p&k: Herr Deppendorf, wie haben Sie die „ZDF-Affäre“ um den ehemaligen CSU-Sprecher Hans Michael Strepp wahrgenommen?
Ulrich Deppendorf: Der Vorfall hat mich überrascht, weil es ungewöhnlich ist, dass sich ein Parteisprecher im Vorfeld meldet, um eine Berichterstattung über eine andere Partei zu verhindern. Das hat es bisher so nicht gegeben. Zudem kannten wir Strepp als jemanden, der deutlich seine Meinung sagt, nicht jedoch als Hardliner oder Pusher.
Angeblich hat Strepp auch versucht, bei der ARD zu intervenieren.
Er hat nicht interveniert, er hat bei einem BR-Korrespondenten im Hauptstadtstudio angerufen und gefragt, ob die ARD über den SPD-Parteitag berichten werde. Der Kollege hat dies verneint, weil er die Frage auf das ARD-Hauptstadtstudio bezogen hat. Da der Parteitag in München stattfand, war es jedoch eine Sache des BR. Der Kollege hat dann zu Strepp gesagt, er solle sich an den BR wenden. Strepp hat diese Auskunft wohl zum Anlass genommen, um gegenüber dem ZDF zu behaupten, dass die ARD nicht über den SPD-Parteitag berichten werde.
Sie haben Ihre journalistische Karriere 1976 beim WDR begonnen. Wie hat sich das Verhältnis von Politik und Medien seitdem verändert?
Das Verhältnis ist kritischer geworden. In der Bonner Republik gab es viel mehr gemeinsame Treffen, auf denen überlegt wurde, wie bestimmte Politikmodelle durchgesetzt werden können. Das gibt es heute nicht mehr.
Sind auch die Kommentare kritischer geworden?
Eindeutig ja. Und es wird viel mehr aufgedeckt. Beispiele in jüngster Vergangenheit sind Steinbrücks Nebenverdienste, die Wulff-Affäre oder auch die Frage, ob deutsche „Patriot“-Waffen in die Türkei geliefert werden – da ist überall eine deutliche Kritik und vor allem Distanz zu spüren. Außerdem ist der Konkurrenzdruck größer geworden, vor allem durch das Internet. Das hat zu einem unglaublichen Beschleunigungseffekt geführt.
Schießen Journalisten dabei manchmal übers Ziel hinaus?
Sicherlich hat es aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks eine Zuspitzung in der Berichterstattung gegeben, die sich vor allem in Überschriften und auch in manchen Artikeln äußert. Diese Entwicklung muss uns selbstkritisch stimmen. Aber wir haben, glaube ich, in den letzten Jahren keinen ganz großen Fehler gemacht. In der Affäre Wulff haben die Medien sicher in Teilen übertrieben, etwa bei der Sache mit dem Bobby-Car …
… ein Geschenk des Geschäftsführers eines Berliner Autohauses zum Geburtstag des Sohnes von Wulff im Mai 2011, für das sich Wulff in einem Schreiben mit dem offiziellen Briefkopf des Bundespräsidenten bedankte.
Diese Geschichte fand ich lächerlich. Aber auch bei Wulff hatten die Nachfragen durchaus ihre Berechtigung, dafür sind Journalisten ja da.
Im Zuge der Plagiatsaffären von Politikern wurde den Medien Scheinheiligkeit vorgeworfen, da das Prinzip „Copy and Paste“ auch unter Journalisten keine Seltenheit sei. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?
Vorweg: Ein journalistischer Text ist immer noch etwas anderes als eine Doktorarbeit, da muss man differenzieren. „Copy and Paste“ hat natürlich auch im Journalismus nichts zu suchen. Bei Guttenberg kam hinzu, wie er mit der Sache umgegangen ist. Das hat nicht nur Journalisten zu weiteren Recherchen angetrieben, sondern auch seine Parteifreunde verärgert.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat Sie vor Kurzem mit den Worten angegriffen: „Ich weiß ja, dass es im deutschen Journalismus inzwischen üblich ist, nicht mehr in der Sache zu diskutieren und nur noch zu fragen, was sich dahinter für Machtfragen verbergen.“ Sind Politiker dünnhäutiger geworden?
