Alles für ­Russland

Glosse

Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.“ So geht eine alte lateinische Weisheit. Für Björn Höcke müsste sie angepasst werden. Der AfD-Rechtsausleger war nie Philosoph. Dennoch: Hätte Höcke sich an die Empfehlung gehalten, hätte er nicht die verbotene SA-Losung „Alles für Deutschland“ krakeelt und wäre dann auch nicht dafür verurteilt worden. Warum hat Höcke nicht einfach „Alles für Russland“ gesagt? Das wäre nicht nur legal gewesen, sondern hätte auch besser zu seiner Partei gepasst.

Maximilian Krah und Petr Bystron stehen aktuell im Zentrum der Aufregung. Die beiden führen die AfD-Wahlliste zur Europawahl an. Krah, dessen Büro in Brüssel kürzlich wegen Spionageverdachts eines Mitarbeiters für China durchsucht wurde, und Bystron, der mutmaßlich Gelder für russische Propaganda erhielt. Die Reaktionen der beiden auf Rücktrittsforderungen sind bemerkenswert. Krah sieht keinen Grund für Konsequenzen und Bystron findet Bargeld in Umschlägen, Goldbarren und Kontoauszüge aus Liechtenstein total normal.

Die Standhaftigkeit der beiden ist schon beeindruckend: Sicherlich sind sie schon Kandidaten für einen russischen Orden, vielleicht den „Tapferkeitsorden für politische Standhaftigkeit unter Druck“. Für den AfD-Nachwuchsradikalo Markus Frohnmaier hingegen braucht Moskau keinen Schmuck. Über den schrieb die russische Präsidialverwaltung schon vor der Bundestagswahl 2017, er werde ein „unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordneter im Bundestag sein“. Da tut es auch ein Leckerli.

Aber auch Höcke will nicht zulassen, dass die anderen enger mit Mütterchen Russland kuscheln als er selbst. Deshalb trägt er gerne Reden vor, die teils wortgleich mit Entwürfen aus russischen Geheimdienstzentralen sind, wie der „Spiegel“ herausfand. Das rote Telefon zwischen Moskau und Washington dürfte mittlerweile museumsreif sein. Möglich, dass eine moderne Version des Apparats nun den Kreml direkt mit der AfD-Parteizentrale in Thüringen verbindet. Der nächste deutsche Ministerpräsident, der mit Russlands Machthaber telefonieren will, muss also nicht nach Moskau fliegen, um auf einem kitschigen Divan zum Hörer zu greifen. Vielleicht kann er einfach bei den netten Nachbarn der AfD klopfen und fragen, ob er mal telefonieren darf. Das war früher noch ganz normal!

Am Wahlkampfstand der AfD gibt es jetzt dafür auch so richtig coole Spionagegimmicks. Da gibt es Kugelschreiber mit eingebauten Mikros, Schlüsselanhänger mit versteckten Kameras und Feuerzeuge, die eigentlich USB-Sticks für Geheimdokumente sind. Alles, was man als echter Patriot braucht, um seine internationalen Verbindungen zu pflegen. Nur Vorsicht vor der Nowitschokolade! Die hat eine besondere Füllung – und die kann einem den Wahlabend so richtig vermiesen.

Die AfD sieht in ihren harmlosen internationalen Kontakten natürlich kein Problem. Und tatsächlich hätte es ja auch schlagende Vorteile, ein verlängerter Arm von Diktaturen zu sein. Denn, wie sagt man so schön? „Mit solchen Freunden braucht man keine Feinde.“ Und mehr Feinde kann die AfD nun wirklich nicht mehr gebrauchen. In Diktaturen wie Russland oder China gibt es dazu noch klare und vor allem dauerhafte Ansprechpartner. Kein aufwendiges Einarbeiten in neue Beziehungen, keine langwierigen Verhandlungen – man weiß, was man hat. Hier hebt auch nach langer Funkstille immer jemand gerne ab.

Vielleicht hatten Sie ja auch einmal einen Kumpel, den Sie nicht gern zur Kellerdisco mit anderen Freunden mitgenommen haben, weil die voreingenommen gegen ihn waren. Und das nur, weil er Leute bei Widerspruch aus dem Fenster geworfen hat und sich im Garten des Nachbarn breit gemacht hat, obwohl er versprochen hatte, das zu lassen. Wie also soll man der deutschen Öffentlichkeit die unliebsamen Details dieser AfD-Freundschaften verkaufen? Ganz einfach: Alles, was unangenehm ist, wird als Lüge oder westliche Propaganda abgetan. Die AfD ist einfach immer Opfer! Opfer der Altparteien, Opfer der Medien, Opfer der politischen Korrektheit.

Wie aber passt das alles zum angeblichen Patriotismus der AfD? Mit wehenden Deutschlandfahnen und markigen Parolen tritt die Partei auf, als sei sie die letzte Bastion des Vaterlands. Dass dieser überhebliche Nationalstolz nicht so ganz zu den fröhlichen Lobbyabenteuern für Russland und China passt, scheint niemanden zu stören. Einige fragen sich aber, ob „Deutschland zuerst!“ nicht auch aus einem russischen Strategiepapier stammt – und eigentlich ganz anders gemeint ist, als die AfD glaubt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 147 – Thema: 25 Jahre Hauptstadtjournalismus. Das Heft können Sie hier bestellen.