„Drei Jahre Feldarbeit zum Vertrag“

p&k: Sie beraten und vertreten Unternehmen in den Golfstaaten. Wie gut schlagen sich hier die Deutschen?
Hogrefe: Eher suboptimal. Deutschen Firmen und Stiftungen fehlen oft die Kenntnisse für den Umgang mit anderen Geschäfstkulturen. Amerikaner, Engländer und Franzosen sind uns hier weit voraus. Dabei ist die Ausgangslage günstig. Auch im arabischen Kulturkreis wirkt das Bild der tüchtigen und verlässlichen Deutschen, die exzellente Produkte und Dienstleistungen bieten.
Was machen die anderen besser?
Auf der Grundlage ihrer Kolonialgeschichte sind sie meist besser präpariert. Wir meinen oft, es reicht aus, wenn wir dort gute Produkte anbieten. Das ist zu wenig. Die Golf-Gesellschaften suchen keine Lieferanten, sondern Partner für Entwicklung. Wir müssen zum Beispiel den Hunger auf Wissen und den Wunsch nach Teilhabe respektieren. Die Pariser Eliteuni Sorbonne hat einen Ableger in Abu-Dhabi. In Katar sind namhafte US-Unis vertreten. Deutsche Unis sucht man vergebens am Golf. Die Deutschen verlassen sich immer noch zu sehr auf nur die Qualität ihrer Waren.
Das ist falsch?
Eindeutig. Ihre Angebote können noch so überzeugend sein; wenn Sie die arabischen Entscheider nicht von Ihren guten Absichten überzeugen, läuft gar nichts. Unsere vorzüglichen Ingenieure und Juristen stranden trotz aller Qualität, wenn sie keine Kulturkompetenz haben. Die alles entscheidende Basis für Geschäfte am Golf ist persönliches Vertrauen. Das muss man sich erarbeiten – am besten durch das Verstehen der Bedürfnisse der anderen Seite. Die Vermittlung dieser Kompetenz ist oft der Kern meiner Beratung in der Region.
Welchen Dreh braucht man dann als Westler, um am Golf erfolgreich sein zu können?
Dreh ist hier die falsche Annahme. Da steckt die auf Nüchternheit und Effizienz gedrillte westliche Denke dahinter. Sie können hier in den seltensten Fällen Beziehungen und Situationen durch die Macht der Ratio, des klugen Arguments abrupt eine Wendung in „Ihre“ Richtung geben. Für erfolgreiche Arbeit am Golf sind Geduld und Emphase wichtiger, das prozesshafte Denken. Ich bereite für deutsche Firmen oder Institutionen teilweise bis zu drei Jahre das Feld, bis ein Vertrag steht.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Die Geschäftskorrespondenz. Nur über E-Mail zu kommunizieren, selbst bei einfachsten Sachverhalten funktioniert selten. Praktisch jede Mail muss hier mit einer höflichen Nachfrage per Telefon verbunden werden. Teilweise vergehen mehrere Wochen, bis eine Rückmeldung kommt. In Deutschland hätte man die Sache schon längst beerdigt. Wenn Golf-Partner lange für eine Antwort brauchen, haben Sie dafür Gründe. Die werden sie einem nicht immer nennen, manchmal würde man sie hier auch nicht verstehen. Also: Geduld und Vertrauen. Es gibt natürlich Handwerkliches, das man berücksichtigen muss. Gilt natürlich immer, aber die Betreffzeile einer Mail passend zu formulieren, ist am Golf noch wichtiger als hier. Dort ist es viel verbreiteter als bei uns, Mails ausschließlich über das Blackberry abzurufen; wenn Sie da Wortmüll und Textschlangen liefern, geht Ihr Anliegen unter.
Was für Fallstricke gibt es noch?
Wer am Golf erfolgreich sein will, braucht letzlich einen verlässlicher Partner vor Ort. Hier scheitern bereits viele. Es gibt in diesen Ländern zahlreiche Blender, die keinen wirklichen Einfluss besitzen, dies aber vorgeben. Sie können viel Geld versenken, wenn Sie an die falschen Leute geraten. Im schlimmsten Fall werden Sie zur Persona non grata. Ein guter „Sponsor“ hilft einem, Schritt für Schritt ein Netzwerk aufzubauen. Die mangelnde Transparenz der dortigen, noch sehr feudalen Gesellschaften, irritiert und überfordert uns oft. Um sich hier nicht in Sackgassen zu manövrieren, ist es aber wichtig, Stellung Einzelner, auch einzelner Clans, zu Entscheidern in den Herrscherfamilien einschätzen zu können. Der Clan, die Familie spielen eine zentrale Rolle. Was bei uns als Nepotismus gilt, ist dort ein Mittel der sozialen Absicherung. Das Gewirr aus Posten und Zuständigkeiten vollständig zu überblicken, ist uns kaum möglich.
Mal gesetzt die Annahme, das Entré gelingt. Wie geht es weiter?
Araber sind sehr höfliche Menschen, die klassische Tugenden wie Zuverlässigkeit, Anstand und einen feinen Humor schätzen. Das ist vielen Europäern der Nettigkeit zu viel. Aber man sollte sich schnell an diese Umgangsformen gewöhnen, sonst ist man nicht satisfaktionsfähig. Das offensive Anpreisen der eigenen Leistungsfähigkeit im Stile „meine Frau, mein Auto, mein Haus, mein Boot“, ist dort der sichere Weg in den Untergang. 
Gehört der Umgang mit Frauen auch zu den Fettnäpfchen, in die man treten kann?
Eigentlich nicht, da die Welten der Geschlechter immer noch sehr strikt getrennt sind. Selbst bei langjährigen Geschäftspartnern kennt man oft die Ehefrau nicht. Es empfiehlt sich aber, das Thema Frauen als Gesprächsstoff zu meiden – vor allem in der anzüglichen Form. Gottlob gibt es immer mehr erfolgreiche arabische Geschäftsfrauen – auf jeder Ebene. Hier können die selben Standards angelegt werden wie beim Umgang mit männlichen Geschäftspartnern.
Ist die Vorstellung von Geschenkritualen in Beduinenzelten plus Falkenjagd reines Klischee?
Nein, die gibt es. Bis dahin ist jedoch meist ein weiter Weg. Standard ist ein Treffen in Hotel-Lobbys oder Meeting Rooms. Die sind, wie shopping malls, öffentlicher Raum – und klimatisiert. Für den Gesprächspartner dort ein kleines Präsent dabei zu haben, gehört in Arabien zum guten Ton. Je persönlicher, desto besser. Als große Auszeichnung gilt übrigens, wenn Sie in den Majlis eingeladen werden, eine Art „Rat der Vertrauten“, für den es im Haus des Geschäftspartners meist einen eigenen Raum gibt. Zum Majlis gehören im Prinzip nur Verwandte und enge Vertraute.
Was können Interessenvertreter aus dem Westen mit nach Hause nehmen, wenn es um die Fähigkeiten der Kommunikation geht?
Andersartigkeit zu respektieren und gekonnt damit umzugehen, sowie die schöne Erkenntnis, wie angenehm Empathie im Umgang mit anderen Menschen ist. Wir sollten nicht glauben, diesen Kulturkreis mit unserem sozialen Code beeindrucken zu können. Die haben ihre eigenen Regeln und werden diese, Globalisierung hin oder her, nicht an die westliche Norm anpassen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Minilobbyisten – Kleinstverbände im Porträt. Das Heft können Sie hier bestellen.