„Die Saarländer haben genug von Müller“

p&k: Herr Maas, Sie führen einen Zweifrontenkampf mit Landesvater Peter Müller auf der einen und der saarländischen Kultfigur Oskar Lafontaine auf der anderen Seite. Ist der Wahlkampf vor dieser Wahl besonders schwierig?
Heiko Maas: Natürlich ist das ist ein besonderer Wahlkampf. Zum einen, weil er mitten in der Wirtschaftskrise stattfindet. Da wollen die Leute keine Sprüche hören, sondern Lösungen für ihre existenz­i­ellen Probleme. Zum Zweiten, weil nach den Umfragen ein Regierungswechsel wahrscheinlich ist. Und natürlich wird die Saarland-Wahl auch wegen der Kandidatur von Lafontaine bundesweit be­obachtet.

Der Wahlkampf steht auch unter besonderen Vorzeichen, weil er vier Wochen vor der Bundestagswahl liegt. Da erwartet Ihre Bundespartei einen Erfolg. Ist das für Sie eine zusätzliche Bürde?
Vor allen Dingen erwarten wir von uns selbst einen Erfolg, weil wir einen Politikwechsel im Saarland wollen. Peter Müller wollte den Wahltermin so kurz vor der Bundestagswahl. Da hat anscheinend jemand Angst vor einem zu intensiven Wahlkampf, sonst sucht man sich einen solchen Termin ja nicht aus. Unser Vorschlag war ein Wahltermin mit der Bundestagswahl. Das hätte Kosten gespart und automatisch eine sehr hohe Wahlbeteiligung mit sich gebracht. Aber Herr Müller scheut anscheinend zu viele Wähler.

Haben Sie schon mit Franz Müntefering durchgesprochen, welche Koalitionskonstellationen gewünscht sind?
Da gibt’s überhaupt keinen Dissens – Koalitionen werden in den Ländern entschieden. Und zwar nach der Wahl. Wir im Saarland vertreten schon seit langem die Auffassung, dass man sich vor Wahlen nicht selbst zu vieler Koalitionsoptionen berauben sollte. Wer das immer noch nicht kapiert hat, dem kann ich nur einen Blick nach Hessen empfehlen, um zu sehen, wohin das führen kann. Bei einer Wahl sollte man sich bemühen, das bestmögliche Ergebnis für die eigene Partei rauszuholen. Anschließend schaut man, welche Koalitionen möglich sind.

Haben Sie denn eine Wunschkoalition?
Ich habe mir abgewöhnt, in der Politik von Wunschkoalitionen zu sprechen, weil ich zu oft die Erfahrung gemacht habe, dass das, was man emotional selbst als Wunsch empfunden hat, in der Realität nicht das Beste gewesen ist. Sicherlich treten wir nicht an, um die Amtszeit von Peter Müller zu verlängern, sondern um sie zu beenden. Das heißt: Wir hätten schon gerne eine Konstellation, in der die SPD den Ministerpräsidenten stellt – und wir unsere sozialdemokratische Politik durchsetzen können.

Wenn man den Umfragen glaubt, wollen die Saarländer einen Wechsel. Der aber ist nur denkbar, wenn Rot-Rot zusammen geht.
Das schließen wir nicht aus, sofern wir die Regierung anführen. Wichtig ist für uns, dass wir einen Politikwechsel hinbekommen. Insbesondere bei der Bildungspolitik, einem wichtigen landespolitischen Thema. Bei uns wurden Grundschulen geschlossen und ein völlig vermurkstes achtjähriges Gymnasium und Studiengebühren eingeführt. Da gibt es Änderungsbedarf. Ich glaube, die Menschen im Saarland wollen Lösungen für ihre Probleme und keine Koalitionsdebatten. Da muss man einen inhaltlichen Wahlkampf machen. Ich will ein faires, modernes Saarland, in dem es sich wieder lohnt, zu leben, zu lernen und zu arbeiten. Dafür stehe ich, dafür kämpfe ich leidenschaftlich.

In Ihrer Partei gibt es aber Stimmen, die Klarheit darüber fordern, welche Koalition Sie wollen. Oskar Lafontaine hat gesagt, dass sowieso schon zwischen der CDU und Ihnen abgesprochen sei, was zu tun ist, wenn die SPD nur dritte Kraft wird.
Da müssen wir schon mal auf die Fakten gucken: Es gibt ja bis auf eine ominöse Umfrage von Forsa überhaupt keine Umfrage, in der die Linkspartei vor uns liegt …

Warum ominös?
Weil es die einzige Umfrage mit diesem Ergebnis ist. Kein anderes Institut hat das sonst jemals festgestellt. Ich halte diese Umfrage für nicht seriös. Wir richten den Blick nach vorne zur CDU, und nicht nach hinten zur Linkspartei. Wir werden uns nicht mit der Linken um Platz zwei streiten, sondern wir werden mit der CDU um Platz eins kämpfen.

Aber ist es denn richtig, dass es schon Gespräche gegeben hat?
Worüber?

Über eine Große Koalition. Das hat Lafontaine doch gesagt.
Das stimmt genauso wenig wie das meiste, das Oskar Lafontaine sagt. Das ist nur Theaterdonner, mit dem er von seinen eigenen Problemen ablenken will. Lafontaine will zwar die Stimmen der Menschen, nicht aber ihre Probleme lösen.

