Seltener wählen?

Pro und Kontra

Pro
von Silvana Koch-Mehrin

Wenn, wie in diesem Jahr, sieben Landtagswahlen in Folge anstehen, leidet die Qualität der politischen Arbeit. Natürlich haben Regierungen bei ihren Entscheidungen immer auch die nächste Wahl im Blick. Unpopuläre Entscheidungen will vor einer Wahl niemand treffen. Wenn dauernd Wahlkampf ist, sind Entscheidungen oft nicht so konsequent, wie sie sein sollten.
Vor allem aber ist die Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt: In der Demokratie geht es immer darum, Mehrheiten für Politik zu gewinnen – und da braucht es Zeit für Argumente. Kommt es durch häufige Wahlen ständig zu veränderten Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat, ist eine mittel- oder gar langfristige Planung nicht mehr möglich. Das lähmt die Politik und verärgert die Bürger.
Wir haben einfach zu viele Wahltermine in Deutschland. Das ist nicht nur schlecht für die Politik insgesamt, sondern auch schlecht für den einzelnen Politiker. Ein permanenter Einsatz in Wahlkämpfen kann nicht Sinn und Zweck von politischem Handeln sein. Es wäre daher ausgesprochen sinnvoll, Wahltermine künftig stärker zu bündeln. Um dies zu erreichen, wäre es zunächst einmal sinnvoll, die Dauer der Legislaturperioden in Bund und Ländern zu vereinheitlichen – gewählt werden sollten die Parlamente dann für einheitlich vier oder fünf Jahre.
In einem zweiten Schritt sollten die Wahltermine so festgelegt werden, dass in der Mitte einer Bundestags-Legislaturperiode in allen Bundesländern gleichzeitig die Landtagswahlen stattfinden. So machen es die Amerikaner, und das ist kein schlechtes System: Man hätte wenigstens zweieinhalb Jahre Gelegenheit, ohne Rücksichtnahme auf kurzfristige politische Stimmungen und ohne ständige Unterbrechungen durch Wahlkämpfe vernünftige Politik zu planen und auch durchzusetzen.

Kontra
von Uwe Jun

Festgelegte Landtagswahlen in der Mitte der Legislaturperiode des Bundestags würden eine partielle Aushöhlung des deutschen Föderalismus nach sich ziehen. Die Länder könnten nicht über den Wahltermin entscheiden und die Wahlen würden voraussichtlich zunehmend unter Bundeseinfluss geraten. Schon jetzt bestimmt die Bundespolitik die Ergebnisse von Landtagswahlen oftmals mit. Die Gefahr oder die Versuchung wären groß, Wahlen inmitten der Legislaturperiode zur Abstimmung über die Politik der Bundesregierung zu instrumentalisieren. Landtagswahlen hätten dann primär die Funktion einer bundespolitischen Stimmungswahl. Da sie zudem die Zusammensetzung des Bundesrats beeinflussen, läge ihre bundespolitische Bedeutung auf der Hand. Dies hätte zwei mögliche negative Konsequenzen: Zum einen – demokratisch bedenklich – würde die Zurechenbarkeit politischer Verantwortung vollends verwischt. Nicht die Leistungen von Landesparteien und -regierungen wären entscheidend, sondern die Bundespolitik würde die Wahlen weitgehend überlagern. Zum anderen würde sich vermutlich das Gegenteil dessen einstellen, was eine Veränderung der Wahltermine bewirken soll: „Permanent Campaigning“ würde zunehmen und die effektive Legislatur einer Regierung möglicherweise auf zwei Jahre verkürzt.
Obwohl die Bundesregierung nicht zur Wahl stünde, könnte der Ausgang solcher Wahlen zu einem Legitimitätsentzug führen und durch veränderte Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat den Handlungsspielraum einer Regierung beträchtlich schmälern. Jede Bundesregierung müsste solchen Zwischenwahlen schon zur Sicherung der eigenen Existenz höchstes Augenmerk schenken und den Wahlkampf dafür frühzeitig beginnen. Dass die parlamentarische Opposition eine solche Zwischenwahl taktisch und strategisch für sich nutzen möchte, steht außer Frage. Noch mehr als zurzeit dürfte dann gelten: „Nach der Wahl ist vor der Wahl.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Obama schlagen – Geht das? Die US-Kampagnentrends. Das Heft können Sie hier bestellen.