Seit mehr als zwei Jahren bestimmen Lobbying-Skandale nunmehr die Tagesordnung von Österreichs Medien und Politik. Ein eigens dafür eingesetzter parlamentarischer Untersuchungsausschuss behandelt seit Jahresanfang 2012 im grellen Scheinwerferlicht der Medien akribisch diverse Vorfälle. Im Raum stehen beispielsweise Themen wie der mögliche Gesetzeskauf durch Unternehmen, die Anschaffung von Abfangjägern durch die Republik, die Vergabe zur Errichtung des Behördenfunks, Börsenkurs-Manipulationen oder Privatisierungen von ehemaligen Staatsunternehmen. Die Debatte kreist um eine handvoll Politiker und sogenannte Lobbyisten sowie Fragen der Bestechung, Bestechlichkeit und Korruption. Neben Details zu eigenartigen Jagdausflügen wurde dies alles garniert mit der auf Video festgehaltenen Aussage eines österreichischen EU-Abgeordneten: „Of course, I am a lobbyist!“ Er bot gegen ein Honorar von 100.000 Euro den als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten an, für eine Gesetzesänderung in Brüssel Sorge tragen zu wollen. Freilich nur, weil er eine „Falle“ zu wittern meinte, die er aufklären wollte, wie er nicht müde wird zu betonen.
Registrierung als Lösung?
Rasch fand die Innenpolitik der Alpenrepublik ihr Heil in einem Lobbying-Gesetz, um solchen Vorfällen einen Riegel vorschieben zu können. Nach über einem Jahr politischer Debatte beschloss das österreichische Parlament Ende Juni 2012 das „Bundesgesetz zur Sicherung der Transparenz bei der Wahrnehmung politischer und wirtschaftlicher Interessen“, auch Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz, kurz LobbyG genannt. Das Gesetz umreißt nun erstmals einen rechtlichen Rahmen für Interessenvertretung: Es bezieht sich auf „Tätigkeiten, mit denen auf bestimmte Entscheidungsprozesse in der Gesetzgebung oder Vollziehung des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände unmittelbar Einfluss genommen werden soll“.
Im Kern sieht es eine Registrierungspflicht für alle Personen vor, die als Lobbyisten oder Interessenvertreter tätig sind – egal, ob für eine Kammer (entspricht den deutschen Berufsverbänden, nur mit verpflichtender Mitgliedschaft), ein Unternehmen, einen Verband, eine NGO oder als selbstständige Dienstleister im Auftrag ihrer Kunden. Deutliche Unterschiede zwischen diesen Gruppen gibt es allerdings bei den Offenlegungspflichten und bei der Sanktionierung. Am strengsten sind die Regeln für Unternehmen und Agenturen, am weichsten für Vertreter von Kammern. Diese – von der Branche heftig kritisierte – Ungleichbehandlung macht das österreichische Gesetz zu einem weltweiten Unikat.
Offenlegungspflichten
Konkret besteht der Unterschied darin, dass Unternehmen und Agenturen in einem öffentlichen Register Angaben über die im Lobbying tätigen Mitarbeiter und die damit verbundenen Umsätze und Kosten machen müssen. Agenturen müssen darüber hinaus noch in einem nur für involvierte Personen zugänglichen Teil des Registers den Aufgabenbereich (Energiepolitik, Agrarpolitik, etc.) und den Auftraggeber jedes Lobbying-Auftrags angeben. Auch ein veröffentlichter Verhaltenskodex wird etwa nur Lobbying-Dienstleistern sowie Unternehmen abverlangt. Kammern und Verbände unterliegen diesen Offenlegungspflichten nicht – sie sind auch von Sanktionen bei Verstößen gegen die Registrierungspflicht ausgenommen. Hier spiegelt sich die österreichische Sichtweise auf „positive Interessenvertretung“ und „negatives Lobbying“ wider.
