Wann drehen Sie endlich eine Polit-Serie, Herr Hofmann?

p&k: Herr Hofmann, Polit-Serien wie „House of Cards“ oder „Borgen – Gefährliche Seilschaften“ stehen bei den Deutschen schon länger hoch im Kurs. Auch bei Ihnen?

Nico Hofmann: Natürlich schaue ich diese Serien, ich muss das sogar, weil sie lustvoller Bestandteil meiner Arbeit sind. Sie funktionieren so gut, weil sie einen dramatischen Kern haben und keine Eins-zu-Eins-Abbildung von Vorgängen sind, die man aus den Nachrichten kennt. Wir als Produktionsfirma haben uns jetzt zwei Mal auf politische Themen gestürzt, einmal im vergangenen Jahr mit der Guttenberg-Satire „Der Minister“, die sehr gut gelaufen ist (4,44 Millionen Zuschauer, 14 Prozent Marktanteil, Anm. d. Red.), und vor Kurzem mit dem Film über den Rücktritt von Christian Wulff. Hier haben wir auf eine sehr seriöse Art und Weise versucht, durch das Schlüsselloch der Mächtigen zu schauen.

Leider wollten den Film über die letzten 68 Tage von Christian Wulff als Bundespräsident, der auf Sat.1 lief, nur 2,87 Millionen Zuschauer sehen. Das entsprach einem mageren Marktanteil von 8,8 Prozent.

Die Quote war sehr okay und sie war schon gar nicht so schlecht, wie sie heruntergeschrieben wurde, sondern lag genau im Bereich dessen, was Sat.1 an einem Dienstagabend üblicherweise an Marktanteil erreicht. Der Film wurde in über 260 Artikeln ausführlich besprochen und hatte damit fast mehr mediale Berichterstattung als der Rücktritt selbst. Imagemäßig hat er sich für Sat.1. ausgezahlt. Mit dem Genre Doku-Fiction bekommt man selten mehr als drei Millionen Zuschauer. Ich habe drei Millionen gewollt, und diese Marke haben wir nur knapp verfehlt. Zum Vergleich: Sat.1 hat im Moment einen Gesamt-Marktanteil von acht Prozent.

Was konnte der Film nicht, was „House of Cards“ kann?

Im Vergleich zu den Polit-Serien war unsere Herangehensweise eine völlige andere: Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ etwa hat geschrieben: „Christian Wulff ist nicht Kevin Spacey.“ Das stimmt natürlich. Die Amerikaner haben ein ganz anderes Pathos im Umgang mit Politik. Das lässt sich schon an dem zeremoniellen Rahmen ablesen, in dem der US-Präsident vereidigt wird. Auch zu Themen wie Militär und Patriotismus haben sie ein völlig anderes Verhältnis als die Deutschen.

Dennoch zeigen Serien wie „Borgen“, dass sogar ein kleines Land wie Dänemark großes Polit-Kino hervorbringen kann…

Ja, das sind erfreulicherweise Einzelfälle. Bei dem Guttenberg-Film ist uns das ja auch gelungen, auch dank der wunderbaren Drehbuchvorlage von Dorothee Schön, die Guttenberg als reine Erfindung eines Ghostwriters inszenierte. Das zeigt: Immer wenn Sie Geschehnisse überhöhen, kommt das beim Publikum an. Bei einer realistischen Betrachtung finden die Zuschauer das Programm schnell langweilig. Hätte ich aus dem Wulff-Film das Drama eines Sturzes gemacht und die Ehe der Wulffs stärker in den Vordergrund gerückt, wären wahrscheinlich eine Million Zuschauer mehr dabei gewesen. Ich glaube aber, dass es demnächst den Versuch geben wird, so etwas wie „Borgen“ auf Deutsch zu erzählen.

Mit Ihnen als Produzent?

Nein, konkret plane ich momentan keine derartige Serie. Ich habe noch nicht die richtige Melodie gefunden, um die Deutschen dafür zu begeistern.

Aber so schnell geben Sie doch sicher nicht auf…

Stimmt. Die größte Serie, die wir im Moment für RTL machen, heißt „Deutschland“. Sie erzählt die Geschichte eines jungen Spions, der zur Zeit der Pershing-Nachrüstung vom Osten in den Westen geschickt wird. Das ist eine komplett politische Serie; viele Szenen werden im Bundestag und im Verteidigungsministerium spielen. Drehstart ist im Herbst in Bonn. Für mich ist das eine Blaupause im Spionage-Krimi-Format in Richtung „Borgen“: Wir wollen damit probieren, ob wir unter diesem Label extrem politische Themen aus Deutschland transportieren können. Wenn uns das gelingt, fühle ich mich mit Sicherheit bereit, einen Schritt weiter zu gehen.

Wie wäre es mit einer Satire-Serie?

Viele Zuschauer fanden ja Katharina Thalbach in der Rolle der Angela Merkel im Guttenberg-Film toll. Ich würde gern mit ihr eine Angela-Merkel-Serie machen, in der die Kanzlerin quasi nur in ihrer Altbauwohnung und im Supermarkt privat porträtiert wird. So etwas kann ich mir humorvoll gut vorstellen.

Gibt es denn schon Gespräche mit Sat.1 über eine solche Merkel-Serie mit Katharina Thalbach?

Ja, weil die Idee zu der Figur ja direkt dem Guttenberg-Film entstammt.

Gerade bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gibt es allerdings bisher kaum Bemühungen, Polit-Fiction-Formate zu entwickeln. Liegt es vielleicht daran, dass die Deutschen zu konservativ sind für innovative Fernsehformate?

Diese Debatte kann ich kaum noch hören. Wir hatten einen Riesenerfolg mit dem ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“. Der Film wird in 110 Ländern ausgestrahlt und ist damit der größte Verkaufserfolg der deutschen Fernsehgeschichte. Dabei war das Programm radikal. Es stimmt einfach nicht, dass die Deutschen nicht mit Radikalität umgehen können. Im Gegenteil, meistens kommt der Mittelweg nicht an. Die Leute sind gelangweilt, wenn sie das Gefühl haben, dass die Geschichten nicht radikal durchgezogen sind.

In einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von 2012 klangen Sie noch anders. Damals sagten Sie: „Ich will alle erreichen. Aber je radikaler ein Film gemacht ist, um so weniger klappt es“.

Ich bin ein Freund davon zu definieren, welche Zielgruppe man erreichen will. Wir machen die Programme spezifischer denn je. Beim Wulff-Film war uns sofort klar, dass wir im öffentlich-rechtlichen TV damit mehr Zuschauer erreicht hätten, weil die Machart eher auf ein sehr gebildetes und älteres Publikum zugeschnitten war.

Dennoch wollten Sie nicht warten, bis ARD oder ZDF für den Film bereit gewesen wären…

Ich habe mit den Redaktionen geredet und musste akzeptieren, dass weder ARD noch ZDF in das laufende Gerichtsverfahren gegen den Bundespräsidenten eingreifen wollten. Sie wollten keinen Film in die mediale Debatte setzen. Abgesehen davon kann ich mich jedoch überhaupt nicht ansatzweise beklagen, die Sachen nicht so machen zu können, wie ich will. Ich glaube, dass bei allen Sendern schon lange ein Umdenken stattfindet. Sie wissen, dass sie sich umorientieren und auf neue Wege begeben müssen, weil sie sonst sie die jüngeren Zuschauer komplett an andere Märkte verlieren.