Rauchzeichen aus Berlin

Kolumne

Nicht erst seit dem 1. April 2024 hat das Wort „Brokkoli“ begriffliche Mehrdeutigkeit erlangt. Da man dieses Grünzeug nun in der gesamten Republik straffrei besitzen und rauchen darf, wollen wir uns heute mit den großen Tüten unserer Zeit befassen: Cannabis und die Gesetze, die der Legalisierung in Deutschland den Weg ebnen sollen.

Zunächst ein Flashback: Das Gesetzgebungsverfahren zur Legalisierung des straffreien Konsums, Besitzes und weiterer Freiheiten im Umgang mit der Trenddroge verlief alles andere als geräuschlos. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) selbst war lange Gegner einer Legalisierung. Letztlich habe ihn die Studienlage überzeugt, es brauche „ein neues Angebot“. Ob Koalitionsvertrag, Studien oder die engagierte Cannabis-Community am Ende das Umdenken bewirkt haben, ist wohl nur noch für die Bücher interessant.

Aus dem Bundesrat hatte es Stimmen des Widerstands gegeben – und das, obwohl der Cannabisgesetzentwurf als Einspruchsgesetz nicht der Zustimmung der Länderkammer bedurft hätte. Lediglich die Option eines Vermittlungsausschusses lag im Werkzeugkasten. Unionsgeführte Länder drohten, das Gesetz dort so lange blockieren, bis der Ampel-Regierung nicht genügend Zeit bleibe, um den Einspruch des Bundesrates zurückzuweisen. Daneben gab es umfangreiche fachliche Kritik am Entwurf.

Rauch frei!

Den Umschwung brachte am Ende eine Protokollerklärung der Bundesregierung im Bundesrat, die den Ländern Zugeständnisse machte. Das Entgegenkommen des Bundes mit dieser zu Protokoll gegebenen Absicht ist rechtlich zwar nicht bindend, solche Erklärungen sind aber immer wieder ausschlaggebend für Wahlverhalten im Bundesrat. Alle politischen Akteure schauen darauf, dass die Regierung das gegebene Wort später einhält. Würde der Bund wortbrüchig, könnte er bei der nächsten Protokollerklärung nur schwer auf die Mitwirkung der Länder im Gegenzug hoffen. Und so darf nun seit dem 1. April 2024 in Deutschland gekifft und Cannabis besessen werden.

Die Bundesregierung hält ihr Wort und hat Bundestag und Bundesrat ein Gesetz zur Änderung des Cannabisgesetzes vorgelegt. Die in der Protokollerklärung zugesicherten Änderungen sollen bis zum 1. Juli 2024 umgesetzt werden. Gleichzeitig wird in einem weiteren parallelen Gesetzgebungsverfahren im Straßenverkehrsrecht an der Festlegung der Grenzwerte beim Fahren unter Cannabiseinfluss gearbeitet.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinal-Cannabisgesetzes greift viele Punkte der Länder auf, unter anderem zu Prävention und Jugendschutz. Spannend ist das zweite Gesetz, das im Straßenverkehrsrecht das Fahren unter Einfluss von Cannabis erstmalig regelt. Interessanterweise existierte bisher kein gesetzlicher Grenzwert, richterlich gefestigt hatte sich 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Dieser Richtwert soll nun erhöht werden. Eine dazu einberufene unabhängige Expertenkommission im Bundesverkehrsministerium hält einen Wert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter angemessen.

Übereifriges Urteil

Die Regelung befindet sich zwar noch im Gesetzgebungsverfahren, hatte aber bereits Auswirkungen. Das Amtsgericht Dortmund sprach direkt am 11. April 2024 einen Autofahrer mit 3,1 Nanogramm THC-Gehalt pro Milliliter frei. Die Begründung hat es in sich: Da der Gesetzgeber sowieso bald den neuen Grenzwert in das Straßenverkehrsgesetz übernehmen werde, sei die Empfehlung der Expertenkommission des Bundesverkehrsministeriums als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ ansehen und daher anwenden. Das erscheint juristisch zumindest übereifrig – zumal Kenner politischer Prozesse wissen, wie sehr man sich in der (damaligen) Frühphase eines Gesetzgebungsverfahrens auf die Wahrscheinlichkeit der Verabschiedung eines Gesetzeswortlauts stützen sollte. In diesem Zusammenhang ist eine solche Rechtsprechung in jedem Fall „Neuland“ – und eine Kuriosität der Definition, von Allem, was Recht ist, und was noch wird.

Nach vielen hitzigen Debatten scheint beim „Bubatz“ (O-Ton Christian Lindner) zwischen Bund und Ländern nun alles im grasgrünen Bereich. Die Änderungen befinden sich auf der Zielgeraden. Die Zukunft der Cannabislegalisierung ist vorerst gesichert. Mit Blick auf den aktuellen Sonntagstrend und die Position mancher Parteien könnten die legalen Joints bereits nach der nächsten Bundestagswahl wieder verglimmen. Bis dahin darf aber erstmal fröhlich „gebufft“ und „gelötet“ werden.