Sie wollen rein
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Berliner Verhältnisse
Kreisverband Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf: Hier ringen gleich zwei hochkarätige Politiker um einen Platz. Die Berliner Staatssekretärin und Bevollmächtigte beim Bund Sawsan Chebli (42) will ihn ebenso wie ihr langjähriger Chef, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (55). In einem Interview mit dem „RBB“ gibt Chebli sich kämpferisch: „Ich weiß, dass ich auf der Straße, im Nahkampf überzeugen kann und ich möchte den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zurückerobern.“ Denn der Wahlkreis ist alles andere als eine sichere Nummer für einen SPD-Kandidaten: Seit 2013 holt sich der CDU-Mann Klaus-Dieter Gröhler das Direktmandat. Wer am Ende für die SPD gegen ihn antritt, entscheidet der Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf durch eine Mitgliederbefragung im November.
Dabei ist es nicht einmal Müllers Heimatbezirk – das wäre der Kreisverband Tempelhof-Schöneberg. Dort will allerdings der stellvertretende SPD-Vorsitzende und aktuell Noch-Juso-Chef Kevin Kühnert (31) antreten. Müller sieht das gelassen. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ meint er: „Ich habe als Regierender Bürgermeister so ein großes Themenspektrum, dass ich auch in anderen Wahlkreisen sehr gut sichtbar bin.“ Damit ist in der Frage Müller oder Kühnert aber noch lange nicht alles geklärt: Müller beansprucht für sich zusätzlich den Listenplatz eins der Berliner SPD. Im Landesverband ist man aber weit davon entfernt, ihm diesen automatisch zuzusprechen. Einige Parteikollegen sehen Kühnert auf Platz eins.
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Fridays for Future Goes Bundestag
Die Klimabewegung Fridays for Future (FFF) geht den nächsten Schritt, um sich in der bundesdeutschen Politik zu etablieren: Die Aktivisten Jakob Blasel (19) und Urs Liebau (25) wollen für einen Sitz im Deutschen Bundestag kandidieren – beide für die Grünen. Ex-Bundessprecher Blasel strebt dabei einen Platz auf der Landesliste des schleswig-holsteinischen Landesverbands an. Liebaus Kandidatur ist dagegen schon gesichert. Er tritt auf Listenplatz zwei der Grünen in Sachsen-Anhalt an. Weitere Aktivisten sollen derzeit im Gespräch mit SPD und der Linken sein. In einigen FFF-Basisgruppen herrscht Unmut über die Bestrebungen von Blasel und Liebau. Dort ist man der Meinung, der Druck auf die Politik müsse weiterhin von der Straße kommen. Blasels Erwiderung: „Es braucht Leute, die die Radikalität in die Parlamente tragen.“
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Mohrings schnelles Comeback
Die Thüringer Regierungskrise ist gerade sieben Monate her. Nach der überraschenden Wahl Thomas L. Kemmerichs zum Ministerpräsidenten zog Mike Mohring (48) sich vom Vorsitz der Thüringer CDU-Fraktion zurück und kündigte das Gleiche für sein Amt als Vorsitzender des Landesverbands an. Die CDU Thüringen hat bisher noch keinen neuen Vorsitzenden, da feilt Mohring schon an seinem politischen Comeback: Anfang September hat ihn der CDU-Kreisverband Weimarer Land als Direktkandidat für den Wahlkreis Jena – Sömmerda – Weimarer Land I vorgeschlagen. Mohring schrieb dazu auf seiner Facebook-Seite, dass er „gern für Thüringen und meine Heimatregion in Berlin meine Erfahrungen und mein ganzes Engagement einbringen“ wolle. Johannes Selle (CDU), der seit 2009 das Direktmandat in diesem Wahlkreis hält, gab sich überrascht durch Mohrings Ambitionen. Er sei davon ausgegangen, Mohring habe andere Pläne.
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Tilmann will ran
Wenn der amtierende Juso-Vorsitzende antritt, darf natürlich der Chef der Jungen Union nicht fehlen. Tilman Kuban (33) kündigte bereits im Mai an, kandidieren zu wollen. Als Nachfolger der Parlamentarischen Staatssekretärin Maria Flachsbarth, die nicht mehr antritt, will er den Wahlkreis Hannover-Land II für die CDU erobern. Flachsbarth selbst hatte sich eigentlich eine Frau als Nachfolgerin gewünscht; Kubans Kandidatur gilt allerdings als sicher. Als erster CDU-Kommunalverband im Wahlkreis haben die Barsinghäuser Christdemokraten Kuban Mitte August offiziell als ihren Kandidaten nominiert. Ob das allerdings hilft, das Direktmandat letztlich auch zu gewinnen, ist offen: Hannover-Land II ist seit 1998 fest in SPD-Hand. Seit 2005 hält Matthias Miersch, der bereits eine erneute Kandidatur angekündigt hat, dort das Direktmandat.
