Demokratien unter Druck: Marken müssen Farbe bekennen

Gastbeitrag

Die Lebenshaltungskosten steigen. Die Rezession droht. Es gibt weltweit Konflikte, den Krieg in der Ukraine und eine Klimakrise, die immer wieder zu Katastrophen führt. Überall kämpfen Demokratien darum, in einer von Unsicherheit und Furcht geprägten Welt das Gleichgewicht zu wahren, während Populisten mehr und mehr an Macht gewinnen. Dem etwas entgegenzusetzen, ist nicht nur die Aufgabe von Staaten. Auch Unternehmen tragen jetzt Verantwortung, erst recht, wenn sie für eine große Marke stehen. Sie können profitieren, wenn ihre Haltung zum Thema wird. Und sie haben die Chance, Demokratien zu stabilisieren. Drei Punkte zeigen, wie:

Punkt 1: Marken sind Wegweiser im Chaos

Marken sind bekannt, stehen für Qualität und geben ein Versprechen. Sie leben von Vertrauen und helfen, sich schnell zu orientieren. Das gilt nicht nur für Konsum: Das Vertrauen in Wirtschaft ist laut aktueller Umfragen heute größer als in Politik, Medien und Nichtregierungsorganisationen. Gleichzeitig steigt die Komplexität der Welt und mit ihr der Anspruch, den Menschen an Unternehmen stellen: Sie orientieren sich an „ihren Marken“ und wollen wissen, auf welcher Seite sie stehen. Das gilt für viele Themen, nicht nur für Klimaschutz und Krieg. Und es sollte mehr Substanz haben als ein Werbespruch oder Social-Media-Post.

Ein Beispiel dafür, wie sich Marken erfolgreich in Debatten einbringen, ist Nike. Der Sportartikelhersteller hat mit seinen Gewinnzahlen überrascht und konnte gerade in den USA punkten, wo er mit einer Kooperation Haltung zeigte: Zum 30. Geburtstag des Slogans „Just do it“ warb er mit Colin Kaepernick, dem Footballer, der sich vor einem Spiel hingekniet hat, um gegen Rassismus zu demonstrieren. „Glaube an etwas. Selbst wenn es bedeutet, alles zu opfern“, stand auf dem Bild. Auch wenn Nike heftig dafür kritisiert wurde, unter anderem vom damaligen US-Präsident Donald Trump, überzeugte die Marke ihre junge Zielgruppe und steigerte den Gewinn.

Punkt 2: Marken sind Brückenbauer für Politik

Auch die Politik weiß, wie sichtbar Marken sind und welche Reichweite sie haben. Darum nutzen Ministerien, Parteien und Abgeordnete Marken für Debatten, ob als Negativbeispiele oder als Vorbilder. Zwei Beispiele: Das Bundesministerium für Verbraucherschutz nennt bei seiner neuen Initiative gegen Desinformation und Hate Speech einige Unternehmen als Leuchttürme. Das solle andere Unternehmen anregen, ebenfalls „klare Kante“ zu zeigen. Bündnis 90/Die Grünen haben eine Wirtschaftsvereinigung gegründet, um enger mit den Unternehmen in einen Dialog zu gehen. Parteichef Omid Nouripour spricht von “gut geölten Scharnieren”.

Das ist eine interessante Entwicklung, haben doch bisher eher Unternehmen Politik als Partner gesucht, um ihr Engagement zu legitimieren. Sicher: Noch immer müssen Marken in Deutschland bescheiden auftreten. Aber sie rücken eine Reihe nach vorn: Sie übersetzen Vorhaben der Politik in die Praxis und sind darum wichtige Brückenbauer zur Öffentlichkeit.

Punkt 3: Marken brauchen politisches Gespür

Public Affairs ist mehr denn je Teil der Unternehmensstrategie: Politikbeauftragte helfen nicht nur, Debatten zu führen, sondern sind auch Repräsentantinnen und Repräsentanten gegenüber Regierung, Parlament und Parteien. Sie beraten auch Fachabteilungen und Geschäftsführung, welche Themen sie wählen sollen, wann und wie. Es ist eben kein Selbstläufer, dass die Positionierung den Marktwert stärkt. Auch dafür gibt es Beispiele.

Gut gemeint, aber schlecht gemacht war kürzlich die Kampagne von Bud Light. Die Marke hatte eine Transgender-Influencerin engagiert, um für das Leichtbier zu werben. Das hatte nicht nur wenig mit dem Stammpublikum zu tun, es führte auch zu Kritik vonseiten ultrakonservativer US-Republikaner und der LGBTQ-Community. Wer Haltung kommuniziert, muss glaubhaft mit Werten und der gesamten Unternehmensstrategie dahinterstehen – oder sich lieber zurückhalten.

Kurzum: Marken brauchen politisches und kommunikatives Gespür. Wenn sie sich richtig für Werte einsetzen, stärken sie nicht nur ihr Geschäft, sondern zeigen auch Verantwortung für die Welt, in der sie agieren. Der Tag der Demokratie ist ein guter Anlass, um die eigenen Positionen neu zu definieren und sich im öffentlichen Diskurs einzubringen.