Auch Rechtsanwälte unterliegen nur dann der Registrierung, wenn ihre Arbeit für Klienten über die „unmittelbare Rechtsberatung“ hinausgeht. Diese Bestimmung könnte sich ungewollt zu einem Schlupfloch entwickeln, da die Anwälte schon jetzt lautstark auf ihre Verschwiegenheitspflicht hinweisen.
Politische Mandatare sind per Gesetz von gewerblicher Lobbyingtätigkeit ausgeschlossen, das umfasst aber nicht die Tätigkeit als Interessenvertreter im Rahmen eines Unternehmens, eines Verbandes oder einer NGO. Und Aufträge für Lobbying-Agenturen oder Inhouse-Lobbyisten, die auf einen Vertragsabschluss mit einer Verwaltungseinheit (beispielsweise öffentliche Ausschreibungen) abzielen und die eine Erfolgsprämie vorsehen, sind nichtig, etwaige daraus entstandene Entgelte verfallen zu Gunsten des Bundes. Dies könnte durchaus eine entscheidende Frage an ein Höchstgericht werden.
Weiter definiert das Gesetz Prinzipien der Lobbying-Tätigkeit und Interessenvertretung. Lobbyisten und Interessenvertreter sind demnach unter anderem verpflichtet, „ihre Identität, ihre Aufgabe und ihre spezifischen Anliegen darzulegen“ sowie „keinen unlauteren oder unangemessenen Druck auf Funktionsträger auszuüben“.
Die im Lobbyinggesetz vorgesehenen Sanktionen sind übrigens teils drastisch: Wer etwa gegen die Registrierungspflicht verstößt, muss mit Geldstrafen zwischen 20.000 und 60.000 Euro rechnen – und in letzter Konsequenz mit einer Streichung aus dem Register, was einem Berufsverbot gleichkommt. Eine Gegenleistung für die Registrierten wie etwa ein Parlamentsausweis ist nicht vorgesehen. Umgekehrt ist jede Registrierung gebührenpflichtig.
Standesvertreter für Public Affairs
Das Gesetz wird am 1. Januar 2013 in Kraft treten – und in Folge noch viele operative Fragen aufwerfen. Die im September 2011 gegründete Österreichische Public Affairs Vereinigung (ÖPAV) arbeitet mit dem zuständigen Bundesministerium für Justiz an der Klärung diverser offener Punkte. Etwa der Details der erforderlichen Offenlegungen oder der Frage des Geltungsbereichs außerhalb Österreichs – muss sich etwa ein Lobbyist eines deutschen Unternehmens in Brüssel im österreichischen Lobbying-Register eintragen, um „legal“ mit einem Verwaltungsbeamten der Alpenrepublik in der ständigen Vertretung in Brüssel zu kommunizieren?
Ende der Debatte?
Die ÖPAV fungiert als Berufsgruppe von Public Affairs-Verantwortlichen in Unternehmen, Verbänden, NGOs und Agenturen und verfügt mittlerweile über rund 90 Mitglieder. Die Standesvertretung stemmt sich gegen das aktuelle Imagetief von Lobbying und Public Affairs in Österreich und arbeitet daran, Sachlichkeit und Transparenz zu steigern. Daher wacht über den strengen Verhaltenskodex der ÖPAV eine eigene Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Richters am Europäischen Gerichtshof, Peter Jann.
Die österreichische Politik erwartet sich vom LobbyG primär Korruptions-Bekämpfung und hält das Thema damit für erledigt. Das wird allerdings nicht der Fall sein. Gesetz und Registrierung sind prinzipiell zu begrüßen, allerdings stellen die Transparenzauflagen nur ein Zerrbild der österreichischen politischen Realität dar. Dieses Gesetz könnte daher Anfang und nicht Ende einer Debatte über essenzielle Fragen der Demokratie, die Entstehung von politischen Entscheidungen und die Rolle von professionellen Lobbyisten sein. Im Übrigen sind nahezu alle Akteure der bisherigen sogenannten Lobbying-Skandale nicht von der Registrierung betroffen. Eigenartig? Vielleicht auch nur österreichisch.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Minilobbyisten – Kleinstverbände im Porträt. Das Heft können Sie hier bestellen.