[no-lexicon]p&k: Herr Frenzel, die Sommerpause steht vor der Tür. Haben Sie eine Urlaubsempfehlung für Abgeordnete, die im Urlaub keinen Lobbyisten treffen wollen?
Michael Frenzel: Nein. Überhaupt würde ich mich hüten, eine Urlaubsempfehlung für MdBs abzugeben.
Warum?
Weil in der Tourismusbranche der Trend dahin geht, die Urlaubsangebote nach bestimmten Lifestyle-Typen zu differenzieren. Da gibt es zum Beispiel den Lifestyle-Typ Naturfreund oder den Lifestyle-Typ Abenteurer. Den Lifestyle-Typ MdB gibt es aber nicht. Oder anders gesagt: In ihren Ansprüchen an ihren Urlaub spiegeln die Volksvertreter den Querschnitt der Bevölkerung wider. Manche klettern in ihrer Freizeit gern, andere wollen vor allem am Strand liegen und ihre Ruhe haben. Das sind alles legitime Bedürfnisse, die man kennen muss, um eine Urlaubsempfehlung abgeben zu können.
Ein Thema, das Politiker wie Lobbyisten mit Blick auf den Urlaub sicherlich gleichermaßen umtreibt, ist die Frage der Erreichbarkeit. Der Erholung dürfte es eher abträglich sein, wenn dauernd das Smartphone summt.
Das stimmt. Ich mache aber die Beobachtung, dass die allgemeine Fixiertheit aufs Smartphone etwas nachgelassen hat – zumindest im Urlaub. Das halte ich für eine sehr positive Entwicklung. Es gibt ja sogar Unternehmen, die ihren Mitarbeitern verbieten, im Urlaub die eingegangenen E-Mails zu lesen.
Wie halten Sie es denn selbst damit?
Ich kontrolliere im Urlaub morgens meine E-Mails, ansonsten versuche ich vor allem, mich selbst zu kontrollieren. Ich halte es zum Beispiel für eine absolute Unsitte, Mails abzurufen, wenn man mit anderen beim Mittagessen zusammensitzt.
Mit Urlaub verbindet wohl jeder etwas Schönes. Zugleich ist Tourismus aber auch ein handfester Wirtschaftsfaktor.
Richtig. Und genau darin sehe ich die zentrale Aufgabe meines Verbandes und seiner Mitgliedsunternehmen, klar zu machen, welch zentrale volkswirtschaftliche Bedeutung wir haben. Die Zahlen liegen ja auf dem Tisch: fast drei Millionen Beschäftigte und mehr als vier Prozent des BIP. Damit sind wir mit Branchen wie dem Maschinen- oder Automobilbau auf Augenhöhe.
Dennoch werden diese stärker wahrgenommen. Woran liegt das?
Daran, dass die Tourismusbranche sehr kleinteilig, überaus unterschiedlich strukturiert und zudem breit aufgestellt ist. Der Verband muss die Interessen von Hotelgewerbe und Gaststätten, über Reiseveranstalter bis hin zu verschiedensten Mobilitätsanbietern zu Land, Wasser und Luft bündeln und gegenüber Politik und Öffentlichkeit darstellen, wie bedeutsam dieser Wirtschaftszweig ist. Das ist seine wichtigste Aufgabe, aus der sich ein konstruktiver Dialog ableitet, wie man nachhaltiges Wachstum sicherstellt und Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen.
Pyrrhussieg „Mövenpicksteuer“
Mit der Großen Koalition scheint dieser Dialog aber nur bedingt zu gelingen – die im Koalitionsvertrag festgelegten Vorhaben wie Mindestlohn, PKW-Maut oder Luftverkehrsteuer können Ihnen nicht gefallen. Ärgert Sie das oder spornt es Sie eher an?
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Tourismusbranche spiegelt sich im Koalitionsvertrag in der Tat leider nicht wider. Wir haben aber im Vorfeld erfolgreich deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass es weiterhin einen Tourismusausschuss und eine Tourismusbeauftragte gibt. Erfreulich auch, dass mit Frau Gleicke nun eine Staatssekretärin dieses Amt ausübt. Derzeit sind wir dabei, im Einzeldialog mit ihr, dem Bundeswirtschaftsminister und dem Tourismusausschuss, aber auch mit anderen für die Branche wichtigen Ressorts und Ausschüssen den Themenkanon abzuarbeiten.
Was heißt das konkret?
Bei der PKW-Maut muss sich zeigen, ob sie überhaupt wie geplant umgesetzt werden kann. Dass die Luftverkehrssteuer weiterhin existiert, obwohl sie deutsche Unternehmen einseitig belastet, hat in erster Linie fiskalische Gründe. Dabei hat auch ein großer Teil der Politik verstanden, dass die Steuer dem Standort Deutschland schadet.
