Die öffentliche Debatte über komplizierte Sachverhalte findet immer mehr in verkürzten Auseinandersetzungen in den sozialen Medien statt. Schrillheit statt Tiefe ist dabei oft das Motto. Der Wunsch nach aufsehenerregenden Nachrichten führt häufig zu Alarmismus und Skandalisierung.
Dabei wird es immer wichtiger, internationale Ereignisse und Hintergründe von Konflikten in einer zunehmend komplexen, beschleunigten und globalisierten Welt verständlich zu machen. Das redaktionelle Einordnen und Gewichten spielt angesichts von Digitalisierung und Vernetzung eine größere Rolle denn je.
Zugleich scheint die Zahl der Fachjournalisten in den klassischen Medien abzunehmen, die sich spezifischen Themen eingehender widmen können. In einer Welt, die unberechenbarer und unsicherer geworden ist, in der die alten Antworten nicht mehr genügen, werden aber Fachjournalisten benötigt, die ihre Leser und Zuschauer tiefgründiger informieren können. Beispiele für komplexe Fachthemen sind unter anderem die internationale Sicherheitspolitik, die ressortübergreifende Umweltpolitik sowie die Globalisierung mit ihren Chancen und Risiken.
Grundsatzdebatten sind gefragt
In dem Maße, wie der Kostendruck im Qualitätsjournalismus zunimmt und die kleiner werdenden Redaktionen immer mehr Themen abdecken müssen, wird der parlamentarische Diskurs immer wichtiger. Nehmen wir zum Beispiel die komplexe außen- und sicherheitspolitische Gemengelage: Hier werden – oft in einem leeren Plenum – symbolische Debatten um Einzelaspekte geführt. Gefragt wären hingegen Grundsatzdebatten, wie sie der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags unlängst über die Lage unserer Verteidigung im Bündnis forderte. Das Parlament verfügt mit seinem Budgetrecht schließlich über die Entscheidungshoheit, wie viel Geld für welche Mittel in der Bundeswehr eingesetzt werden soll.
Um die Debatte zu vertiefen, wäre es auch denkbar, ein neues Kontrollgremium einzurichten, das beispielsweise dem Verteidigungsausschuss zugeordnet ist und ausschließlich für Rüstungskooperationen und die persönliche Ausrüstung der Soldaten zuständig sein sollte. Oberflächliche Debatten, die von parteipolitischem Kalkül bestimmt werden, wären damit ausgeschlossen.
All das entlässt die Journalisten jedoch nicht aus der Verantwortung, ihrer Rolle als „vierter Gewalt“ unserer Demokratie weiterhin gerecht zu werden. Trotz der aktuellen Rationalisierungswelle in den Medien dürfen sie nicht der Gefahr erliegen, inhaltliche Debatten im Wettlauf um Klickzahlen auf Schlagzeilenträchtiges und Kontroverses zu verkürzen. Wir brauchen weiterhin gute Fachjournalisten, damit die von Journalisten gern als „Schwarzbrot“ bezeichneten komplexen Themen auch in der breiten Öffentlichkeit stattfinden.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 128 – Thema: Wandel. Das Heft können Sie hier bestellen.