„Keine Träumer“

p&k: Herr Bearfield, im Online-Bookshop der EU finden junge Deutsche eine Menge Spezialliteratur, um sich auf den Concours vorzubereiten – allerdings fast nur auf Englisch und Französisch. Ist das Zufall?
Bearfield: Nein, das Angebot spiegelt die Nachfrage wider. Für die meisten Auswahlverfahren werden die Assessment-Center-Tests, also der zentrale Teil des Concours, in Englisch, Deutsch oder Französisch absolviert. Hier zeigt sich dann die dominante Rolle des Englischen als Fremdsprache. Über 90 Prozent der Absolventen wählen diese Sprache, weitere sechs Prozent nehmen Französisch. Lediglich ein kleiner Rest entscheidet sich für Deutsch.
Der Concours besteht im Kern aus zwei Teilen: Vorauswahl und Assessment-Center. Was ist Ihr Tipp für Bewerber?
Wer Interesse hat, am Auswahlverfahren teilzunehmen, sollte zunächst einmal feststellen, ob er auf Concours-Niveau ist. Dafür gibt es Beispieltests auf unserer Website. Dann gilt es, sich auf den hohen Zeitdruck im Concours vorzubereiten. Die eigenen kognitiven Fähigkeiten hingegen lassen sich durch kurzfristige Vorbereitung kaum verbessern. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, über Training und Vorbereitungskurse ein Gespür für die Prüfungssituation zu bekommen.
2010 wurde der Concours reformiert. Was war das Ziel?
Bis zu seiner Reform dauerte der Rekrutierungsprozess zwei Jahre, das war zu lang. Das neue Auswahlverfahren nimmt nur noch neun Monate in Anspruch. Außerdem hatte die EU das Ziel, ihre Personalauswahl qualitativ zu verbessern. Wir haben uns daher die Frage gestellt: Was macht einen ausgezeichneten EU-Beamten aus?
Und das wäre?
Nach einer Großstudie, die ein externes Unternehmen, ein Spezialist für Personalrekrutierung, damals für die Europäische Kommission durchführte, muss ein EU-Beamter über acht Kernkompetenzen verfügen. Wichtig ist beispielsweise die Fähigkeit, Schwerpunkte zu setzen, da die Brüsseler Beamten eine Vielzahl von Themen bearbeiten müssen. Kreative Leute sind uns hoch willkommen. Aber Träumer können wir nicht gebrauchen. Ein Beamter der EU muss „liefern“ können, also in der Lage sein, einen komplexen Sachverhalt für einen Kommissar in zwei Stunden als Handout zusammenzufassen.
Dominiert die Abfrage solcher Soft Skills inzwischen den Concours?
Das wird immer wieder behauptet. Aber das Fachwissen der Bewerber ist weiterhin extrem wichtig. Wir wollen exzellente Juristen oder Wirtschaftswissenschaftler. Allerdings stimmt es, dass nicht mehr so viel Fachwissen über die EU und ihren politischen Aufbau abgefragt wird. Wir haben festgestellt, dass die Rückversicherung, ob ein Bewerber europaaffin ist, nicht so viel Raum braucht; die jungen Leute, die zu uns wollen, sind es ohnehin.
Hatte die EU bei der Reform des Concours Vorbilder?
Wir hatten weder die öffentliche Verwaltung eines bestimmten Landes als Vorbild noch haben wir ein konkretes Auswahlverfahren eins zu eins übernommen. Allerdings sind wir viel herumgereist, um Best-Practice-Beispiele kennenzulernen. Die Weltbank, Schweden und Irland gelten als vorbildlich bei ihren Auswahlverfahren. Besonders interessant war für uns Kanada. Die dortige öffentliche Verwaltung hat schon lange ein zweisprachiges Testverfahren auf Englisch und Französisch, das sich bewährt hat.
Wo liegen in den kommenden Jahren die Schwerpunkte bei den Stellenausschreibungen?
Im Bereich Wirtschaft und Finanzen hat die EU in den letzten Jahren Ressourcen aufgebaut. Auch in diesem Jahr wird es hier wieder zahlreiche Ausschreibungen geben; eine Tendenz, die sich sicher fortsetzen wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Die Kanzlermacher – Zu Besuch in Deutschlands Wahlkampfagenturen. Das Heft können Sie hier bestellen.