[no-lexicon]p&k: Herr Stephan, mit dem Burgenland – Saalekreis haben Sie sich für Ihre Kampagne „Team229“ einen Wahlkreis mit besonders niedriger Wahlbeteiligung bei Jung- und Erstwählern ausgesucht. Sachsen-Anhalt ist bei der Wahlbeteiligung unter jungen Menschen bundesweit Schlusslicht. Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Lars Stephan: Die Gründe sind in allen Bundesländern die gleichen. Es gibt generell immer einen Dreiklang: mangelndes Interesse an Politik, das einhergeht mit Politikverdrossenheit, ein geringes Wissen darüber, wie Politik funktioniert und wofür die verschiedenen Parteien stehen, und einen sehr schwachen Organisationsgrad von Parteien und Vereinen vor Ort. Das ist besonders in Sachsen-Anhalt, aber auch generell in Ostdeutschland der Fall. Alles, was man als „politisches Vorfeld“ bezeichnet, ist dort oft nur schwach entwickelt.
p&k: Wie hatten Sie die Idee zu der Kampagne und was wollten Sie damit erreichen?
Lars Stephan: Wir haben schon zur Bundestagswahl 2009 eine Kampagne zur Mobilisierung von Jung-, Erst- und Nichtwählern durchgeführt. Das wollten wir wiederholen. Wir haben uns sehr genau den Wahlkampf in den USA angeguckt, wo sehr stark von Person zu Person gearbeitet wurde. Canvassing und Grassroots Organizing – Trends, die sich auch im Bundestagswahlkampf in Aktionen der CDU und SPD wiedergefunden haben oder zum Beispiel in der Direktwahl-Kampagne von Jens Spahn. Diesen Ansatz, selbst in den Kommunen vor Ort aktiv zu sein und mit Multiplikatoren zu arbeiten, wollten wir aufgreifen. Daraus hat sich ergeben, keine deutschlandweite Kampagne zu machen, sondern in einen Wahlkreis zu gehen und direkt mit den Menschen zu arbeiten und für die Bundestagswahl zu werben.
p&k: Wie wichtig waren bei der Konzeption und Durchführung die Organisationen vor Ort?
Lars Stephan: Die Partner, mit denen wir zusammengearbeitet haben, haben die Kampagne mit Leben gefüllt. Wir und die Agentur Penguin Action, die uns bei der Konzeption und Durchführung der Kampagne unterstützt hat, waren schon sehr früh im Wahlkreis aktiv. Wir waren im März zu den ersten Gesprächen im Burgenland – Saalekreis vor Ort und haben dort mit vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren gesprochen. Später haben wir mit Parteien und Jugendorganisationen, Bürgervereinen, Jugend- und Sportzentren zusammengearbeitet. Unter anderem hatten wir den Mitteldeutschen Basketball Club, der in der Basketballbundesliga spielt, als Partner mit dabei. Und wir haben ein großes Shoppingcenter, wo Informationen verteilt wurden, als Partner gewinnen können. Kreisfeuerwehr, Kreisverwaltung, Bündnisse für Demokratie und Toleranz – wir haben ein sehr breites Netzwerk aufgebaut, über das wir an unsere Zielgruppe herantreten konnten.
p&k: Was für Mittel haben Sie vor Ort genutzt?
Lars Stephan: Vor Ort selbst sind wir hauptsächlich mit Werbematerialien in Erscheinung getreten. Wir hatten eine breite Auswahl an Postkarten, Informationsbroschüren und Aufklebern. Für die Botschafter und Multiplikatoren gab es T-Shirts, um sich kenntlich zu machen. Darüber hinaus hatten wir eine Facebook- und eine Internet-Seite, auf der wir über die Bundestagswahl informiert haben.
p&k: Sind Sie mit dem Rücklauf, den Sie von den Teilnehmern und Organisatoren vor Ort bekommen haben, zufrieden?
Lars Stephan: Ja, mehr als das. Wir waren sehr positiv überrascht. Oft hatten wir das Gefühl, dass die Akteure vor Ort nur darauf gewartet haben, dass jemand wie wir kommt. Wir sind von den verschiedenen Gruppen mit offenen Armen empfangen worden; immer mehr junge Menschen sind auf uns zugekommen, um als Multiplikatoren aktiv zu werden. Es gab da anscheinend großen Bedarf. Es gab auch die Frage, ob man das „Team229“ nicht einfach bis zur Europawahl weiter durchziehen könnte. Es ist offensichtlich geworden, dass ein Bedarf da ist, über Politik zu reden.
p&k: In Sachsen-Anhalt ist die Wahlbeteiligung von 18- bis 21-Jährigen bei der Bundestagswahl 2013 angestiegen. Allerdings ist das Land im bundesweiten Vergleich immer noch auf dem letzten Platz. Sehen Sie Potenzial für die Zukunft und wollen Sie sich als Organisation auch weiterhin dort engagieren?
Lars Stephan: Ich denke, Potenzial gibt es auf jeden Fall. Unsere Kampagne war in Sachsen-Anhalt nur in einem von zehn Wahlkreisen aktiv. Dort konnte die Wahlbeteiligung überproportional – nicht nur im Vergleich zum Bundestrend, sondern auch im Vergleich zu der Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt – gesteigert werden. Wenn sich für uns die Möglichkeit ergibt, würden wir dort auch gerne in Zukunft aktiv bleiben.[/no-lexicon]
Im Auftrag von ProDialog hat das Meinungsforschungsinstitut dimap einen „Nichtwähleratlas“ erstellt. Mehr dazu lesen sie hier.