Parlamentarier in Europa fordern Reform des UN-Palästinenserhilfswerks

Israel-Studie

Europas politisches Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit Israel wächst auf breiter Ebene. Das ist ein Kernergebnis des Israel Survey 2024. Zum dritten Mal führte das European Leadership Network (ELNET) die europaweite Befragung durch – in Deutschland bereits zum sechsten Mal.

In diesem Jahr nahmen Abgeordnete aus den Parlamenten 29 europäischer Nationen sowie dem Europäischen Parlament am Forschungsprojekt teil. Damit ist der Israel Survey die größte Studie, die parlamentarische Perspektiven auf die Beziehungen mit Israel analysiert, Einblicke in die europäische Nahostpolitik gibt und Fragen zur politischen Bedeutung jüdischen Lebens sowie der Wahrnehmung von Antisemitismus in Europa untersucht.

Auch in diesem Jahr betrachtet eine große Mehrheit (73 Prozent) der teilnehmenden Abgeordneten die Beziehungen zu Israel als gut oder sehr gut. Es gibt jedoch von Land zu Land Unterschiede bezüglich der generellen Wahrnehmung sowie inhaltlicher Präferenzen bezüglich zukünftiger Kooperationen.

Neue Technologien aus Israel stehen bei Parlamentariern in Europa hoch im Kurs

Generell ist die Bereitschaft zur Intensivierung der Zusammenarbeit europaweit groß (72 Prozent). Bemerkenswert ist dabei, dass selbst Parlamentarier aus Ländern wie Spanien, welche die Beziehungen häufiger als mittelmäßig oder schlecht bewerten, sich deutlich für mehr Kooperation mit Israel (78 Prozent) aussprechen.

Foto ELNET

Die Themen Neue Technologien sowie Wissenschaft und Bildung liegen bei allen teilnehmenden Abgeordneten vorn. In Deutschland hat das Interesse an einer Zusammenarbeit in Klimaangelegenheiten (Anstieg um 48 Prozent) sowie im Bereich Verteidigung (Anstieg um 14 Prozent) besonders stark zugenommen.

Europas Politik sieht Abraham-Abkommen als Schlüssel für Frieden und Stabilität im Nahen Osten

Die Abraham-Abkommen wurden 2020 zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain geschlossen; später folgten Marokko und der Sudan. Die klare Mehrheit der am Israel Survey teilnehmenden Parlamentarier erkennt mittlerweile ihr Potential und wünscht sich weitere Normalisierungsabkommen zwischen Israel und arabischen/muslimischen Ländern. Europaweit stimmen dem 85 Prozent zu (2023 waren es nur 76 Prozent), in Deutschland liegt die Zustimmung noch höher.

Die nachfolgende Grafik gibt eine Übersicht, welche Themen in diesem Kontext aus deutscher Sicht im Fokus stehen.

Foto ELNET

Deutsche Abgeordneten (80 Prozent) sehen Abraham-Abkommen als Friedensinstrument

Vier von fünf deutschen Abgeordneten bewerten die Abraham-Abkommen als Friedensinstrument im aktuellen Konflikt. Sie sehen darin auch einen geeigneten Rahmen für den Wiederaufbau Gazas. Europaweit sehen das 77 Prozent der teilnehmenden Parlamentarier so. Einen sogenannten Abraham-Plan für die Zukunft von Gaza, für welchen das von ELNET jüngst in Berlin ausgerichtete Europe Middle East Forum erste Impulse gab, würden europaweit 84 Prozent und in Deutschland sogar 93 Prozent unterstützen.

Foto ELNET

Große Mehrheit europäischer Parlamentarier fordert Reformen der UNRWA

Gleichzeitig fordern mehr als 90 Prozent der teilnehmenden europäischen Abgeordneten, das umstrittene Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) zu reformieren. Deutschland ist der zweitgrößte UNRAW-Geldgeber. Hier sind die Abgeordneten besonders entschieden (96 Prozent). Dabei befürworten 49 Prozent der deutschen Abgeordneten eine Reform sowie eine verstärkte Kontrolle der UNRWA, während sich 46 Prozent für eine Auflösung und Integration in andere UN-Organisationen aussprechen. Entsprechend sollte eine parlamentarische Debatte zur Zukunft der UNRWA angestoßen werden. Deren Mandat gilt derzeit bis 2026. Eine Verlängerung wird voraussichtlich 2025 anstehen.

Foto ELNET

Abgeordnete fordern verstärkte Anstrengungen gegen Antisemitismus

Das Hamas-Massaker am 7. Oktober und der darauffolgende Hamas-Israel-Krieg haben erheblichen Einfluss auf das gesellschaftliche Klima in Europa. Immer häufiger treten antisemitische Ressentiments offen zutage. Deutsche Abgeordnete geben in diesem Jahr an, dass Antisemitismus von rechts (71 Prozent) und Antisemitismus aus radikalen muslimischen Kreisen (71 Prozent) die größte Bedrohung für jüdisches Leben darstellten. Europaweit werden Antisemitismus von radikalen muslimischen Kreisen (53 Prozent) und latenter Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft (47 Prozent) am häufigsten genannt. Antisemitismus von links wird zunehmend von Parlamentariern in ganz Europa als Bedrohung wahrgenommen (Anstieg um 16 Prozent).

Foto ELNET

Die Teilnehmer des Israel Survey nehmen ebenfalls die zunehmend antiisraelische Stimmung in Europa wahr. 53 Prozent der Abgeordneten sind der Meinung, dass israelbezogener Antisemitismus ein großes oder sehr großes Problem darstellt.

Konsequenterweise fordern die Parlamentarier mehr Maßnahmen: 97 Prozent (in Deutschland) und 84 Prozent (europaweit) erwarten, dass ihre Regierungen den Kampf gegen Antisemitismus verstärken sollten.

Der Israel Survey ist ein Forschungsprojekt des European Leadership Networks (ELNET), welches mit jährlichen Erhebungen die Perspektiven europäischer Parlamentarier untersucht. In diesem Jahr haben 454 Parlamentarier aus 29 Ländern Europas teilgenommen. In Deutschland haben sich 185 Abgeordnete beteiligt, darunter 48 Mitglieder des Bundestags sowie 137 Mitglieder der Landtage. Die Daten wurden im Februar und März 2024 online erhoben. Dabei geben 56 Prozent der teilnehmenden Abgeordneten an, die Arbeit von ELNET zu kennen. Die Studien sind als Europa- sowie als Deutschland-Edition zum Download verfügbar.

Akademischer Partner des Israel Survey 2024 ist die Bar-Ilan-Universität (Israel). Zudem beteiligten sich die Konrad-Adenauer-Stiftung (Griechenland und Zypern), das Royal Elcano Institute (Spanien), die Ireland Israel Alliance, die Organisation Med Israel for fred (Norwegen), das Foreign Policy Institute (Türkei) sowie das New Strategy Center (Rumänien).