Geleimt?

Pro & Kontra

Pro
von Konrad Göke

Wie stehst du zu den Aktionen der „Letzten Generation“? Diese Frage kann man in Deutschland jedem stellen. Bei allem Streit über Aktivisten, die sich auf Straßen und Landebahnen festkleben und Lebensmittel auf Kunstwerke werfen – in einem sind alle sich einig: Ihre gewünschte Aufmerksamkeit haben die Öko-Aktivisten erhalten. Sie dürfen sich in Fernsehstudios, Podcasts und Streitgesprächen im Feuilleton erklären. Gerät ihr eigentliches Anliegen – nämlich der Klimaschutz – deshalb unter die Räder? Ich glaube das nicht.

Natürlich kann man einwenden, dass wir mehr über die Aktivisten sprechen als über ihr Ziel. Vor allem wird diskutiert, wie ihre Aktionen verhindert werden können. Muss der Staat härter durchgreifen? Müssen Museen (und Flughäfen!) ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärken? Mit Klimaschutz hat all das nichts zu tun. Doch diese Betrachtung greift zu kurz.

Die Forderungen der „Letzten Generation“ werden nicht erfüllt werden. Sie versuchen, sich ein Treffen mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz zu erpressen, der gefälligst ihre politischen Forderungen umsetzen soll: 9-Euro-Ticket jetzt! Tempolimit jetzt! Diese Einstellung strotzt vor Demokratieverachtung und Unkenntnis.

Gleichzeitig wirft sie ein neues Licht auf viele, die vorher auf taube Ohren gestoßen sind. Umweltaktivisten wie jene von Fridays/Scientists for Future sind für viele in der trägen gesellschaftlichen Mitte plötzlich nicht mehr Radikale, die man bequem unter Verweis auf ihr Alter oder ihre wissenschaftlichen Scheuklappen ignorieren kann. Sie sind ernsthafte Ansprechpartner, die konstruktiv auf jene zuzugehen, die Klimaschutz wirklich umsetzen können: die Politiker. Hinter all dem Lärm um die Aktivisten verschiebt sich etwas. Der Klimaschutz kommt auf der politischen Agenda an.

Kontra
von Judit Čech

Egal wo sie sich nun festkleben – ob Autobahn, Flughafen oder Museum – , die „Letzte Generation“ schafft es auf alle Titelseiten. Großartig, oder? Endlich bekommt das Thema Klimaschutz die nötige Aufmerksamkeit. Doch weit gefehlt! Denn ausgerechnet dieses Thema bleibt nicht haften! Im Großen und Ganzen liest man nicht mehr über den Klimaschutz als vor den Aktionen.

Klimaschutz ist wieder einmal nur ein Randthema. Diskutiert wird lieber darüber, wie furchtbar es ist, wenn ein paar Menschen zu spät zur Arbeit kommen. Einige Politiker versuchen, sich mit immer absurderen Forderungen („Härtere Strafen!“) und Vergleichen („Grüne RAF!“) gegenseitig zu überbieten. Aber davon, dass die FDP endlich beim Thema Tempolimit einlenkt, ist nichts zu hören.

Auch aus der Gesellschaft ist kein Hauch der Solidarität zu spüren, wie beispielsweise bei den Streiks der Lokführergewerkschaft. Die Aktionen der „Letzten Generation“ haben bisher nur erreicht, den Missmut derjenigen maximal zu steigern, die sich ohnehin nicht für den Klimawandel interessieren. Die mögen sich auch jetzt nicht damit beschäftigen, wie eigentlich das Leben der Enkel auf dieser Erde aussehen soll. Sie können sich zurücklehnen und verächtlich auf diese Öko-Radikalen schauen.

Man muss aber auch fragen, was die Aktivisten eigentlich mit ihrem Protest erreichen wollen. Jahrelang wurde unermüdlich und richtigerweise von Klimabewegungen darauf hingewiesen, dass der große Wurf beim Klimaschutz nur durch die Politik erfolgen kann und nicht dadurch, dass sich Einzelne maximal einschränken. Und nun kommt die „Letzte Generation“ und gibt dem Bürger im Stau doch wieder das Gefühl, er und sein Auto wären alleine für diese Katastrophe verantwortlich. Man kann es nicht anders sagen: Diese Aktionen schaden dem Klimaschutz weit mehr, als dass sie ihm nützen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 141 – Thema: Interview mit Norbert Lammert. Das Heft können Sie hier bestellen.