Wo steckt eigentlich… Günther Beckstein?

Politik

Haben Sie manchmal noch Lust auf Politik?

Wer gern Kontakt zu Menschen hat, für den gibt es keinen schöneren Beruf, auch wenn Journalisten und Wähler enorm fordernd sein können. Offen gestanden möchte ich aber keine Verantwortung mehr tragen. 20 beziehungsweise 40 Jahre in Regierungsämtern und als Abgeordneter waren toll, nun bin ich froh, im Ruhestand zu sein und nicht mehr versuchen zu müssen, die Welt zu ändern. Politik ist immer Macht auf Zeit, und es kann aus gerechten aber auch ungerechten Gründen schnell zu Ende gehen. Es gibt eben auch den Typus, der sich festkrallt, weil er meint, dass die Welt ohne ihn untergeht.

Sie nicht…

Ich arbeite nur noch an Dingen, die mir Freude machen. Meistens sitze ich ab neun Uhr am Schreibtisch, bin manchmal unterwegs, aber alles ohne Hektik. Viele kirchliche Ehrenämter gebe ich der Reihe nach ab, bin noch in Stiftungen und Vereinen. Beruflich berate ich noch an der Schnittstelle von Politik, Recht und Verwaltung mit ein paar Mandaten.

Sind Sie stolz auf Ihre Karriere?

Mit dem Begriff bin ich sehr zurückhaltend, Dummheit und Stolz wachsen bekanntlich auf einem Holz. Gerade im Bereich innere Sicherheit gibt es schon die Genugtuung, dass wir eine Menge geleistet haben, das ich auch wieder so machen würde und mittlerweile Konsens ist. Manches auch nicht – insgesamt sehe ich das alles mit großer Gelassenheit. Man tritt Vertretern anderer Parteien mit einer ganz anderen Mentalität gegenüber als im unmittelbaren Tageskampf und merkt, dass es auch dort teilweise ganz sympathische Menschen gibt…

Claudia Roth beispielsweise?

Sie hat ja ganz andere Anschauungen, alles, was sie sagt, halte ich für falsch, wie sie es sagt, nervt mich. Aber ich habe hohen Respekt, sie ist authentisch und bringt sich total ein, ist keine Schauspielerin und meint es immer ehrlich. Auf dieser Basis ertragen wir sehr unterschiedliche Meinungen.

Wen fragen Sie um Rat?

Zuallererst meine Frau, das war auch in aktiven Politikerzeiten so. In Minis­terien und in der Staatkanzlei konnte ich mich immer auf meine Mitarbeiter verlassen. Das war ein Segen. Das vermisse ich heute, auch wenn reizvoll ist, vorzutragen, was man selbst erarbeitet hat und nicht vielfach vorgedacht ist.

Haben Sie Sorge um das politische System?

Wenn man lange im Amt war, kennt man alles und das Gegenteil von allem. Ich habe schon Sorge, wenn Linke und AfD über 35 Prozent holen, wenn eine Große Koalition keine Mehrheit mehr hat. Als Schüler von Strauß weiß ich: Rechts von der Union darf es keine demokratische Partei geben. Das ist im CDU-Bereich außer Gefecht gesetzt.

Die CDU müsste mehr auf ihre Schwesterpartei hören?

Die Einschätzung der CSU ist jedenfalls sehr viel richtiger als die der Kanzlerin. Sie hat ja Änderungen an ihrer Politik vorgenommen, aber sie kommuniziert so, als würde sie dasselbe machen wie vor einem Jahr – was ganz offensichtlich nicht der Fall ist.

Wen würden sie auf eine einsame Insel schicken?

Niemanden – ich weiß ja selbst, wie dringend ich Kommunikation brauche, das wäre Folter.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe politik&kommunikation III/2016 US-Wahl/International. Das Heft können Sie hier bestellen.