Warum tun Peter Müller und Oskar Lafontaine eigentlich so, als ob es sich um einen Zweikampf zwischen Müller und Lafontaine handeln würde?
Das ist eine oberflächliche Betrachtungsweise von vor etwa sechs Monaten. Mitt­lerweile setzt die SPD die Themen, die Union führt eine eher hilflose Kampagne gegen die SPD, und Lafontaine findet überhaupt nicht statt. Meine Beobachtung ist: Die Saarländer haben von Müller genug. Den Makel des Bildungsmurkses und der verpassten Chancen bekommt er nicht mehr los. Und die Linkspartei unter Lafontaine hat kein substanzielles Interesse am Saarland. Es geht ihnen um Bundesthemen wie Hartz IV oder die Rente mit 67. Lafontaine spielt bloß. Er spielt mit der Linkspartei, aber auch mit anderen. Für ihn wäre vier Wochen vor der Bundestagswahl ein ordentliches Wahlergebnis im Saarland ein schöner Vorlauf für die Bundestagswahl. Nur darum geht es ihm und um sonst nichts.

Nehmen Sie ihm nicht ab, dass er wieder Ministerpräsident werden will?
Nein! Und jeder der ihn kennt, sieht das genauso. Wir haben es mit einer absoluten One-Man-Show zu tun, von jemandem, der vier Wochen nach der Landtagswahl auf einem sicheren Listenplatz wieder für den Bundestag kandidiert und sich garantiert wieder verabschieden wird. Deshalb ist die Kandidatur von Oskar Lafontaine ein einziger großer Fake.

Und wenn die Linke doch zweitstärkste Kraft werden sollte?
Warum sollte ich mit Ihnen über einen theoretischen Fall Diskussionen führen, für den es keinerlei Anhaltspunkte in der Realität gibt? Die allgemeine Situation der Linkspartei hat sich in den letzten Monaten nicht gerade verbessert. In der Krise ist es für sie eher schwerer geworden, zu punkten. Die Leute haben existenzielle Probleme, Angst um ihren Arbeitsplatz. Sie sind sich ziemlich sicher, dass die Sprüche der Linkspartei ihren Arbeitsplatz nicht erhalten. Stattdessen gibt es eine Rückbesinnung auf Verantwortlichkeit und Glaubwürdigkeit. In diesen Punkten hat die Linkspartei wenig zu bieten.

Als Oskar Lafontaine noch in der SPD war, haben Sie mit ihm eng zusammengearbeitet. War sein Parteiaustritt für Sie eine menschliche Enttäuschung?
Natürlich. Es war ja nicht nur so, dass er 1999 kurz vor den Landtagswahlen seine Ämter hingeschmissen hat, was uns die Wahl verhagelt hat. Als ich 2004 Spitzenkandidat war, haben wir noch einmal versucht, ihn in den Wahlkampf einzubinden. Exakt vier Wochen vor der Landtagswahl hat er sich aus dem Wahlkampf verabschiedet, weil er für eine drohende Wahlniederlage nicht den Kopf hinhalten wollte. Zugleich hat er den Abgang zur Linkspartei, damals noch PDS, angekündigt. Wenn man so etwas zweimal erlebt, dann weiß man, woran man ist.

Sie werben mit dem Slogan „Heiko Maas, der neue Mann“, auf ihrer Webseite geben Sie sich kantig, mit Dreitagebart. Ist das der Versuch, das Image des ewigen Nachwuchspolitikers los zu werden?
Wir wollen auch optisch deutlich machen, dass zwei der dreien, die zur Wahl stehen, aus der Vergangenheit kommen, Lafontaine und Müller, der eine ist von gestern, der andere von vorgestern …

Lafontaine ist von gestern?
Lafontaine ist von vorgestern, Müller von gestern. Maas ist einer, der von heute ist und die Zukunft fest im Blick hat. Und das wollen wir auch mit Zukunftsthemen deutlich machen. Gute Arbeit, faire Bildungschancen. Ein Thema ist die echte Ganztagsschule. Die CDU verteufelt das. Dabei ist es die CDU, die dafür verantwortlich ist, dass mit einem vermurksten G-8 die Zukunftschancen der saarländischen Kinder immer schlechter werden. Wir wollen, dass es den Kindern in der Schule gut geht – und nicht den Nachhilfeinstituten.

Sie treiben viel Sport und nehmen an Triathlon-Wettkämpfen teil. Lässt der Wahlkampf dafür Zeit?
Der Wahlkampf funktioniert nur, wenn man einigermaßen fit ist und Kondition hat. Triathlon geht schon ein bisschen ins Extreme, aber es ist für mich auch eine gute Art, Aggressionen abzubauen, die sich zwangsläufig in der Politik anstauen.

Gibt es eine bestimmte Person, die für Ihre Aggressionen verantwortlich ist?
Es gibt niemanden, der ein Abo darauf hat, mich aggressiv zu machen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Anpacken, Mädels! Es gibt noch viel zu tun.. Das Heft können Sie hier bestellen.