Young Professionals in der Krise?

Kolumne

In der letzten Zeit habe ich von erfahrenen politischen Kommunikationsprofis häufig folgenden Satz gehört: „Wenn ich jetzt nochmal beruflich beginnen würde, würde ich mir zweimal überlegen, ob ich mir das antun will.“

Das „antun“ war nicht auf den Beruf bezogen, sondern auf die Umstände und unerwartete Sichtbarkeit, die der Beruf mich sich bringen kann.

Generell gesagt: Die Nutzung sozialer Medien für die eigene Person im beruflichen Kontext ist herausfordernd. Besonders für junge Politikerinnen und Politiker aber auch für Young Professionals in der zweiten Reihe im politischen Betrieb.

Denn wir befinden uns in einer merkwürdigen Gemengelage, über die viel zu wenig gesprochen wird.

Es geht um Fragen wie: „Wie sichtbar muss ich sein? Warum wird die Person auf eine Veranstaltung eingeladen und ich nicht? Wie schafft es Person XY, auf dem Panel zu sitzen? Warum twittert Person XY immer so kluge und lustige Sachen und mir fällt nichts ein?“ Das sind Themen, die nicht nur mich, sondern auch viele in meinem Freundes- und Bekanntenkreis aus der Branche beschäftigen.

Der direkte Vergleich, das vermeintlich perfekte Netzwerk anderer, die direkte Auffindbarkeit der eigenen Person, die direkte Auffindbarkeit an eigenen Kontakten und auch die direkte Auffindbarkeit, welcher Organisation man sich zu Beginn seines Berufslebens verschrieben hat: Arbeitet man für eine politische Partei, wird man diesen Stempel niemals los. Arbeitet man für einen Verband, bleibt der Stempel ebenfalls. Arbeitet man für eine Beratungsagentur, die dafür bekannt ist, Branche XY zu beraten, wird man diesen Stempel auch nicht los.

Dazu kommt noch der Druck von außen: Gerade im politischen Umfeld, vor allem wenn man für Spitzenpolitiker arbeitet, scannen Journalistinnen die Profile der Mitarbeitenden und ehe man sich versieht, ist man Teil einer journalistischen Berichterstattung, obwohl man doch eigentlich nur seinen Job machen will. Eine berufliche Anonymität ist undenkbar geworden. Derzeit verheiratet man sich als Young Professional mit seinem Job – bloß ohne Ehevertrag.

In einigen Fällen kann die Berufswahl Türen öffnen, aber andere auch für immer verschließen. Und das schon zu Beginn des Berufslebens.

Ist man nicht eigentlich Young Professional, weil man seinen Platz noch nicht gefunden hat?

Wenn man schon gesehen wird und das gläserne-Ich existiert, kommt noch das eigene Personal Branding dazu. Bücher, wie die von (der von mir sehr geschätzten) Tijen Onaran propagieren: „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“. Beim gründlicheren Lesen steht dort explizit, dass Netzwerken nichts mit der Lautstärke zu tun hat. Aber die Freundin, die mir damals das Buch geschenkt hat, meinte es wohl gut mit mir. Ich muss ehrlich sagen, dass mich dieser Titel sehr abschreckt, denn man muss nicht laut und sichtbar sein, um stattzufinden.

Ebenfalls hat die Medienmanagerin Mirijam Trunk neulich das Buch herausgebracht: „Dinge, die ich am Anfang meiner Karriere gerne gewusst hätte“ – inklusive einer kritischen Abrechnung mit „alten weißen Männern“. Dies sind nur zwei Beispiele an Büchern, (ich lese die Bücher auch und will jeden Inhalt an dieser Stelle nicht bewerten) die teilweise noch mehr Druck aufbauen.

Gerade als junge Frau frage ich mich nach dem Lesen solcher Ratgeber und Erfahrungsberichte: „Müssten wir jetzt soziale Medien noch besser nutzen, um dem ‘alten Establishment’ die kalte Schulter zu zeigen? Können wir durch soziale Medien alles auf Links drehen?“. Ich komme in ein Dilemma, denn wenn ich meine beruflichen Erlebnisse reflektiere, habe ich im Grundsatz überhaupt kein Problem mit alten weißen Männern.

Also, so einfach ist das nicht. Denn derzeit erlauben es soziale Medien auch nicht, die Abrissbirne rauszuholen.

