Ich interessiere mich für Europa, da ich es mit all meinen Kräften bekämpfe.“ „Die EU ist ein Monster.“ „Wer Europa (…) in die Zukunft führen will, (…) der muss letztlich den Weg zu den nationalen Währungen zurückgehen.“ „Immer, wenn die EU beteiligt ist, hast du ein Problem.”
So klingen Politiker, die sich gegenwärtig in Europa zunehmender Beliebtheit erfreuen: Marine Le Pen, Chefin des französischen Front National, die bei den letzten Präsidentschaftswahlen knapp 20 Prozent der Stimmen erreichte und ihre Partei ein paar Wochen später nach fast 20-jähriger Abstinenz zurück in die Nationalversammlung brachte; Geert Wilders, dessen Partei für die Freiheit Umfragen zufolge mittlerweile die stärkste Kraft in den Niederlanden ist; Heinz-Christian Strache, Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs, der die FPÖ bei den Nationalratswahlen Ende September 2013 zu fast alter Stärke führte und sich anschließend als heimlicher Sieger feiern ließ, und Timo Soini, dessen Partei, die Wahren Finnen, ihr Ergebnis bei den letzten Parlamentswahlen mit einem harten antieuropäischen Kurs auf knapp 20 Prozent vervierfacht hat.
Auch in anderen Ländern haben Europa-, vor allem jedoch EU-Kritiker Zulauf – ob in Dänemark, Schweden, Polen, der Slowakei, Italien, Griechenland oder in Großbritannien.
In Norwegen, das zwar kein EU-Mitglied ist, aber dennoch mitten in Europa liegt, schaffte es die rechtspopulistische Fortschrittspartei nach den Wahlen im Spätsommer 2013 in die Regierung.
Feindbild EU
Bei der letzten Europawahl 2009 wurde die europafeindliche United Kingdom Independence Party (UKIP) mit knapp 17 Prozent noch vor der Labour Party zweitstärkste Partei im Vereinigten Königreich. Bei den Regionalwahlen im Mai 2013 steigerte die UKIP ihren Stimmenanteil erheblich.
Auffallend häufig handelt es sich dabei um Parteien, die ursprünglich als einwanderungs-, fremden- und islamfeindlich – kurz: als rechtspopulistisch – galten. Diesen festen Bestandteil ihrer Politik haben sie in der jüngeren Vergangenheit um europa- und EU-skeptische Positionen ergänzt – und sind damit sehr erfolgreich.
Die EU taugt offenbar als Feindbild. Das zeigt sich auch in der Bundesrepublik, wo sich mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine genuin euroskeptische Partei gegründet hat. Sie verfehlte den Einzug in den Bundestag nur knapp.
Doch welche Folgen hat der Siegeszug der Rechtspopulisten für die weitere europäische Integration? Lassen sich mit platter Europakritik und einfachen „Antworten” vom Schlage „Genug gezahlt” oder „Raus aus dem Euro“ Wahlen gewinnen?
Eine Allianz gegen Europa
Obwohl der Euroskeptizismus ein Markenzeichen aller populistischen Parteien ist, haben sie ihre Kritik und Polemik gegen Europa nicht nur in Skandinavien und Frankreich in den letzten Jahren noch verschärft. Anders als die rein extremistischen Kräfte, die „harten” Europagegner, sind die Populisten nicht völlig gegen das europäische Projekt, sondern gegen die EU als politisches System. Sie sind eher „weiche“ Euroskeptiker: Für sie ist die Union zu zentralisiert und zu bürokratisch und achtet die nationale Souveränität nicht genügend. Auch die deutsche AfD lässt sich in diesem Kontext verorten.
Mittlerweile sind aber auch die einst sanften Europaskeptiker zu harten Europakritikern geworden. Nicht nur Geert Wilders hat seinen Fokus vom Islam hin zur EU verlagert. Harsche EU-Kritik gehört heute zum festen Repertoire aller Rechtspopulisten. Glaubwürdigkeits- und Legitimationsprobleme der Europäischen Institutionen und der EU machen sie anfällig für Polemik und Hass. Von den Populisten wird die Union als „ineffizientes Paradies für Bürokraten” oder „gemütliches Elitenkartell” bezeichnet, in dem alle nur danach strebten, „elitäre Vereinbarungen” auf Kosten der heimischen Wirtschaft und der hart arbeitenden Bevölkerung zu treffen.
