Wo steckt eigentlich… Rudolf Scharping?

Politik

Welches war der zweitgrößte Fehler Ihrer Politikkarriere?

Rudolf Scharping: Mit meinem politischen Leben bin ich zufrieden. Vor 25 Jahren haben wir in Rheinland-Pfalz begonnen, Weichen für eine gute Zukunft zu stellen – das trägt bis heute. Meine Partei, vor allem ihre Bundestagsfraktion zu führen, war eine manchmal anstrengende Ehre. Das gilt auch für die Bundeswehr. Nun führe ich mein eigenes Unternehmen. Jede Bilanz hat ihr Haben und Soll, ihre Erfolge und Fehler. Diese Gelassenheit hat mir früher manchmal gefehlt.

Wie sieht eine typische ­Rudolf-Scharping-Woche aus?

Spannende Gespräche, herausfordernde Projekte – und Flüge in Deutschland, Europa und China. Wir beraten Unternehmen zu ihrer künftigen Entwicklung in China – und chinesische Unternehmen, die verstärkt nach Deutschland kommen. Wir entwickeln Strategien, helfen bei der Implementation und deren Überwachung und investieren in Start-ups.

Welche Politiker-Skills helfen dabei?

Die Anforderungen an gute politische Führung und Unternehmensführung unterscheiden sich nicht wirklich. Sie müssen in der Lage sein, langfristige Ziele und mögliche Schritte zu kombinieren, schnell in fremden Strukturen Chancen erkennen und analysieren, innovativ und ideenreich sein – und eine gewisse Risikofreude mitbringen, daran fehlt es hier und da in der Politik.

Sind Sie froh, keine politische Verantwortung mehr zu tragen?

Froh? Das ist nicht meine Kategorie. Als Staatsbürger schaue ich aber natürlich besorgt, was in Deutschland stattfindet – oder eben auch nicht. Oft gibt es zu viel Klein-Klein. Zukunftsaufgaben wie Infrastruktur, Bildung und Innovation, Informationstechnik und Integration leiden darunter und später dann Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. Wir leben in einem sehr guten Land – und ich vermisse manchmal den selbstverständlichen Stolz darauf.

Fehlt Politikern Verständnis für ökonomische, globale Zusammenhänge?

Nicht bei den wirtschaftlichen, kulturellen oder politischen Eliten. Insgesamt sollte der Austausch zwischen unternehmerischer Erfahrung und politischer Praxis aber deutlich intensiver sein. Nur zum politischen Diskurs gehören auch Unternehmen, gesellschaftliche Organisationen, Medien – wenn man sich das alles anschaut, dann sind dort viele Fragen unterbelichtet.

Ist der Dialog über sozia­le Medien nicht intensiver denn je?

Moderne Kommunikationsräume und -medien verändern eine Menge, eines aber nicht: Persönliches Vertrauen entsteht durch persönlichen Kontakt. Wichtig ist, dass Politik zwischen den Alltagserfahrungen und -ängsten von Bürgern und internationalen Zusammenhängen eine wesentlich bessere Brücke bauen muss. Weil die Leute das Gefühl haben, dass Politik abgehoben ist. Und das ist noch eine charmante Umschreibung der Vorurteile und Vorbehalte, die in einem bestimmten Teil der Bevölkerung herumgeistern. Dann muss man eben zu den Leuten hin und mit ihnen reden.

Was heißt das für die SPD?

Die SPD hat das Potenzial von über 30 Prozent – dieses auszuschöpfen, geht mit innerparteilichem Gezerre und Klein-Klein eben nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe politik&kommunikation II/2016 Leadership. Das Heft können Sie hier bestellen.