Gilt das auch mit Blick auf den gesetzlichen Mindestlohn, der am 4. Juli vom Bundestag verabschiedet werden soll?
Nun, wir haben im Vorfeld unsere Position dazu deutlich gemacht. Jetzt kommt es darauf an, dass die Umsetzung so schonend wie möglich erfolgt und vor allem in strukturschwachen Regionen die Wettbewerbsfähigkeit gewahrt bleibt. Darauf hat vor allem unser Mitgliedsverband DEHOGA …
… der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband …
hingewiesen, der vom gesetzlichen Mindestlohn im Tourismusbereich, vor allem gilt dies in den neuen Bundesländern, am stärksten betroffen ist.
Ist es eigentlich bei der politischen Interessenvertretung ein Vorteil oder ein Nachteil, dass der BTW so breit aufgestellt ist?
Lassen Sie es mich so sagen: Die Interessenvertretung ist komplexer, weil sie nicht nur die Bundesregierung als Adressaten hat, sondern alle politischen Ebenen. So haben wir auf kommunaler Ebene die Bettensteuer, auf Landesebene geht es um die gewerbesteuerliche Hinzurechnung, die kleine und große Unternehmen im Markt trifft. Und in Brüssel entsteht gerade eine Pauschalreiserichtlinie, die wir in dieser Form nicht sachgerecht finden. Da kommt es uns zugute, dass wir ein eigenes Büro in Brüssel haben.
Wie schwierig ist Agenda Setting in Berlin, wenn die Opposition als Resonanzboden für Forderungen weitgehend wegfällt?
Die Arbeit verlagert sich nur. Die Koalition ist ja kein monolithischer Block. Unterschiedliche Interessen und inhaltliche Ansatzpunkte gibt es auch hier, auch wenn die Meinungs- und Mehrheitsbildung nun anderen, eben Koalitionsregeln unterliegt. Das ist aber auch eine Chance, Dinge zu bewegen.
Inwiefern?
Wenn eine Opposition nie die Chance hat, ihre Forderungen umzusetzen, dann bleibt es bei der Deklaration. Und unsere Politik als Verband ist es nicht, Positionen, die man nicht durchsetzen kann, öffentlichkeitswirksam zu besetzen. Uns geht es um Effektivität. Und ich sehe durchaus die Chance, dass sich diese Effektivität in der Großen Koalition erhöht.
Beim Start der schwarzgelben Koalition hat die Branche mit der sogenannten „Mövenpicksteuer“ Privilegien durchgesetzt. Wirkt dieser Pyrrhussieg bei der Lobbyarbeit heute noch nach?
Das Wort „Mövenpicksteuer“ ist absolut nicht sachgerecht. Dieses Etikett ist leider nur schwer wegzukriegen. Dabei ist eine solche Steuererleichterung in der Hotellerie im europäischen Vergleich üblich. Aber mittlerweile hat sich die Debatte über das Thema versachlicht und während der Koalitionsverhandlungen hat es auch keine Rolle mehr gespielt. Die Diskussion als solche ist inhaltlich okay, die Polemik nicht.
Industrie-Hintergrund hat Vorteile
Inwiefern ist es für Sie, der Sie jahrzehntelang zur Manager-Elite des Landes gehörten, einfacher, Zugänge in die Politik zu finden?
Es ist immer schwer, über das eigene Standing zu reden. Aber ich kenne aus meiner Manager-Zeit natürlich viele Politiker in den unterschiedlichsten Funktionen und Rollen und habe selbstverständlich gute Zugänge. Und es ist von Vorteil, einen Industrie-Hintergrund zu haben. Weil man nicht nur über Theorien redet, sondern praktisch weiß, welche Auswirkungen politische Entscheidungen auf geschäftliche Entwicklungen haben.
Was halten Sie von dem Vorwurf, dass Top-Manager zu wenig von Politik und der ihr eigenen Logik verstehen?
Ich glaube nicht, dass dieser Vorwurf heute noch zutrifft. Ich habe ja in meiner Jugend jahrelang Kommunalpolitik gemacht. Dabei habe ich gelernt, wie politische Prozesse ablaufen und dass die Ziele und auch die Motivation andere sind als bei rein wirtschaftlich bedingten Prozessen. Das gilt insbesondere auch für die Kommunikation, die in der Politik eine viel größere Rolle spielt: Wie kommt das Thema an? Wie verkaufe ich es? Ein guter Manager muss Verständnis für diese Prozesse haben. Und wenn ich mir die Kollegen in den großen Unternehmen anschaue, dann sind ihre Jobs heute schon sehr politisch, da gibt es schon eine Menge an Verständnis für politische Prozesse.[/no-lexicon]
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Bonn – wo liegt das?. Das Heft können Sie hier bestellen.