Bei immer mehr Wählern in den Nettozahlerländern scheint diese Art von Polemik auf Zustimmung zu stoßen – besonders in Zeiten einer durch massive Finanztransfers erschütterten Eurozone. Solange dieses Image besteht und die EU von einer wachsenden Anzahl von Wählern als fernes Elitenkartell wahrgenommen wird, ist es wahrscheinlich, dass die Stärke der Rechts- und Nationalpopulisten anhält.
Konsequenterweise versuchen die Rechtspopulisten momentan unter Führung von Marine Le Pen und Geert Wilders, eine Allianz für die Europawahl im Mai 2014 zu schmieden. Um eine Fraktion zu bilden, brauchen die Rechtspopulisten 25 Sitze und Mitglieder aus sieben Ländern. Sollte ihnen das gelingen, würden auch ihnen die Privilegien einer Fraktion zugutekommen.
In erster Linie geht es bei der Allianz darum, genügend Länder zusammenzubekommen. Da die Parteien von Wilders und Le Pen im Umfragehoch sind, würden sie derzeit allein 20 Parlamentarier stellen. Parteien wie die österreichische FPÖ, der belgische Vlaams Belang und die Schwedendemokraten dürften dem Bündnis ebenso beitreten wie die italienische Lega Nord.
Dagegen werden sich Le Pen, Wilders & Co schwertun, gemäßigtere Gruppierungen wie die britische UKIP, die Dänische Volkspartei, Die Wahren Finnen oder auch die deutsche AfD auf ihre Seite zu ziehen. Von letztgenannten Parteien kamen bereits mehr oder weniger eindeutige Verlautbarungen, sich nicht am Bündnis zu beteiligen.
Auf der anderen Seite würde sich die Allianz den Ruf ramponieren, bände man eindeutig faschistisch-extremistische und aggressiv-kämpferische Kräfte wie die ungarische Jobbik und die Griechische Morgenröte ein, die bei den letzten Wahlen in die nationalen Parlamente eingezogen sind.
Die Frage ist: Wie sollten die demokratischen Parteien mit den Rechtspopulisten umgehen?
Ein Weg besteht sicherlich darin, ihre Propaganda direkt anzugreifen: Rechtspopulisten sind gleichzeitig Demagogen und „Nein-Sager”, die zwar gegen „jemanden” oder „etwas” Stimmung machen, aber äußerst selten konstruktive Lösungen anbieten können. Dennoch gibt es immer wieder Wähler, die sich aus verschiedenen Gründen relativ leicht von den simplen „Lösungen” und den Negativkampagnen der Populisten ansprechen lassen. Es ist daher umso mehr die Aufgabe der Parteien, der Öffentlichkeit zu zeigen, worin das Programm der Populisten wirklich besteht, nämlich in meist inhaltsleerer Propaganda ohne den geringsten Ansatz eines Lösungsvorschlags.
Seriosität als Gegengift
Auch wenn demokratische Parteien mehr Zeit benötigen, um ihre Politik zu erklären, und auch wenn politische Sachverhalte für viele Wähler sehr kompliziert klingen: Die demokratischen Parteien dürfen sich nicht davor scheuen, ihre Ziele, Maßnahmen und Visionen der Öffentlichkeit geduldig zu erklären.
In diesem Sinne kann die populistische Propaganda sogar hilfreich sein, um Bereiche zu identifizieren, die bei den Bürgern Unzufriedenheit oder Angst auslösen. Diese Bereiche müssen von den etablierten Volksparteien gezielt und klar angesprochen werden. Das Erstarken von Rechts- und Nationalpopulisten kann so auch als Frühwarnsystem verstanden werden, dessen Signale von den demokratischen Parteien richtig interpretiert werden müssen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Bleibt alles anders? – Die Kampagnentrends 2014. Das Heft können Sie hier bestellen.