Das fängt schon damit an, wenn man in einer Organisation frisch eingestellt wurde: Einige Organisationen erlauben es überhaupt nicht, sich als Young Professional digital zu positionieren. Immer häufiger bekomme ich die Debatten von eng gestrickten Compliance Regeln von Organisationen mit, die ihren Mitarbeitenden quasi „verbieten“, sich über ihre Arbeit auf Social Media zu äußern. Alles wird einheitlich über die „Comms-Abteilung“ gesteuert. Lediglich das Teilen von Beiträgen ist erlaubt.

Neue soziale Kontexte (wie das Kollegium) scannen junge Berufseinsteiger und sehr schnell kann es passieren, dass das eine Selfie auf Instagram neulich eins zu viel war und am nächsten Tag Gesprächsstoff in der digitalen Teams-Kaffeepause ist: „Person XY stellt sich selbst nur dar“,Person XY postet den ganzen Tag und arbeitet überhaupt nicht“, „Person XY trinkt den ganzen Tag nur Kaffee“.

Ich frage mal ehrlich in die Runde: Was soll man denn dann noch posten?

Der einzige Zeitraum, wo man als Young Professional noch relativ frei ist, über sich und seine Arbeit zu berichten ist meiner Meinung nach in drei Konstellationen:

  • Im Studium/bei der Promotion
  • In der Selbstständigkeit
  • Im Corporate-Influencer-Programm der eigenen Organisation (wenn es das überhaupt gibt)

Wie ihr seht, verringert sich das Fenster der Möglichkeiten im politischen Kommunikationskontext, soziale Medien noch richtig frei nutzen zu können.

Lässt sich die „Krise“ auflösen? Meiner Meinung nach nur durch folgende Punkte:

  • Durch Kulturwandel in Organisationen, die Young Professionals befähigen, als „Corporate Influencer“ zu fungieren.
  • Durch ein wachsendes Verständnis vom „sozialen Kontext“, nicht direkt abzuurteilen.
  • Wenn man mit dem Kopf durch die Wand geht.

Ich glaube aber, dass sich dieses Phänomen durch alle beruflichen Erfahrungsstufen zieht:

Erfahrene Kommunikatorinnen resignieren entweder und sagen: „Ich habe mein Offline-Netzwerk – ich brauche soziale Medien nicht“ oder sagen: „Ich eigne mir meine Social-Media-Nutzung“ an. Andere Kommunikatoren sagen, dass digitale Sichtbarkeit bald in Jobbeschreibungen steht und zum Einstellungskriterium wird.

So lange die Frage noch im Raum steht, wie wichtig Social Media ist und ob ich einen Zug verpasse, auf den ich aufspringen muss, wird es meiner Meinung nach auch keine umfängliche Akzeptanz geben.

Also, sind wir Young Professionals in der Krise?

Ich sage „jein“. Für die eigene Auffindbarkeit und Transparenz ist zum Beispiel ein LinkedIn-Profil sehr hilfreich. Macht euch vor allem selbst von dem Druck frei: Ihr müsst nicht zum Creator von Inhalten werden. Wenn es euch schwerfällt oder ihr keine Freude habt, wird dies nicht die Stellschraube zu einem propagierten beruflichen Erfolg werden. Sichtbarkeit und ein Netzwerk lässt sich auch in Offline-Räumen aufbauen und – wie Mirijam Trunk es in ihrem Buch sagt – : „Poste keine Fotos aus einem Meeting um zu zeigen, mit wem du unterwegs warst. Wirklich mächtige Netzwerke leben von der Unsichtbarkeit“.

Ich persönlich bin zu 95 Prozent froh, dass es zu meinem Start ins Berufsleben soziale Netzwerke gibt. Sonst würde ich definitiv nicht das tun, was ich aktuell tue. Die 4 Prozent Krise habe ich für mich ausgeschaltet, indem ich inaktiv auf Twitter geworden bin. 1 Prozent Krise werden immer bleiben. Das ist der Stempel, den man durch seine Tätigkeiten bekommt. Das Wichtigste ist, dass man immer hinter seinen Entscheidungen steht. Denn die Kommunikation, die über eure digitalen Kanäle passiert, muss genau so authentisch und ernst gemeint sein wie im echten Leben.

Jede Blume blüht auf ihre Art – kommuniziert und seid so, wie ihr es für euch persönlich richtig haltet und wie ihr euch wohl fühlt, macht euer Ding und lasst euch von anderen nicht verunsichern!

Best,

Theresa