Im belgischen Wallonien erreichten die Grünen bei der Europawahl 2009 23,26 Prozent. „Ich denke, dass alle grünen Parteien solche Ergebnisse anstreben sollten“, sagt Philippe Lamberts, Vorsitzender der European Greens, des Zusammenschlusses der Grünen auf europäischer Ebene. Der belgische Europaabgeordnete verweist mit Stolz darauf, dass die wallonischen Grünen (Ecolo) die 20-Prozent-Hürde bereits mehrfach übersprungen haben.
Der Regierungsarbeit der grün-roten Koalition in Baden-Württemberg misst er europaweit eine große Bedeutung bei: „Unsere Leistung in Baden-Württemberg wird mit großer Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf unser Abschneiden bei den kommenden Bundestagswahlen und darüber hinaus auch in den Nachbarländern haben“, sagt Lamberts. In seiner Heimat liegt Ecolo derzeit bei etwa 13 Prozent, während die flandrischen Grünen (Groen!) auf rund acht Prozent kommen. Beide Parteien haben zusammen 13 von 150 Sitzen im belgischen Parlament.
Großbritannien: Erfolge trotz Mehrheitswahlrecht
Trotz Mehrheitswahlrecht verbuchen die Grünen auch in Großbritannien zunehmend Erfolge. Im vergangenen Jahr führten sie bei der Unterhauswahl einen sogenannten Schwerpunktwahlkampf. Wahlkampf und Ressourcen konzentrierten sich auf drei „target seats“, Wahlkreise, in denen ein Sieg möglich erschien. Das Ergebnis: Die Parteivorsitzende Carolin Lucas holte in Brighton mit 31 Prozent der Stimmen das erste Mandat für die Green Party im britischen Unterhaus. In den beiden anderen Wahlkreisen blieb es bei Achtungserfolgen. Bei den diesjährigen Kommunalwahlen wiederholte die Partei ihren starken Auftritt.
Auch die britische Green Party verfolgt den Erfolg der Grünen in Deutschland mit großem Interesse. Der gilt jedoch nicht uneingeschränkt als nachahmenswert. Die bekannten Gräben zwischen Realos und Fundis gibt es auch auf der Insel, und so wird der Erfolg der deutschen Grünen mit einer Mischung aus Bewunderung und Vorsicht betrachtet. „Einerseits hätten wir gerne das Geheimrezept für diesen Erfolg. Andererseits befürchten wir, dass der Preis für diesen Erfolg sein wird, sich in der Mitte des politischen Spektrums zu positionieren.“ Das widerspreche dem Instinkt vieler grüner Aktivisten, sagt Steve Emmott, der seine Partei im Vorstand der European Greens vertritt.
Norwegen: starkes Wachstum auf niedrigem Niveau
Die Grünen in Norwegen sind noch weit davon entfernt, auf Landesebene nennenswerte Ergebnisse zu erzielen. Bei den Parlamentswahlen 2009 erreichten die Grünen lediglich 0,3 Prozent der Stimmen. Die Parteivorsitzende Hanna E. Marcussen führt unterschiedliche Gründe dafür an. So sei beispielsweise das Umweltbewusstsein in Norwegen niedriger als in den Nachbarstaaten. „Zudem haben wir uns in der Vergangenheit nicht ausreichend darauf konzentriert, eine starke Organisation aufzubauen“, so Marcussen.
Dies hat sich in den vergangenen drei Jahren geändert. Die Partei hat ihre Geschäftsstelle ausgebaut, lokale Parteigliederungen beim Aufbau unterstützt und über die sozialen Netzwerke neue Mitglieder geworben. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Seit die junge Archäologin 2008 den Parteivorsitz übernommen hat, hat sich die Mitgliederzahl von Miljøpartiet DeGrønne von 460 auf aktuell rund 1900 mehr als vervierfacht, die Zahl der Ortsvereine von 15 auf 55 erhöht.
Der erste Lackmustest steht bei den Kommunalwahlen im September an, wo die Partei in allen Großstädten einen entscheidenden Durchbruch erzielen möchte und versuchen wird, die Zahl von derzeit sieben Stadträten deutlich zu erhöhen.
