Missratene Therapiesitzung

Personality-Talk kann Reinhold Beckmann besser. Die Sendung “Menschen bei Maischberger” am Dienstagabend zum Thema “Wowereit tritt zurück: Ist das auch gut so?” geriet zur missratenen Therapiesitzung. Klaus Wowereit selbst wirkte amts- und vor allem politikmüde – fast schon wie Helmut Kohl am Ende seiner Karriere.

Die Versuche von Moderatorin Sandra Maischberger, kritisch zu fragen, wurden aber nicht nur durch den wenig angriffslustigen Wowereit unterlaufen, sondern vor allem durch den kumpelhaften, fast bewundernden Gesprächsmodus über Kindheit und Familienverhältnisses des (Noch)-Regierenden Bürgermeisters zu Beginn der Sendung.

Dass die Zuschauer so wenig über das Phänomen des Rücktritts in der Politik erfuhren, darf schon verwundern, denn dieses Phänomen ist ja nicht neu. Leider zeigte der Einspieler – oft doch eine Stärke der ARD-Polittalks – vorwiegend Klischees und keine Zusammenhänge. Gegen den Spruch von Wowereit, es sei “typisch für Journalisten, dass sie nicht recherchieren”, hätte sich Maischberger dennoch zur Wehr setzen müssen.

Da war doch mehr als Party

Was bleibt von der Sendung? Leider weder neue Einsichten zu den Vorgängen um den Bau des BER-Flughafens noch zur Zukunft des Länderfinanzausgleiches. Und leider auch keine angemessene Würdigung der Ära Wowereit durch die anderen Gäste, zu denen Désirée Nick zählte.

Die Entertainerin verkörpert den Wirtschaftsfaktor “Partymachen” – aber viel Humor und Glamour strahlte sie in der Talkshow leider nicht aus. Sicher, ihr überschwängliches Lob, Wowereit habe großen Anteil daran, dass Berlin zu einer weltoffenen, attraktiven Stadt geworden sei, gehört in eine solche Sendung. Das Lob hätte aber auch begleitet werden können von Hinweisen auf die kulturpolitischen Leistungen des Regierenden, die sich keineswegs in Auftritten auf roten Teppichen erschöpfen.

Und sowohl Eberhard Diepgen als auch Wolfgang Kubicki gaben sich seltsam zurückhaltend. Offensichtlich waberte im Hintergrund ein parteipolitischer Konflikt durch den Raum, der aber von einer ebenso diffusen Anerkennung des Lebenswerks von Wowereit überlagert wurde. “Arm, aber sexy” ist eine Attitüde, die nur eine kurze Zeitspanne und nur in Verbindung mit Wowereit trug; das Image-Building der bundesdeutschen Hauptstadt muss sich deutlich verbessern.

Auch über die aktuellen Zustände in der Stadt wurde zu wenig diskutiert. Vor allem von Journalist Nikolaus Blome hätte man sich dabei mehr Anstöße erhofft. Es scheint, als habe der Talkshow-Dauergast Blome seine neue Rolle beim “Spiegel” immer noch nicht gefunden – er fremdelt und fordert nicht mehr heraus.

Philosophieren über den Ruhestand

Der Bürgermeister nutzte das merkwürdige Politikvakuum der Sendung, um über seinen Ruhestand zu philosophieren. Natürlich ist es ein ehrenwertes Vorhaben, wenn sich der laut Maischberger “letzte Popstar der Politik” künftig für die Olympiabewerbung Berlins einsetzen möchte. Allerdings: Berlin ist schon einmal daran gescheitert.

Und ganz vorsichtig sei daran erinnert, dass bei einer solchen Bewerbung die Frage der Finanzierung ausschlaggebend ist. Da hat Wowereit mit dem Desaster um den Hauptstadtflughafen schon vor dem Start ein Handicap. Anderseits bietet diese Ankündigung Anlass für weitere Talksendungen mit dem dann Ex-Regierenden Bürgermeister. Dann aber besser mit Reinhold Beckmann als Gastgeber – der ist näher dran am Sport.