Erfolgreiche Reden erzählen Geschichten

Redenschreiben

Reden haben kein gutes Image. Wenn jemand für sein Thema brennt und uns inhaltlich weiterbringt, lassen wir uns aber gerne mitreißen.

Was jedoch unterscheidet einen guten Redner von einem schlechten? Fuchtelt er einfach nur mehr mit den Armen und variiert etwas häufiger seine Stimmlage? Nicht wirklich. So wichtig Gestik, Mimik, Blickkontakt und Stimme sind: Entscheidend ist die Vorbereitung. Und die liegt bei vielen Politikern und Managern in den Händen der Redenschreiber.

Leider kommen diese an die Aufgabe oft wie die Jungfrau zum Kinde. Sie entwerfen ihre Manuskripte so, wie sie sich Reden vorstellen: phrasenreich, schwülstig, substantivisch und unkonkret. Ein roter Faden fehlt in den meisten Fällen.

Dabei ist es einfach, eine erfolgreiche Rede zu schreiben. Das Handwerkszeug ist mehr als 2.000 Jahre alt, die alten Rhetoriker haben es schon gelehrt. Hangeln Sie sich Schritt für Schritt die drei Produktionsstadien des Redenschreibens entlang:

1. Recherchieren

Sammeln Sie so viel Material wie möglich:

  • Informationen zum Umfeld der Rede: Auf welcher Veranstaltung spricht mein Redner? Hat diese eine bestimmte Intention? In welchem Raum, welchem Gebäude, welcher Stadt, welcher Region findet sie statt? Gibt es ein Rahmenprogramm? Welche Funktion hat mein Redner? Wer spricht vor ihm, wer nach ihm?
  • Daten und Fakten zum Thema: Was hängt wie womit zusammen? Was ist Ursache, was Wirkung? Was ist wichtig, was unwichtig? Was funktioniert gut, was liegt im Argen?
  • Storys, die sich im thematischen Umfeld der Rede abspielen: Hat eine Person ein bestimmtes Problem? Wie ist sie in diese Lage hineingeraten? Wie kommt sie wieder heraus?

Beispiel: Ihr Redner soll über das Thema “Altersarmut” sprechen. Eine hierzu passende Story: “Maria sitzt bedrückt am Küchentisch. Sie macht sich Sorgen über ihre Zukunft. Mit ihren Gelegenheitsjobs kann sie sich momentan zwar einigermaßen über Wasser halten, aber wie soll es nur werden, wenn ihr Körper in zehn, 15 Jahren noch mehr schmerzt als heute? Hätte sie doch regelmäßig in die Rentenkasse einzahlen können! Hat die Regierung nicht eine Altersgrundsicherung verabschiedet? Sie schaut im Internet nach. Und tatsächlich: …”

Ob Politik, ob Wirtschaft – es ist ein Redetrend, der weiterhin anhält: Geschichten zu erzählen. Storys, von denen im Idealfall nur dieser Redner berichten kann und niemand sonst. Denn Menschen interessieren sich für Menschen.

  • Informationen aus öffentlichen Quellen: Zitate, historische Ereignisse, Namens-/Wortherkunft und Co.

Nachdem Sie nun viel Material gesammelt haben und – hoffentlich – auf mehrere “Goldstücke” gestoßen sind, die die Rede zu etwas Besonderem machen, begeben Sie sich ins nächste Produktionsstadium:

2. Strukturieren

Nun konzipieren Sie die Rede. Bedienen sich aus dem recherchierten Fundus und überlegen sich einen griffigen Einstieg (Faustregel: zehn Prozent des Gesamtumfangs der Rede), einen durchgängig gegliederten Kern (80 Prozent) und einen starken Schluss (zehn Prozent). Jeder Teil muss dabei bestimmte Aufgaben erfüllen:

  • Der Einstieg soll beim Publikum Interesse wecken für das Thema und für die Person, die spricht. Außerdem soll er Atmosphäre schaffen und jedem klarmachen: Da vorne passiert etwas. Das schaffen Sie nicht 08/15 à la “Wir sind heute hier zusammengekommen, um uns über das Thema XY auszutauschen”, sondern mit einer Frage, einer Story, einer Provokation, einer Requisite, einem kraftvollen Zitat.
  • Der Kern soll vermitteln, wie Ihr Politiker/Manager zum Thema steht, und dem Publikum Orientierung geben: Wie ist die Rede aufgebaut? Was kommt noch auf mich zu? Was haben wir schon geschafft? Wie lange dauert es noch? – Das funktioniert nicht, wenn Sie (wie die meisten) vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen. Legen Sie sich stattdessen ein durchgehendes gedankliches Schema zurecht und unterteilen Sie es in drei bis fünf Abschnitte. Schon haben Sie einen sogenannten 3-, 4- oder 5-Satz.

Beispiele: “Unternehmen wir eine kleine Zeitreise: Wie war es früher? Wie ist es heute? Was wird morgen sein? Damals, in den sechziger Jahren …” / “Zum Thema XY habe ich mir vier Fragen gestellt. Gehen wir sie Schritt für Schritt durch. Die erste …” / “In dieser Situation fordern wir: Mehr XY! Wenn wir uns konsequent daran halten, hätte das zahlreiche Vorteile. Hier nur die fünf wichtigsten: …”

  • Der Schluss soll die Botschaft transportieren und ein klares Signal senden: Es ist vorbei, Sie können jetzt klatschen. Leider erfüllen viele Redner nur die zweite Funktion, indem sie “Vielen Dank” sagen oder “Danke für Ihre Aufmerksamkeit”. Solche Floskeln hinterlassen aber nichts, was wir mitnehmen oder weitergeben können. Formulieren Sie stattdessen einen konkreten Appell, einen Slogan (“Mehr X, weniger Y!”) oder führen Sie die Einstieggeschichte weiter: “Erinnern Sie sich an Maria? Inzwischen ist sie 67. Mit ihrer kleinen Rente kommt sie zurecht und kann sich manchmal sogar einen Kinobesuch leisten. Daran war vor Jahren nicht zu denken.”

Nun steht Ihr Konzept und es geht ans Schreiben – im dritten Stadium:

3. Formulieren

Hier besteht die besondere Herausforderung meist darin, am Computer zu sitzen und einen Text zu tippen, den jemand anderes spricht und den weitere Personen hören. Dabei sind Sie vermutlich gar nicht gewohnt, in Sprechsprache zu schreiben. Es gelten die folgenden Regeln:

  • einfache Begriffe verwenden
  • kurze Sätze, einfache Satzkonstruktionen
  • viele Verben, einige Adjektive
  • wenige Substantive, wenige Zahlen
  • viel wörtliche Rede, lebendige Szenen
  • Aktiv statt Passiv
  • Präsens oder Perfekt statt Imperfekt
  • kein Schwulst, keine Phrasen, keine “man”-Formulierungen

Recherchieren, konzipieren, formulieren: Wenn Sie sich konsequent daran halten, fällt es Ihrem Redner leicht, den Auftritt erfolgreich zu bewältigen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 124 – Thema: Die Macht der Länder. Das Heft können Sie hier bestellen.