„Zu Guttenberg ist beinahe ein Popstar“

p&k: Herr Berger-de León, Mitte Mai haben Sie die „Wahlzentrale“ gestartet. Was ist Ihr Fazit nach den Wahlen zum Europäischen Parlament?
Markus Berger-de León: Wir haben alles erreicht, was wir erreichen wollten und sind sogar positiv überrascht worden. Wir haben das Projekt aus zwei Gründen begonnen: Einerseits wollten wir Jung- und Erstwähler zur Wahl mobilisieren, andererseits wollten wir den Dialog zwischen Politikern und Bürgern vereinfachen. Beides ist uns gelungen.

Können Sie das an Zahlen festmachen?
Sie müssen sich nur anschauen, wie viele Nutzer sich auf der „Wahlzentrale“ mit den einzelnen Politikern vernetzt haben. Die Bundeskanzlerin hat mittlerweile rund 45.000 Unterstützer. Herr Westerwelle und Herr Steinmeier haben 13.000 beziehungsweise 14.000 Anhänger. Und auch der Wirtschaftsminister ist in der vergangenen Woche mit seinem Profil online gegangen. Er stürmt in den Charts gerade nach oben. Es ist interessant zu sehen, wie viele positive Einträge wir auf seinem Profil lesen – er ist beinahe ein Popstar.

Wie legt sich ein Politiker ein Profil an?
Zunächst einmal kann sich in unseren Netzwerken jeder registrieren – natürlich auch Politiker. Viele hatten bei uns schon Profile, bevor wir unsere Wahlinitiative gestartet haben. Zum Superwahljahr bieten wir zusätzlich allen im Bundestag vertretenden Parteien und deren Kandidaten spezielle, kostenlose Politikerprofile an, die weitere Funktionen haben. Darüber hinaus können alle Politiker – egal ob normales oder spezielles Profil – eine Kennzeichnung erhalten, die zeigt, dass die Accounts echt sind. Diejenigen, die noch kein Profil haben, können sich an unser Wahlteam wenden.

Wollen Sie damit auch gegen falsche Politikerprofile vorgehen?
Ja, das ist eine Identitätsprüfung, die es uns erlaubt, ein Politikerprofil zunächst einmal zum Schutz der Kandidaten zu überprüfen. Stellt es sich als echt heraus, platzieren wir den Schriftzug „Offizielles Profil, geprüft von MeinVZ – StudiVZ“ darauf. Für Politiker ist das ein guter Weg, um sicherzustellen, dass jeder das echte Profil sofort erkennen kann. Wenn wir ein falsches Profil gemeldet bekommen, löschen wir es natürlich sofort.
 
Bei der Europawahl war die Wahlbeteiligung wieder sehr niedrig. Bleiben Sie dennoch optimistisch?
Natürlich kann ich nicht sagen, wie viele unserer Nutzer wählen gegangen sind oder nicht – und wie viel die Wahlzentrale dazu beigetragen hat. Bei uns war die Aktivität allerdings enorm hoch: Vor der Europawahl haben wir eine Umfrage gestartet, an der sich 130.000 Nutzer beteiligt haben.

Im April haben Sie das Profil der Piratenpartei gelöscht. Warum?
Wir sind angetreten und haben von Beginn an gesagt, dass wir die speziellen Politikerprofile nur den im Bundestag vertretenen Parteien und deren Kandidaten zur Verfügung stellen. Alle anderen Politiker sind bei uns herzlich willkommen und können sich ein normales Profil anlegen – ausgenommen rechts- oder linksradikale. Das Profil der Piratenpartei ist versehentlich gelöscht worden, da gab es interne Probleme. Wir haben uns bei der Partei entschuldigt und mittlerweile ist sie auch wieder aktiv.

Wie gehen sie mit Splitterparteien um?
Wir handhaben das ähnlich wie auch die großen Medien und konzentrieren uns auf die im Bundestag vertretenen Parteien. Alle anderen können unsere Plattform wie üblich, das heißt im Rahmen unseres Verhaltenskodex, nutzen.

Viele Unternehmen und Organisationen starten zurzeit Online-Projekte, die die Politikverdrossenheit bekämpfen wollen. Wie geht es mit der „Wahlzentrale“ nach dem 27. September weiter?
Wir haben heute schon 130.000 Anhänger auf den großen Profilen. Bis zur Wahl wird die Zahl noch signifikant steigen. Ich bin mir sicher, dass wir bis dahin weit über 200.000 Anhänger haben werden. Denen können wir nach der Wahl ja nicht sagen: „Jetzt ist der Dialog beendet.“ Das geht danach erst richtig los. Ich glaube, dass wir den Anfang einer langfristigen und positiven Entwicklung miterleben.

Mit dem ZDF, „Spiegel Online“ und „Zeit Online“ haben Sie prominente Medienpartner. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Unsere Reichweite, nicht nur in der jungen Zielgruppe, ist natürlich attraktiv: Wir haben auf der anderen Seite großes Interesse an den Inhalten der Partner. Wichtig ist, dass bei allen handelnden Personen der Gedanke, die Wahlbeteiligung zu steigern, im Vordergrund stand.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Beruhigungsmittel- Regierungskommunikation in der finanzkrise. Das Heft können Sie hier bestellen.