Der CDU-Bundesparteitag war historisch: Erstmals standen mit Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn drei Kandidaten für den Bundesvorsitz zur Auswahl. Kramp-Karrenbauers Sieg in der Stichwahl war mit 51,7 Prozent besonders knapp. Selten war das Medieninteresse so groß und die Union bei der Frage nach der Zukunft des CDU-Vorsitzes so gespalten.
Da der CDU-Vorsitz mit der nächsten Kanzlerkandidatur verknüpft wird, war der Parteitag von großer bundespolitischer Bedeutung. Das spiegelte sich auch durch ein hohes Kommunikationsbedürfnis auf Twitter wieder. So twitterten zum offiziellen Hashtag #cdubt18 am Tag der Wahl über 21.000 Nutzer mit circa 55.500 Tweets.
Eine Fieberkurve wie bei einer Reality-Show
Auf den ersten Blick zeigt die Fieberkurve der Twitter-Kommunikation, dass sie eng an die Dramaturgie des Parteitags und insbesondere der einzelnen Wahlgänge gekoppelt ist. Zum Auftakt des Parteitags gegen 09:50 Uhr twitterten bereits 63 Nutzer und versendeten binnen fünf Minuten 65 Tweets. Erstmals wurden im Fünf-Minuten-Intervall um 11:15 Uhr über 100 Tweets versendet (106 Tweets; 69 Nutzern).
Fieberkurve der Twitter-Kommunikation
Die Tweet-Häufigkeit stieg dann an und erreichte gegen 15:45 Uhr mit dem Beginn des ersten Wahlgangs ihren ersten Höhepunkt (522 Tweets; 500 Nutzern). Die Bekanntgabe des Ergebnisses führte gegen 16:15 Uhr zu einer deutlich erhöhten Tweet-Häufigkeit (N=967) und auch die Nutzerzahl stieg (N=792).
Danach sank das Tweet-Aufkommen wieder moderat und lag bei dem Beginn der Stichwahl gegen 16:30 Uhr bei 513 Tweets von 446 Nutzern. Mit der Bekanntgabe von Kramp-Karrenbauers Sieg gegen 17 Uhr wurden 2.003 Tweets von 1.640 Nutzern verfasst. Das war der Tageshöchstwert.
Ab 17:20 Uhr fiel die Tweet-Menge unter 1.000 in den Fünf-Minuten-Intervallen (896 Tweets; 738 Nutzern). Gegen 18 Uhr wurden erstmals weniger als 500 Tweets veröffentlicht (Tweets 456; Nutzer 356). Die Twitter-Kommunikation wurde demnach von den Wahlgängen und der Ergebnisverkündung stimuliert.
Die Fieberkurve ist ungewöhnlich. Bei Twitter-Analysen lässt sich normalerweise eine langanhaltende intensive Empörungskommunikation im Anschluss an die Verkündung von Wahlergebnissen feststellen. Da die Kommunikation nach dem Wahlergebnis schnell beendet wurde, erinnert diese Fieberkurve eher an die von Social-TV-Hashtags, wie beispielsweise die Wahl zum Dschungelkönig.
Viralste Tweets: Empörungskommunikation und Medienkritik
Wie in Social Media üblich, waren die viralsten Tweets eher kritisch. Dabei stand die CDU nicht alleine im Fokus, sondern auch die „Bild“-Zeitung. Der viralste Tweet (N=971) stammte von Abgeordnetenwatch und kritisierte das Sponsoring des Parteitags:
Welche Lobbyisten so beim #cdubpt18 unterwegs sind: pic.twitter.com/IdAlq5AB6B
— abgeordnetenwatch.de (@a_watch) 7. Dezember 2018
Der zweitviralste Tweets (N=541) stammte vom „Bildblog“ und kritisierte die „Bild“ für ihre tendenziöse Berichterstattung im Vorwahlkampf:
Wenn man zum Abschluss der @BILD-Kampagne den Sieger-Tweet für Friedrich Merz schon vorbereitet hat, und dann doch die Frau gewinnt. #CDUbpt18 pic.twitter.com/Q4kfTdUbSW
— BILDblog (@BILDblog) 7. Dezember 2018
Herausforderer Merz wurde von „Bild“ besonders positiv dargestellt („Millionär“), während Kramp-Karrenbauer lediglich als die mit dem „Doppelnamen“ und Spahn als „homosexuell“ etikettiert wurde.
