkungen der Mobbingaffäre ein Stück weit abzufangen.
Anders ausgedrückt: Nicht nur der Instagram-Account als solcher und die Verabreichung entsprechender Informationen via Smartphone führte zu größerem Wohlwollen unter den Probanden. Es reichte das alleinige Wissen um die Existenz eines Instagram-Accounts.
Angesichts der zunehmend engen Mehrheitsverhältnisse in Sechs-Parteien-Parlamenten wird die Bedeutung eines nachhaltig aufgebauten und konsistent gepflegten Instagram-Profils gesteigert und wird künftig das eine oder andere Prozent herauskitzeln können.
Political Influencers
So weit die Theorie. Schauen wir nun, wie sich die Landesfürsten in den vergangenen Wochen bei Instagram geschlagen haben. Hierzu habe ich ein Tool aufgesetzt, das aus Instagram-Profilen beliebig viele Datenpunkte ausliest, um diese für weiterführende statische Analysen verfügbar zu machen. So lassen sich informierte Aussagen darüber treffen, wie Tonalität, Bildsprache und Themensetzung auf die Community wirken.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) rührte viele Nutzer mit einer sehr persönlichen Geschichte über den frühen Tod seiner Mutter.
Der Leitsatz „Krisenzeit ist Regierungszeit“ gilt natürlich auch bei Instagram. Insofern ist das Wachstum als Indikator für neu gewonnenes Interesse an Regierungsoberhäuptern eine interessante Kennzahl.
Nach knapp vier Wochen der Beobachtung zeichnen sich im Nutzungsverhalten der Ministerpräsidenten drei Gruppen ab:
Erstens: Die progressiven Anwender. Regelmäßige Posts, handwerklich gute Umsetzung, klares Narrativ. Belohnt werden diese Accounts mit relativ stabilem Wachstum und Engagement. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wäre hier als Beispiel zu nennen oder auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU). Beide Accounts zeichnet eine zuverlässige Kanalpflege aus, das Profil von Söder ist dabei jedoch noch zielsicherer in der Anwendung unterschiedlicher Formate und einer abwechslungsreichen und dennoch konsistenten Bildsprache. Private Beiträge, wie etwa der Post zum Muttertag, an dem Söder den Quatsch-Feiertag mit einer bewegenden Geschichte über den Verlust der eigenen Mutter emotional anschlussfähig macht und so aus dem Gruselkabinett der kitschigen Feiertagsbildchen herausbricht, zählen zu den stärksten Momenten des Profils.
Zweitens gibt es die Inbetweeners: Diese Kanäle sind nicht wirklich groß, nicht wirklich klein und auch sonst etwas unbeständig in Bildsprache und Konzeption. Hier wären unter anderem Daniel Günther (CDU), Peter Tschentscher (SPD) oder Stephan Weil (SPD), die Regierungschefs in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen, einzusortieren. Diese Profile schwanken teils stark in der Nutzungsintensität und senden so eine ungenaue Botschaft an potenzielle Follower. Lohnt sich die Beschäftigung mit dem Content, wenn nur unregelmäßig und mitunter handwerklich unsauber geliefert wird? Die Community quittiert diesen Wankelmut mit ebenso schwankenden Interaktions- und Wachstumsraten. Daraus ergibt sich auf Seiten des Profilinhabers eine unklare Entscheidungsgrundlage für die zukünftige Kanalpflege.
Drittens haben wir die Schläfer, also Profile die existieren – und das war’s dann auch schon. Beispiele wären hier das Profil von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) oder Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Hier passiert weitestgehend gar nichts. Warum die Accounts gepflegt werden, wissen die verantwortlichen Teams wahrscheinlich selbst auch nicht so genau. Zumindest liegt dieser Verdacht nahe, wenn der Account eines Landesregierungschefs sichtbar brach liegt. In Krisenzeiten ein unschönes Signal was die Frage nahelegt: Bleiben oder gehen? Potentielle Follower entscheiden dies entsprechend sichtbar und ziehen weiter. An Alternativen mangelt es ja nicht.
Aus der Krise profitiert?
Einen deutlichen Zusammenhang zwischen Kanalpflege und Wachstum gibt es auch in Krisenzeiten nicht. Ebenso wenig wie ein Patentrezept: „Posten Sie jeden Tag ein Bild und fügen Sie in die Beschreibung drei Hashtags und einen Smiley ein.“ So einfach ist es nicht.
Zwei Dinge gehen aus Langzeitbeobachtungen klar hervor: Erstens gibt es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Engagement Rate (zum Beispiel Likes, Kommentare, Aufrufe) und dem Kanalwachstum. Dies stützt die oben beschriebene Beobachtung, wonach „guter“ Content, also Inhalte, mit welchen die Zielgruppe gern interagiert über Word-of-Mouth oder ähnliche Distributionswege, Aufmerksamkeit auf das Profil zieht. Zweitens zeigt sich immer wieder, dass Instagram-Kanäle im Kontext von für den Profilinhaber relevanten Medienereignissen besonders stark wachsen. Beispiel: Das Profil von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wuchs im Zuge der bundesweiten Aufmerksamkeit ob der umfangreichen Corona-Lockerungen in seinem Bundesland im Beobachtungszeitraum am stärksten (siehe Grafik).
Online-Profile entscheiden über Kandidaturen – und Siege
Instagram ist im PR-Theater von Politikern bestens für eine Anschlusskommunikation mit potenziellen Unterstützern geeignet. Der Funnel auf Wählerseite wäre dann wie folgt: Ein Medienereignis initiiert Interesse an einem Politiker. Menschen geben den Namen in die Suchmaske bei Instagram ein. Der erste Berührungspunkt zwischen eigenen Inhalten und einem potentiellen Unterstützer entsteht. Umso schlimmer also, wenn der Nutzer gähnende Langeweile oder nur ein Honigglas vorfindet. Die Daten aus dem MP-Monitoring sind diesbezüglich eindeutig. Wachstum geht mit allgemeinem Interesse einher. Langweilt der Account, wird er es deutlich schwerer haben, sich den neuen Followern nachhaltig attraktiv zu präsentieren.
Überhaupt Nachhaltigkeit: Ich erlebe in meiner Arbeit häufig, dass insbesondere Politiker, die sich das erste Mal um ein politisches Amt bewerben, große Schwierigkeit damit haben, kommunikativ den Wandel vom Privatmenschen hin zur öffentlichen Figur zu vollziehen. Nun könnte man an dieser Stelle trefflich darüber streiten, ob eine Unterteilung in öffentliche und private Person adäquat ist. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass sich durch die Unmittelbarkeit sozialer Medien das Anforderungsprofil an Nachwuchspolitiker nicht nur wandelt, sondern in Teilen auch eine Katalysatorwirkung entfaltet, die entscheidet, wer sich um ein Amt bewirbt und am Ende auch Siegchancen hat.
Nachwuchspolitikerinnen wie Lilly Blaudszun (SPD) verschmelzen bereits heute Unileben, Lokalkolorit und Privates mit politischen Positionen und werden so anschlussfähig für Menschen, die sich eher wenig oder höchstens aus Unterhaltungszwecken für Politik interessieren. Egal wie groß oder klein diese Zielgruppe aus der Sicht des Wahlkämpfers eingeschätzt wird: Stimme ist Stimme. Ob diese von einem 20-jährigen, politisch wenig interessierten Studenten oder einer Zeit-Abonnentin mittleren Alters aus Eimsbüttel stammt, interessiert spätestens am Wahlabend niemanden mehr.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 131 – Thema: Politiker auf Social Media. Das Heft können Sie hier bestellen.