Grüne Botschaften

Im Kampagnenraum der „Grünen Botschaft“ haben die Wahlkämpfer das Ziel stets vor Augen: Rathausstraße 15 – die Adresse des Roten Rathauses – steht in großen grünen Lettern über einer Karte der Hauptstadt. Renate Künast, Spitzenkandidatin der Berliner Grünen und Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, will am 18. September den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Hausherren im Rathaus ablösen. Ein ambitioniertes Ziel – aktuellen Umfragen zufolge jedoch nicht unmöglich: Anfang Juni lagen die Grünen nur wenige Prozentpunkte hinter den Sozialdemokraten.
Künast baut bei ihrem Wahlkampf vor allem auf zwei Männer: André Stephan und Andreas Schulze. Stephan ist Geschäftsführer des Berliner Landesverbands und Wahlkampfmanager. Schulze ist im Mai als Pressesprecher zum Team der Grünen-Kandidatin gestoßen. Mit rund 30 Kollegen arbeiten beide in der Anfang Mai eröffneten Wahlkampfzentrale darauf hin, die Grünen bei der Abgeordnetenhauswahl zur stärksten Partei zu machen. Das lässt sich der Landesverband rund eine Million Euro kosten. Hinzu kommen die Beiträge, die die einzelnen Bezirksverbände investieren. „Wir wissen, dass die SPD in puncto Ausstattung vor uns liegt“, sagt Stephan. „Trotzdem spielen wir auf Augenhöhe.“ Knappe Ressourcen führten oft zu neuen und klugen Ideen.
Die „Grüne Botschaft“ ist Teil der Landesgeschäftsstelle, die in der Kommandantenstraße im Bezirk Mitte liegt. Vier Räume stehen für den Wahlkampf zur Verfügung. Im Kampagnenraum – Stephan nennt ihr das „Herz der Zentrale“ – beantwortet das Künast-Team Bürgerfragen, wirbt um Unterstützer und um Spenden. Wenige Meter daneben sitzt die Abteilung Analyse, Strategie und Information. Von dort aus betreuen Mitarbeiter die Kandidaten, organisieren Veranstaltungen und koordinieren die Gegnerbeobachtung.
Dazu kommen die Büros von Stephan und Schulze, die beide jedoch nicht für sich alleine beanspruchen. Schulze arbeitet mit einer Fundraiserin zusammen, in Stephans Büro hat eine weitere Kolleginnen ihren Arbeitsplatz. Natürlich hat auch Künast in der Wahlkampfzentrale ein eigenes Büro. Dieses ist in gesetzten Farben gehalten – und unterscheidet sich damit vom grünen Grundton, der die restliche Etage prägt. Auf wenigen Quadratmetern stehen ein großer dunkler Schreibtisch, zwei schmale Sessel und zwei kleine Tische. Neben einer Zimmerpflanze sorgen nur wenige Accessoires für eine persönliche Note: Dazu zählen ein gerahmtes Foto von Joseph Beuys und ein Flugblatt zur Bundestagswahl 1980, auf dem Beuys unter einem Foto von sich und seinem Sohn handschriftlich für die Grünen wirbt.
In ihr Büro zieht sich Künast zurück, um Interviews zu führen und um sich auf Termine vorzubereiten. Laut Schulze schaue die Grünen-Politikerin regelmäßig vorbei. Geplant, aber auch spontan: „Gut möglich, dass Renate Künast auf einmal in der Tür steht“, sagt der Pressesprecher. „Ansonsten kommt sie mal für eine Stunde rein, vielleicht auch nur für zehn Minuten.“ Ein fester Termin sei jedoch die Morgenlage am Montag.
Stephan und Schulze wirken während des Rundgangs durch die Wahlkampfzentrale entspannt und nehmen sich trotz eines durchgetakteten Terminkalenders Zeit, um über ihre Kampagnen-Strategien zu sprechen. „Das Internet wird in diesem Jahr eine besonders große Rolle spielen“, sagt Stephan. Der Online-Wahlkampf sei ressourcenschonend, die Grünen könnten dort die Nachteile, die sie als kleinere Partei haben, ausgleichen.
Ein weiteres Thema, mit dem die Grünen punkten wollen, ist die Kandidatin selbst. Stephan: „Die SPD setzt in ihrem Wahlkampf vor allem auf zwei Dinge: gute Laune und Klaus Wowereits Geburtsort.“ Im Gegensatz zum Regierenden Bürgermeister ist Künast nicht in Berlin, sondern in Recklinghausen geboren. „Wir dagegen stellen das Thema Glaubwürdigkeit in den Mittelpunkt“, sagt Schulze. „Wir wollen zeigen, dass Renate Künast ihre Fahne nicht nach dem Wind ausrichtet.“ Dazu gehöre auch, keine Geschenke zu versprechen. „Das gibt der Haushalt gar nicht her“, sagt Schulze. Ein schwieriger Spagat, das wissen beiden. Doch Stephan und Schulze sind zuversichtlich – die aktuellen Umfragewerte machen Mut. „Trotzdem wird hier niemand abheben“, sagt Schulze. „Unsere Wahlkämpfer sind bodenständig genug, um mit der Situation umzugehen.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Querdenker – Zwischen Fraktionszwang und Gewissen. Das Heft können Sie hier bestellen.