Reichlich liberal

Das Thomas-Dehler-Haus, Ende Mai. Hier, im zweiten Stock der FDP-Bundesgeschäftsstelle, betreten Besucher ein neues Reich – das „Ideenreich“. So hat die Partei ihre Wahlkampfzentrale genannt. Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz, zuständig für die strategische Planung, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit der FDP, steuert von hier aus die Wahlkämpfe seiner Partei. Ein kurzer Blick in den Raum genügt, um zu erkennen, dass Deutschland vor den Wahlen zum Europäischen Parlament steht. Die Wahlkampfzentrale ist voll mit Plakaten, Flyern und Broschüren der liberalen Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin.
Beerfeltz und Wahlkampfassistent Thomas Diener erklären, wie die Partei im Jahr 2009 um Stimmen werben will: durch einen dezentral organisierten Wahlkampf. Die FDP setzt auf den Dialog mit dem Wähler und will sich laut Beerfeltz „um jeden Einzelnen kümmern“. Bereits Anfang des Jahres haben die Liberalen gezeigt, wie das aussehen soll. Ende Januar erweiterte die FDP ihre Onlineplattform „my.FDP“ um die „Mitmach-Arena“. Für Beerfeltz das wichtigste Instrument der Online-Kommunikation. Unterstützer können sich über die „Mitmach-Arena“ ein eigenes Konto einrichten und sich per E-Mail und SMS über den Wahlkampf informieren lassen. Eine erfolgreiche Strategie? Beerfeltz nickt und Diener schaut an seinem Rechner nach den aktuellen Mitgliedszahlen. Über 20.000 Nutzer seien bereits registriert, sagt er.
Beerfeltz‘ Referent Thomas Scheffler erklärt, wie die Zusammenarbeit mit den Agenturen funktioniert. Er sagt, dass die FDP mit rund 20 Agenturen kooperiere. Auf eine Lead-Agentur habe die Partei verzichtet. Schefflers Aufgabe ist es, die Dienstleister so einzubinden, „dass sie nicht gegeneinander arbeiten“. Ein Marketing-Beirat, in dem unter anderem Andreas Hartwig, Ex-Chef von BBDO Deutschland, und Mathias Bucksteeg, ehemaliger Mitarbeiter im Kanzleramt unter Gerhard Schröder, sitzen, koordiniert die PR-Strategie der FDP.
Wie konsequent die Partei ihren Ansatz aus Dialog, Marketing und Kommunikation verfolgt, erfährt der Besucher am Ende des Gesprächs beim Gang durch das FDP-Bürgerbüro im Erdgeschoss der Bundesgeschäftsstelle. Ein großes gelbes Schild prangt über der Tür: „Mitmach-Zentrum“. Diener erklärt, dass sich FDP-Anhänger hier melden könnten, um im Wahlkampf zu helfen. Er plant mit 25 Unterstützer. Die Frage, warum die meisten Rechner ausgeschaltet sind und nur zwei Jung-Liberale arbeiteten, bringt Diener nicht aus der Ruhe: „Es ist kurz  nach fünf, Feierabendzeit“, sagt er und verschwindet Richtung „Ideenreich“.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Beruhigungsmittel- Regierungskommunikation in der finanzkrise. Das Heft können Sie hier bestellen.