Wie man junge Menschen mit Politik erreicht

Praxis

Es ist eine Erkenntnis der aktuellen Wahlergebnisse: Die beiden Volksparteien haben den Anschluss an die jungen Wählerschichten völlig verloren. Am Abend der Europawahl machte eine Grafik die Runde, die die Stimmanteile der Erstwähler zeigt: Mehr als ein Drittel haben für die Grünen gestimmt, CDU und SPD liegen weit abgeschlagen dahinter.

Natürlich liegt das auch am derzeit großen Interesse am Klimaschutz – man schaue nur auf die immer größer werdende „Fridays for Future“-Bewegung. Aber das alleine kann nicht der Grund für das schlechte Abschneiden der beiden großen Volksparteien sein. Ein Punkt, der sich bei der Wahl für beide Parteien gerächt hat, ist die mangelhafte Kommunikation mit der jungen Zielgruppe in den sozialen Medien. Hier können alle Parteien noch viel lernen!

Das Rezo-Video, die unglücklichen Antworten darauf und das zweite Video samt der Unterstützung von mehr als 70 Influencern sind ein Lehrstück über zielgruppengerechte Kommunikation in den sozialen Netzwerken. Wollen die Parteien in Zukunft die junge Wählerschicht von ihren Ideen überzeugen, müssen sie einiges beachten.

Engagement und Interesse bei jungen Menschen weckt man auf andere Weise als bei den älteren Generationen. Influencer müssen als das betrachtet werden, was sie sind: Themensetzer bei jungen Menschen, die zum größten Teil ihre (politischen) News aus den sozialen Netzwerken beziehen. Und zuletzt dürfen sich die Parteien und Politiker dem Stil der neuen sozialen Medien nicht verschließen. Eine direkte Ansprache, zielgruppengerechte Aufarbeitung von Inhalten und einen Fokus auf die Dynamiken neuer sozialer Medien sind hierbei besonders wichtig.

Heute Klima, morgen Uploadfilter

Die Klagen über eine unpolitische Jugend dürften spätestens mit dieser Europawahl verstummen. Es hat sich gezeigt, dass junge Menschen in unserem Land nicht gelangweilt am Rand stehen und die Politik den Alten überlassen. Was sich auch gezeigt hat: Die neuen Formen von politischem Engagement und Interesse sind noch nicht bei den Parteien angekommen.

Junge Leute sind nicht mehr gewillt, sich für ihre politischen Interessen und Ziele jahrelang in Ortsvereinen der Parteien zu engagieren. Stattdessen findet man immer häufiger eine punktuelle, zeitlich begrenzte und oftmals spontane Beteiligung an politischen Diskursen. Und genau das zeigt sich in der Kommunikation junger Menschen.

Auf Social Media werden politische Themen nicht langfristig verfolgt. Gleichzeitig gewöhnt sich die junge Generation an eine Vermischung von Fakten mit Meinungen, die in klassischen Medien so nicht stattfindet. Bei aller vielleicht berechtigter Kritik, die von verschiedenen Seiten an diesem Verhalten geübt wird, bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind diese Formen der Mediennutzung etabliert.

Es kommt auf das „Wie“ an

Es hat einige Zeit gedauert, aber inzwischen haben sämtliche Spitzenpolitiker Accounts auf den verschiedenen sozialen Netzwerken und auch die Parteien und deren Fraktionen sind präsent. Was bei den meisten Akteuren immer noch fehlt, ist ein tieferes Verständnis für die Funktionsweisen von Social Media.

Soziale Medien funktionieren nach anderen Grundsätzen als die klassischen Medien Fernsehen, Rundfunk und Zeitung. Es sind nicht nur andere Altersgruppen, die man in sozialen Netzwerken findet, es sind vor allem gänzlich andere Strukturen und Beziehungen, die vorherrschen.

Es sind vor allem Kleinigkeiten, die den Akteuren den Zugang zur jungen Zielgruppe erschweren. Oft wird eine zu formale Ansprache gewählt. Dass sich auf Facebook, Instagram und Twitter das „Du“ als Ansprache etabliert hat, ist vielen noch nicht klar. Auch die Kenntnis über die technischen Funktionen der einzelnen Netzwerke stellen oftmals noch eine Herausforderung dar. Häufig findet man nicht angepasste Bilder und schlecht gewählte Videoformate, die jegliches Interesse an den Inhalten im Keim ersticken lassen.

Damit Kommunikation in den sozialen Netzwerken funktioniert, muss sie auch eine Reaktionsfreude und Schnelligkeit aufweisen. Lange Abstimmungsschleifen und mehrstufige Prozesse sind für eine nachhaltige Wirkung kontraproduktiv.

Nicht zuletzt gehört zu den Eigenheiten moderner Medien eine gewisse Nonchalance – nicht zu verwechseln mit Respektlosigkeit – die den Zugang zum Interesse junger Zielgruppen sichert. Sie sind das von den Stars ihrer Generation gewöhnt: Influencer auf Youtube, Facebook und den anderen sozialen Netzwerken bedienen sich nicht gewählter Sprache, sondern reden und handeln wie ihre Follower und werden so als Teil der eigenen Lebenswelt begriffen.

Klaus Kleber und Thomas Gottschalk in einem

Die Influencer sind nicht nur die Vorbilder der jungen Generation, sie sind der Schlüssel zu einer besseren Ansprache dieser Altersschicht. Sie erreichen mit ihren Videos und Bildern Millionen vorrangig junger Menschen, aber ihre Rolle ist vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheint. Auch wenn sie auf den ersten Blick hauptsächlich Unterhaltung anbieten, sind sie Gatekeeper und Agenda-Setter für alle möglichen Themen bei ihrer Zielgruppe, nicht zuletzt die beiden Rezo-Videos haben das eindrucksvoll bewiesen.

Die politischen Akteure sind nun gefragt, schnell zu lernen. Die Zeit der Zurückhaltung bei politischen Themen seitens der Influencer scheint vorbei zu sein. Während Rezo, LeFloid und Co. ihre Scheu verlieren, auf das Terrain der Politik vorzudringen, muss die Politik die sozialen Medien schnell verinnerlichen. Nur so kann sie die junge Generation mit ihren Themen und Sichtweisen erreichen.