Mediengattungen unterscheiden sich
Werden die viralsten Tweets verschiedener Top-Medien im Bereich politischer Berichterstattung betrachtet, dann dominierte beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein satirischer Tweet (N=301) von „Extra3“:
Und Montag in Dresden …#CDUbpt18 pic.twitter.com/7WIN7u0Xx7
— extra3 (@extra3) 7. Dezember 2018
Mit 190 Retweets stammte der zweitviralste Tweet von der ZDF-Satiresendung „Heuteshow“:
Jens #Spahn verliert die Wahl zum CDU-Vorsitzenden.
Der Gesundheitsminister kann sich jetzt wieder anderen sachfremden Themen widmen. #CDUbpt18— ZDF heute-show (@heuteshow) 7. Dezember 2018
Die „Tagesschau“ sendete den drittviralsten Tweet (N=162):
Kommen und Gehen. 18 Jahre war Angela #Merkel #CDU-Chefin. #CDUbpt18 pic.twitter.com/Y7gBGsUZCR
— tagesschau (@tagesschau) 7. Dezember 2018
Bei den privaten TV-Sendern war die Retweet-Quote sehr gering. Den viralsten Tweet (N=2) sendet Pro7 in Form eines Werbehinweises für eine Samstagabend-Show des Senders:
Die Duelle am Wochenende: ##AKK vs. #Merz beim #CDUbpt18, #S04BVB in der Bundesliga und am Samstag #SarahLombardi gegen Eko Fresh bei #SchlagDenStar. #SdS @EkoFreezy
— ProSieben (@ProSieben) 7. Dezember 2018
Bei der Gruppe der Online-Only-Medien führte die bereits genannte „Bild“-Kritik des „Bildblogs“. Auf Platz zwei lag ebenfalls ein Tweet (N=200) des „Bildblogs“, der die Springermedien grundsätzlich kritisiert:
„Niemals dürfen Journalisten versuchen, Politik zu machen“, sagt Springer-Chef Mathias Döpfner. Außer natürlich man arbeitet beim Springer-Blatt @BILD und ist für Friedrich Merz: https://t.co/Ek530Bfsw6 #CDUbpt18 #Repost pic.twitter.com/LXt94v6Ewl
— BILDblog (@BILDblog) 7. Dezember 2018
Bei den twitternden Tageszeitungen standen sachlich-informierende Tweets im Vordergrund. Der Viralste stammt von der „FAZ“ (N=34):
++ EIL ++ Annegret Kramp-Karrenbauer (@_A_K_K_) wird zur neuen #CDU-Vorsitzenden gewählt: https://t.co/vdnDpBgfJI #CDUbpt18 #CDUParteitag
— FAZ.NET (@faznet) 7. Dezember 2018
Danach folgte ein Tweet des „Tagesspiegels“ (N=25):
Nach dem zweiten Wahlgang:
517 Stimmen für Annegret Kramp-Karrenbauer
482 Stimmen für Friedrich Merz
Der #CDUVorsitz geht also an Annegret Kramp-Karrenbauer. #CDUbpt18— Tagesspiegel (@Tagesspiegel) 7. Dezember 2018
Fazit
Die Fieberkurve der Twitter-Kommunikation zum CDU-Bundesparteitag zeigt, dass die Tweet-Häufigkeit insbesondere durch die Dramaturgie des Parteitages geprägt war. Eine langanhaltende Anschlusskommunikation an das Wahlergebnis stand nicht im Vordergrund. Zwar kam eine deutliche Enttäuschung in vielen viralen Tweets über das Wahlergebnis zur Sprache, aber auffälliger war die Kritik an der Medienberichterstattung der Springermedien.
Es zeigt sich, dass virale Tweets nicht zwangsläufig Häme und Spott gegenüber politischen Entscheidungen oder Wahlergebnissen ausdrücken müssen, sondern auch ein ernsthaftes korrektiv gegenüber bestimmten „Meinungspflegern“ der Öffentlichkeit sein können.
Bei den Retweet-Quoten differenziert nach der Mediengattung wird deutlich, dass vor allem satirische Tweets öffentlich-rechtlicher TV-Sender dominieren. Bei Online-Only dominiert die Springerkritk. Besonders sachlich sind Tweets der Tages- und Wochenzeitungen und Tweets privater TV-Sender spielen kaum eine Rolle.