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Renner runs for Bundestag – die Zweite
„Sch****e, knapp vorbei ist auch daneben“ ist noch auf Tim Renners (55) Homepage „bundesrenner.de“ zu lesen. Diese Worte leiten das Statement zum verpassten Einzug in den Bundestag 2017 ein. 2021 nimmt der Musikproduzent und frühere Berliner Kulturstaatssekretär einen zweiten Anlauf. Diesmal als Direktkandidat der SPD-Neukölln. Auf seiner Facebook-Seite schreibt er, die frühere Bezirksbürgermeisterin und heutige Familienministerin Franziska Giffey und der Kreisvorsitzende Severin Fischer haben ihn um die Kandidatur gebeten. 2017 unterlag er Klaus-Dieter Gröhler (CDU) im Berliner Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf.
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Bsirske sieht grün
Nach 18 Jahren an der Spitze der Gewerkschaft Verdi legte Frank Bsirske sein Amt als Vorsitzender im September 2019 nieder. Für den 68-Jährigen war das jedoch nicht der Schritt in den Ruhestand: Nun will er für die Wolfsburger Grünen in den Bundestag. Zu seiner angestrebten Kandidatur sagte er der „HAZ“: „Für eine Partei, die unterstreicht, dass das Soziale und das Ökologische einander bedingen, hat es durchaus einen Symbolwert, wenn man als bekannter Gewerkschafter in den Bundestag geht.“ Er sei „durchaus fit“ und könne sich das gut vorstellen.
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Stegner will Berlin aufmischen
Der frühere Landesvorsitzende und amtierende Fraktionsvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein, Ralf Stegner (60), hat seine Ambitionen auf ein Bundestagsmandat bereits Anfang Juli angemeldet. Er will sich im Wahlkreis Pinneberg bewerben. Dafür bringe er neben seiner Erfahrung aus Regierungs- und Parteiämtern in Schleswig-Holstein „Leidenschaft und Kampfkraft sowie 100 Prozent Sozialdemokratie“ mit. Stegner will Ernst Dieter Rossmann beerben, der seit 1998 Bundestagsabgeordneter ist und das Direktmandat für Pinneberg zuletzt 2002 gewann. Seitdem war Rossmann über die Landesliste eingezogen.
Sie wollen nicht mehr
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Genug gemüllert
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (65, CSU) will 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Das will die dpa aus Parteikreisen erfahren haben. Den Schritt soll er damit begründet haben, dass es Zeit für einen Generationenwechsel sei. Müller ist seit 1994 Abgeordneter des Wahlkreises Oberallgäu.
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Stoppermann
Nach 16 Jahren soll Schluss sein. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (66, SPD) will sich nicht erneut für ein Bundestagsmandat bewerben. Im Gespräch mit dem „Göttinger Tageblatt“ begründete er seine Entscheidung: „Nach 30 Jahren als Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag und im Deutschen Bundestag ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, noch einmal etwas anderes zu machen und mir neue Projekte vorzunehmen.“
Nachträgliches Update: Am 25. Oktober 2020 ist Thomas Oppermann überraschend gestorben.
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Lambrecht dreht an der Uhr
Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (55) will sich nicht mehr zur Wahl stellen. In einem Brief an die SPD-Mitglieder der Region schrieb Lambrecht, „dass Politik als Beruf nur auf Zeit ausgeübt werden sollte“. Das teilte der SPD-Kreisverband Bergstraße Anfang September mit. Sie war 1998 erstmals für den Wahlkreis Bergstraße als Abgeordnete in den Bundestag gewählt worden. Eine Sprecherin Lambrechts machte allerdings deutlich, dass es bei dieser Entscheidung nur um die Bundestagskandidatur gehe.
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Suding steigt aus
Katja Suding (44) hat viele mit ihrer Entscheidung überrascht. Sie kündigte auf einem Parteitag der Hamburger FDP an, alle politischen Ämter aufgeben zu wollen. Demnach werde sie weder 2021 zur Bundestagswahl antreten noch erneut für den Landesvorsitz kandidieren. Auch als stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende stehe sie nicht nochmal zur Verfügung. „Für mich ist im nächsten Jahr Schluss“, sagte Suding. Dies sei „keine Entscheidung gegen die FDP, gegen den Landesverband oder gegen eine Person.“ Die Entscheidung sei aus rein persönlichen Gründen gefallen.
Er will nochmal
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Der ewige Schäuble
Einer, der es nicht lassen kann, ist Wolfgang Schäuble (77). Laut Medienberichte will er sich erneut für ein Mandat bewerben. Über eine erneute Nominierung entscheidet der CDU-Kreisverband Ortenau in Baden-Württemberg. Eine Zustimmung gilt als sicher – denn seit 1972 hält Schäuble sein Direktmandat im Wahlkreis Offenburg. Wird er erneut gewählt, feiert Schäuble 2022 sein 50jähriges Jubiläum im Parlament. Bereits 2014 löste er Richard Stücklen (CSU) als Abgeordneter mit der längsten Bundestagszugehörigkeit ab. Stücklen war 41 Jahre MdB.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 132 – Thema: Warten auf grünes Licht. Das Heft können Sie hier bestellen.