Im Gespräch mit Nikolaus Blome wird eins schnell klar: Dem Klischee des windigen und sensationslüsternen Boulevard-Journalisten entspricht er nicht. Dafür wirkt Blome zu intellektuell. Im Gespräch nimmt er sich Zeit, denkt nach und formuliert genaue, geschliffene Sätze. Die akkurate Kurzhaarfrisur und das knitterfreie Geschäftshemd zeigen, dass hier, dritter Stock im Haus der Bundespressekonferenz, ein Journalist arbeitet, der gern seriös auftritt. Blome und „Bild“: auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Kombination.
Blome, 1963 in Bonn geboren, entscheidet sich nach dem Geschichtsstudium in seiner Heimatstadt und Paris dafür, eine journalistische Laufbahn einzuschlagen. Ende der achtziger Jahre absolviert er zunächst ein Praktikum in einer Lokalredaktion der „Rheinischen Post“. Anschließend bewirbt er sich 1990 bei der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg – und wird angenommen. „Schwein gehabt“, sagt Blome dazu. Für den jungen Journalisten steht nach 18 Monaten fest, dass es bei einer Zeitung weitergehen soll. Die Chancen dafür sind gut. „Zur damaligen Zeit war klar, dass man nach der Henri-Nannen-Schule fast sicher einen ersten Job bekommt.“ Das gilt auch für Blome: Der „Tagesspiegel“ steckt Anfang der neunziger Jahre in einem Relaunch und sucht neue Leute. Blome wechselt 1991 nach Berlin und arbeitet zwei Jahre lang als Wirtschaftsredakteur bei der Tageszeitung.
Die Umbruchjahre in der neuen gesamtdeutschen Hauptstadt haben sich in Blomes Erinnerung festgesetzt. „Ich habe damals viel Treuhandberichterstattung gemacht und konnte miterleben, wie das, was die DDR von der ostdeutschen Wirtschaft übriggelassen hatte, privatisiert wurde.“ Die wirtschaftspolitischen Themen bleiben für den Redakteur von diesem Zeitpunkt an wichtig. Noch heute profitiert er von den Kenntnissen, die er sich damals angeeignet hat. Die politische Berichterstattung der „Bild“ lockerte Blome gemeinsam mit dem zweiten Leiter des Parlamentsbüros, Rolf Kleine, in den vergangenen Jahren durch Interviews mit den Chefs der Dax-Unternehmen auf. „Die Mischung aus Politik und großen Wirtschaftsgeschichten ist eine prägende Farbe der Seite Zwei geworden“, sagt Blome. Gerade in der Krise habe dieser Kurs sich bewährt. „Der gute Zugang zu den großen Unternehmen hat die politische Berichterstattung zum Beispiel bei der Opel-Rettung bestens ergänzt.“
Typisch Springer?
1993 wechselt Blome zum Axel-Springer-Verlag. Die „Welt“ verlagert ihre Zentralredaktion von Hamburg nach Berlin und wirbt den 30-Jährigen ab. Eins seiner Hauptthemen: Europa. Mit Wilhelm Hadler, dem „Welt“-Korrespondenten in Brüssel, arbeitet Blome, der Französisch spricht, häufig zusammen. Die sich entwickelnden Strukturen der Europäischen Union (EU) wecken nun sein Interesse. Das ist auch der Grund, warum Blome die „Welt“ 1995 nach zwei Jahren bereits wieder verlässt. In einer Stellenausschreibung sucht ein Pool mehrerer Regionalzeitungen, angeführt von der „Rheinischen Post“, einen Korrespondenten, der für sie aus Brüssel berichtet. Blome will die Stelle unbedingt haben – und bekommt sie auch. „Die ‚Welt‘ hätte mir einen solchen Posten unter Umständen auch ermöglicht, aber eben nicht zu diesem Zeitpunkt.“
Der Bonner betritt in Belgien kein Neuland. Er kennt die Themen, aber auch das Land. Nach dem Abitur war Blome für zwei Jahre Zeitsoldat, davon 15 Monate im Nato-Hauptquartier in Mons, Belgien. Als Einzelkorrespondent kümmert er sich neben der EU nun erneut um das Militärbündnis. „Damit konnte ich mein eigenes Spektrum deutlich erweitern. EU und Nato sind sowohl Innen- wie Außenpolitik und spielen meist in den ersten politischen Büchern der Zeitungen.“
Die Job-Strategie sollte sich für Blome auszahlen. Denn 1997 fragt ihn der damalige Chefredakteur der „Welt“, Thomas Löffelholz, ob er sich vorstellen könne, bei der Tageszeitung das Auslandsressort zu leiten. Blome sagt zu und hält bis 2001 seinen Rhythmus, nach zwei Jahren den Posten zu wechseln, ein. Bis 1999 bleibt er in Berlin, dann geht er wieder nach Brüssel, diesmal als Leiter des Korrespondentenbüros der „Welt“. Blome hat nun das erreicht, was er lange Zeit wollte. Als Büroleiter in Brüssel kann er sich um politische und wirtschaftliche Themen kümmern, und das in einer Phase, in der die Verlage ambitionierte Ausbaupläne für die EU-Büros ihrer Zeitungen haben. Doch der Brüssel-Hype hält nicht lange, 2001 erfasst die Medienkrise viele Zeitungen. Die personell aufgepumpten Büros im Ausland passen nun nicht mehr in die Sparpläne der Verlage.