Einige vielleicht. Herr Gabriel hat immer empfindlich reagiert, wenn wir beim Thema Troika nachgefragt haben. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die Nachfragen richtig waren und Gabriel schon vor einem Jahr auf die Kandidatur verzichtet hat. Dann eine Medienschelte zu betreiben, finde ich schon frech. Auch Herr Steinbrück ist nicht gerade einfach; er ist sehr spontan und immer für einen flotten Spruch gut. Aber insgesamt würde ich nicht sagen, dass die Politiker dünnhäutiger geworden sind.
Und was sagen Sie zu Gabriels Kritik, dass es Journalisten meistens nur um Machtfragen geht?
Die Politiker schüren ja selbst die Machtfragen, auch aus den Parteien heraus. Natürlich ist es ein Unterschied, ob Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel Kanzlerkandidat ist. Politik ist letztlich immer eine Machtfrage, eine personelle und eine inhaltliche. Ich kann nicht erkennen, dass wir das eine ganz nach hinten stellen, nur um das andere nach ganz vorne zu bringen. Ich wundere mich eher über die Boulevardisierungstendenzen bei manchen Politikern, etwa wenn sie sich in bestimmten Posen abbilden lassen, beispielsweise auch in Homestories. Das soll ja nicht nur Inhalte transportieren.
An wen denken Sie konkret?
An Gabriel etwa, aber auch an Umweltminister Peter Altmaier und FDP-Chef Philipp Rösler – alle drei sind Beispiele für eine bewusste Inszenierung. Und die soll auch eine gewisse Machtposition nach außen transportieren. Von daher wäre ich als Politiker mit der Kritik, den Medien ginge es nur um Machtfragen, sehr vorsichtig.
Was halten Sie von der Forderung des Grünen-Fraktionschefs Jürgen Trittins, dass sich alle Politiker mit Regierungsamt aus den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender zurückziehen sollten?
Die Zahl der politischen Köpfe in den Räten beim ZDF ist nicht mehr tragbar. Das ist ganz klar. Andererseits möchte ich Politiker nicht generell aus diesen Gremien verbannen. Dort sitzen auch andere Gruppierungen, die ihre Interessen vertreten und versuchen, Einfluss zu nehmen. Was nicht geht, ist, dort eine Art Ministerpräsidentenkonferenz zu haben. Aber ein vollkommen politikfreier Rundfunkrat wäre meines Erachtens auch nicht zielführend.
Der Journalist und Medienexperte Hans-Peter Siebenhaar kritisiert in seinem neuen Buch, dass das deutsche Rundfunksystem mit 7,5 Milliarden eines der teuersten der Welt sei und die Qualität aber immer schlechter werde. Hat er Recht?
Herr Siebenhaar schreibt sich an der ARD seit Jahren wund, und seine Artikel werden dadurch nicht besser. In dem Buch trägt er zusammen, was im öffentlich-rechtlichen System nicht gut gelaufen ist. Trotzdem: Es werden in keinem Land so viele Sendungen über Politik und Kultur produziert wie bei uns. Dass man über bestimmte Programme streiten kann, ist klar. Auch wir sind nicht glücklich mit allem, was wir produzieren. Bei aller Kritik haben wir dennoch das weltweit niveauvollste Fernsehangebot.
Politiker wie Peter Altmaier nutzen zunehmend die sozialen Medien als Kommunikationsinstrument. Droht den klassischen Medien ein Bedeutungsverlust?
Das glaube ich nicht. Wenn wir etwa Altmaiers „Twitterei“ verfolgen, ist das für uns eine zusätzliche Informationsquelle. Es ist eine neue, demokratische Art, sich so zu äußern. Ich sehe da keine Bedrohung. Wir Journalisten müssen die großen Linien der politischen Entscheidungen wieder deutlicher machen und auch sagen, was für eine Bedeutung die sozialen Medien haben. Das Internet sehe ich daher eher als weitere Säule unserer Berichterstattung.
Vor Kurzem wurde die „Zeit“-Journalistin Susanne Gaschke zur Kieler Oberbürgermeisterin gewählt und hat damit für viel Aufsehen gesorgt. Wie sehen Sie solche Seitenwechsel?
Grundsätzlich habe ich nichts dagegen. Manchmal ist das für beide Seiten ganz erfrischend. Da denken wir Deutsche ein bisschen zu kleinteilig. In anderen Ländern sind solche Wechsel aus dem Journalismus in die Politik und wieder zurück ganz normal.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Wann bringen Sie Angela Merkel das Twittern bei, Herr Altmaier? – Fragen an den Politiker des Jahres. Das Heft können Sie hier bestellen.