Kanada: Licht und Schatten
Auch in Nordamerika konnten die Grünen in den vergangenen Jahren zulegen. Seitdem die Green Party of Canada Elizabeth May 2006 zur Vorsitzenden gewählt hat, gewann die Graswurzel-Bewegung an Schlagkraft. Die Partei hat ihre Organisation ausgebaut und stellt bei den Parlamentswahlen Kandidaten in allen Wahlkreisen. 2008 erzielten die Grünen das Rekordergebnis von 6,8 Prozent – mehr als 941.000 Kanadier gaben ihre Stimme der 1983 gegründeten Partei.
Erst in den vergangenen Monaten hat die Partei neben Licht auch Schatten erlebt. Zwar zog mit May in diesem Jahr erstmals eine Kandidatin der Grünen ins Parlament ein, gleichzeitig stimmten landesweit jedoch nur noch 576.000 Wähler für die Partei. Das entspricht einem Minus von knapp drei Prozent gegenüber dem Rekordwert von 2008.
Die Parteivorsitzende führt dies darauf zurück, dass sie in diesem Jahr nicht zum traditionellen Fernsehduell der Parteivorsitzenden eingeladen wurde. „Seitdem haben wir in der Öffentlichkeit an Unterstützung verloren. Davon haben wir uns nicht erholt.“ Von dem Rückschlag lässt sie sich jedoch nicht entmutigen und verweist auf den starken Mitgliederzuwachs, den die Partei seit Anfang des Jahres verbucht. Die Zahl der Mitglieder stieg auf knapp 12.000 an.
Australien: gute Beziehungen zu Deutschlands Grünen
Auf die weltweit längste Tradition können die Grünen in Australien zurückblicken. Ihr Vorgänger, die United Tasmania Group, trat bereits 1972 bei Wahlen zum tasmanischen Parlament an. Die Gruppe setzte sich aus Umweltaktivisten zusammen, die den Bau eines Staudamms für ein Wasserkraftwerk verhindern wollten. Knapp vierzig Jahre später haben die Australian Greens 10.000 Mitglieder und sind im Parteienspektrum etabliert.
Bei den Parlamentswahlen 2010 legte die Partei um vier Prozentpunkte zu und holte landesweit 13,1 Prozent. Sie stellt neun von 76 Senatoren und gewann erstmals einen Sitz in der zweiten Parlamentskammer, dem Abgeordnetenhaus. In beiden Kammern sind die Grünen nun das Zünglein an der Waage zwischen Liberal und Labor Party. Letzterer verhelfen sie derzeit zu einer Regierungsmehrheit.
„Der Erfolg der Grünen in Deutschland ist für uns und die entstehenden grünen Parteien in der Asien-Pazifik-Region eine Quelle der Inspiration“, sagt Senator Bob Brown, der Übervater der australischen Grünen. Er gehörte bereits 1972 zu den Aktivisten auf Tasmanien und steht den Australian Greens seit ihrer Gründung im Jahr 1992 vor.
Auch Christine Milne, stellvertretende Parteivorsitzende, ist vom Erfolg der deutschen Grünen begeistert und verweist auf die traditionell guten Beziehungen. „Zwischen beiden Gruppierungen gibt es seit dem Besuch von Petra Kelly in Tasmanien enge Verbindungen. Nach ihrer Rückkehr gründete sie in Deutschland die Grünen.“
Auch wenn das Mehrheitswahlsystem in einigen Ländern den endgültigen Durchbruch der Grünen verlangsamt, gibt es heute in den Industrienationen weltweit erstarkende grüne Parteien. Dabei sind die deutschen Grünen sowohl in punkto Mitgliederzahl als auch bei den Wahlerfolgen die führende Kraft bei den Global Greens, dem globalen Zusammenschluss der grünen Parteien. Ihre Erfolge in Deutschland dienen als weltweiter Maßstab und Orientierung für weiteres Wachstum.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Kampf ums Internet – Die Lobby der Netzbürger formiert sich. Das Heft können Sie hier bestellen.