Für Blome hat die Krise allerdings keine negativen Folgen, zumal er wieder wechselt und auf der Karriereleiter noch einen Schritt nach oben steigt: 2001 bietet ihm der damalige „Welt“-Chefredakteur Wolfram Weimer an, als einer seiner Stellvertreter in Berlin zu arbeiten. Blome: „Ich wäre gerne länger in Brüssel geblieben, aber so ein Angebot wollte ich nicht ablehnen.“
Fünf Jahre bleibt Blome bei der „Welt“. Zunächst als stellvertretender Chefredakteur, später kommen die beiden Ressorts Parlament und Innenpolitik dazu. Doch kommt es 2006 zum Bruch mit der „Welt“. Spricht Blome heute über seinen Abschied von der oft als journalistisches Flaggschiff des Axel-Springer-Verlags bezeichneten Zeitung, wägt er seine Formulierungen genau ab. 2006 strukturierte der Springer-Verlag sein Online-Angebot um. In einem gemeinsamen Newsroom mit „Welt Online“ bündelt das Medienhaus die Print-Redaktionen von „Welt“, „Welt kompakt“, „Welt am Sonntag“ und „Berliner Morgenpost“. Blome sagt, dass es unterschiedliche Auffassungen gegeben habe, wie man das organisieren solle. Zwischen ihm und „Welt“-Chefredakteur Roger Köppel auf der einen und „Wams“-Chefredakteur Christoph Keese auf der anderen Seite. „Dann muss man irgendwann auch in der Lage sein, sich in Frieden zu trennen. Und zwar so, dass man trotzdem noch im gleichen Verlag bleiben kann. Das ist uns gut geglückt.“ Blome will Springer treu bleiben – und kann dabei auf Verlagschef Mathias Döpfner zählen. Dieser bietet ihm an, zu „Bild“ zu wechseln, um dort die Leitung des Parlamentsbüros zu übernehmen.
Ist Blome, Wirtschafts- und Europaexperte, 2007 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet, überhaupt ein Mann fürs Grobe, ein Mann für den Boulevard? Der 45-Jährige selbst sagt, dass er bei seinem Wechsel nicht genau wusste, was ihn bei „Bild“ erwarten würde. Im Rückblick, fast drei Jahre später, sei es das Beste gewesen, was ihm hätte passieren können. „Mit Abstand“, sagt er.
Ein Berliner Journalist, der Blome lange kennt, weiß, dass ihm die Arbeit bei „Bild“ Spaß macht. „Natürlich ist er im Kern kein Boulevard-Mann. Aber er verfügt über eine gute Portion Ehrgeiz, und „Bild“ hat nun einmal diese Nähe zur Macht.“ In seiner jetzigen Funktion bekomme er eben auch einmal ein Zitat von der Kanzlerin, wenn er es brauche. Vielleicht sei Blome diesem Reiz ein wenig erlegen – ein typischer „Springer-Macho“ sei er aber nicht. Mit seinem Buch „Faul, korrupt und machtbesessen?“ habe Blome im vergangenen Jahr außerdem bewiesen, dass er sich seine Nachdenklichkeit bewahrt hat. In dem Buch setzt er sich mit der um sich greifenden Politikerverachtung auseinander.
Großer Tanker
Blome weiß um die Vorteile, die er bei „Bild“ hat: „Auf der Rückrufliste eines Ministers, Staatssekretärs oder Regierungssprechers steht ‚Bild‘ in der Regel relativ weit oben. Das macht das Arbeiten spannend und verantwortungsvoll.“ Aufgrund der Auflage und der Verbreitung des Blatts müssten er und seine Mannschaft, die insgesamt aus acht Korrespondenten besteht, „doppelt und dreifach aufpassen, dass kein Fehler passiert“. Blome: „Das steigert den Adrenalinspiegel, und das macht Spaß.“
Bleibt zu klären, wie es nach „Bild“ weitergehen könnte. Blome, der sich zu Beginn des Gesprächs ernst, später aber durchaus fröhlich gibt, kann diese Frage nicht beantworten. Einen so schnellen Nachrichtenjournalismus, wie „Bild“ ihn mache, könne man nur schwer toppen. „Die ‚Bild‘ ist Speedboat und Super-Tanker in einem. Das gibt es kein zweites Mal.“
Solche Sätze erinnern natürlich stark an „Bild“: knallige Überschriften, nicht zu übersehen. Nachdem Blome, der Absolventen der Henri-Nannen-Schule und Preisträger zahlreicher Journalistenpreise, das gesagt hat, sucht man in seinem Gesicht ein Zeichen, ob er das ernst gemeint hat.
Ja, hat er. Sehr sogar.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Beruhigungsmittel- Regierungskommunikation in der finanzkrise. Das Heft können Sie hier bestellen.