Sollen Großspenden an Parteien verboten werden?

Pro und Kontra

Pro
von Klaus Ernst

Kurz nach der Bundestagswahl spendete die BMW-Großaktionärsfamilie Quandt 690.000 Euro an die CDU. Zuletzt zeigte sich der Essener Chemiekonzern Evonik spendabel: 160.000 Euro gingen zusammen an SPD und CDU. Nicht weiter dramatisch, könnte man meinen. Als Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung soll es den Parteien wirtschaftlich ermöglicht werden, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. So sieht es Artikel 21 des Grundgesetzes vor. Die genaue Finanzierung regelt das Parteiengesetz.
Neben der öffentlichen Parteienfinanzierung sind auch Spenden von Privat­personen oder Unternehmen zulässig – in unbegrenzter Höhe. Gerade die staatlichen Zuschüsse sollen die Abhängigkeit der Parteien von Großspenden reduzieren. So weit die Theorie. Das kann auch schief gehen: Die „Flick‑“ und die „Schwarzgeld­affäre“, in die Altkanzler Kohl und die CDU verwickelt waren, haben die Republik erschüttert. Das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Parteien wurde so massiv geschädigt. Wer fast 700.000 Euro an eine Regierungspartei spendet, von dem darf man annehmen, dass er eine entsprechende Gegenleistung erwartet. Und sei es nur der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern. Denn Industrielle und Unternehmen verschenken kein Geld. Das lehrt der gesunde Menschenverstand.
Eine Verkäuferin oder ein Werkzeugmacher hingegen können sich keinen Zugang zur Politik kaufen. Es geht daher weder, wie im Fall Quandt, um Anerkennung für die Politik der Kanzlerin, noch, wie im Fall von Evonik, um das Bekenntnis zur gesellschaftlichen Verantwortung. Tatsächlich geht es bei der Frage von Großspenden um viel mehr: Waffengleichheit. Die gibt es derzeit nicht. Aus demokratietheoretischer Sicht müssen Parteien über genügend Geld verfügen, um für ihre politischen Ziele werben zu können. Wer Intransparenz und Vorteilsnahme verhindern und insbesondere gleiche Ausgangsbedingungen im Parteienwettbewerb herstellen will, muss ein Verbot von Großspenden von Unternehmen fordern.

Kontra
von Ingo Wellenreuther

Bei Parteispenden ist die Transparenz das entscheidende Kriterium. Insofern hat sich das Parteiengesetz bewährt. Danach sind Spenden, deren Gesamtwert pro Jahr 10.000 Euro übersteigt, unter Angabe des Spenders sowie der Gesamthöhe  im jährlichen Rechenschaftsbericht zu verzeichnen. Spenden, die im Einzelfall 50.000 Euro übersteigen, sind dem Präsidenten des Deutschen Bundestages unverzüglich anzuzeigen und als Bundestagsdrucksache zeitnah zu veröffentlichen. Daneben werden Großspenden unmittelbar im Internet veröffentlicht. Dem Anspruch der Bürger, zu erfahren, wie sich die Parteien finanzieren, und dem Gebot der Transparenz wird also in vollem Umfang Rechnung getragen.
Bei der Frage, wie sich Parteien als Verfassungsorgane im weiteren Sinne, das heißt als Faktoren des Verfassungslebens und damit des politischen Wettbewerbs, finanzieren, darf man die Stichworte Chancengleichheit, Staatsunabhängigkeit und Meinungsfreiheit nicht außer Acht lassen. Wir haben uns in Deutschland bewusst gegen eine rein staatliche Alimentierung der Parteien entschieden und die gesellschaftliche Verankerung als Wesenselement politischer Parteien definiert. Das heißt, Parteien finanzieren sich durch drei Säulen: neben den Beiträgen der Mitglieder und den staatlichen Zuwendungen auch durch Spenden natürlicher und juristischer Personen. Konkret machten bei der CDU 2011 die Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge 40,9 Prozent, die staatlichen Mittel 31,7 Prozent, Spenden 15,5 Prozent und die sonstigen Einnahmen 12 Prozent aus.
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Spendenrechts entspricht auch der im Grundgesetz verankerten Parteienfreiheit. Dies drückt sich in dem Recht natürliche roder juristischer Personen aus den Parteien als legitime Teilhabeformen an der politischen Willensbildung Spenden zukommen zu lassen. Zu spenden ist die private Entscheidung der Bürger, die dies nicht gegenüber anderen Parteien, sondern lediglich gegenüber sich, ihrer Familie, ihrem Unternehmen und der Öffentlichkeit zu rechtfertigen haben.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Bleibt alles anders? – Die Kampagnentrends 2014. Das Heft können Sie hier bestellen.