Run, Warren, Run

International

“I’m the democratic wing of the Democratic party” wird dem progressiven Hoffnungsträger im demokratischen Vorwahlkampf 2004, Howard Dean, zugeschrieben. Elf Jahre später sind viele der damaligen jungen Mitarbeiter von Dean in führenden Positionen demokratischer Beratungsfirmen. Sie haben die Hoffnung auf eine fortschrittlichere Partei dennoch nicht aufgegeben, bloß die Trägerin ist neu. Heute tragen sie T-Shirts mit der Aufschrift: “I’m the Elizabeth Warren wing of the Democratic Party”.

Die Senatorin aus Massachusetts war im Dezember auf der Konferenz “Roots Camp” in Washington DC trotz Abwesenheit allgegenwärtig. Gleich zwei Organisationen versuchten sie zu überreden, als Präsidentschaftskandidatin ins Rennen zu gehen.

Das New Organizing Institute lädt jedes Jahr einen Monat nach dem November-Wahltermin, nachdem sich die Wahlkämpfer bei Truthahn und Cranberry Sauce am elterlichen Thanksgiving-Tisch erholt haben, zum “Roots Camp”, dem Klassentreffen der progressiven Szene der USA. Roots wie Grassroots und Camp wie Barcamp.

Denn Roots ist keine gewöhnliche Konferenz: Jeder darf dort Themen für einen Vortrag, einen Workshop oder eine Diskussion vorschlagen – und muss die Session dann auch leiten. An beiden Konferenztagen können zwischen 9 und 10 Uhr früh Vorschläge abgegeben werden und während die 2500 Teilnehmer die Keynote einer Senatorin oder eines Vorsitzenden einer NGO verfolgen, sortieren Freiwillige die Vorschläge in einen Zeitplan.

Pro Zeitfenster laufen fast 20 Themen parallel. Von inhaltlichen (It’s the Economy Stupid: Rebuilding the Economy for the 99 percent – Our Dire Economic Crisis and How to Fix It) über technische (Make Your Shit Less Ugly: How to Write CSS) bis hin zu fächerübergreifenden Themen (What do you mean by “women’s” issues?!? The role of women’s rights orgs in the fight for racial and trans justice.) stehen zur Auswahl.

Ehemalige Wahlkämpfer und Angestellte diverser Nichtregierungsorganisationen sind dort genauso vertreten wie Mitarbeiter der Demokratischen Partei und Consultants. Und mittendrin auch das “Draft Warren Movement”: Dass dafür gerade das Zitat von Howard Dean neu interpretiert wurde, ist kein Zufall: Democracy for America (DFA), die Organisation, die Dean nach seiner Niederlage gegründet hat, finanziert gemeinsam mit der Online-Kampagnenorganisation MoveOn.org die Bewegung.

Die Strategie: Bereits jetzt, ein Jahr vor Beginn der Primaries und noch bevor eine andere demokratische Politikerin überhaupt angekündigt hat, an einer Kandidatur interessiert zu sein, eine starke Grassroots-Organisation in Iowa und New Hampshire aufzubauen, die das Feld für Warren aufbereitet. Die beiden Bundesstaaten sind die erste Vorwahl (New Hampshire) und der erste Caucus (Iowa) im innerdemokratischen Wahlkampfkalender. Wer dort die Erwartungen enttäuscht (wie eben Howard Dean), der kann seine Wahlkampfkoffer auch schon wieder packen.

Die Campaigner wollen einen Priming-Effekt erzeugen

Ein schlechtes Ergebnis in diesen beiden Bundesstaaten bedeutet, dass potenzielle Wähler und Aktivisten in anderen Bundesstaaten, vor allem aber Spender, das Vertrauen verlieren. Eine Million Dollar wollen MoveOn und DFA ausgeben und haben bereits etwa zehn Angestellte nach Iowa beordert – und das, obwohl Elizabeth Warren auf Journalistenfragen nur eine Antwort hat: “I’m not running for President”.

Das bremst die Aktivisten beim “Roots Camp” nicht, denn die Kampagne hat ein sekundäres Ziel: Selbst wenn Elizabeth Warren nicht kandidiert, versuchen die Campaigner einen Priming-Effekt zu erzeugen. Die Hoffnung: Die Wähler in Iowa und New Hampshire auf jene Themen einzuschwören, für die Warren steht, also Bankenreform, Steuergerechtigkeit, soziale Gleichberechtigung, und im nächsten Schritt diese Themen zum demokratischen Mainstream zu machen. Dadurch sollen weniger progressive Kandidaten dazu gezwungen werden, weiter nach links zu rücken, um diese Wähler von sich zu überzeugen. 

Oberstes Ziel ist es trotzdem zu wiederholen, was 2008 bereits gelungen ist. Und wer Elizabeth Warrens Buch gelesen hat, weiß, dass sie jedes Jobangebot – ob Uni-Professur, Chefin des Consumer Financial Protection Bureaus oder Senatskandidatin – zuerst zweimal abgelehnt hat, bevor sie es doch annahm.