Horst Seehofer ist ein Politiker, der polarisiert. Als CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident ist er bekannt dafür, dass er seine Meinung und Position auch gegen den Widerstand aus Berlin behauptet und dabei Konflikte nicht scheut. Am Sonntagabend sprach er im Bericht aus Berlin mit Tina Hassel und Thomas Baumann über aktuelle politische Themen wie die Terroranschläge in Nizza, den Putschversuch in der Türkei, die immer wieder diskutierte Flüchtlingsobergrenze und den Zustand der Koalition.
Welche Wirkung Horst Seehofer im ARD-Sommerinterview als Person transportiert hat, soll dieser Artikel beleuchten. Als Analysetool dient dabei der von mir entwickelte Mimikresonanz-Motivkompass. Motive sind Motor und Kompass unseres Handelns zugleich: Sie finanzieren nicht nur die Energie hinter unserem Verhalten, sondern bestimmen auch, wie wir Ereignisse bewerten. Spricht ein Redner unsere vorherrschenden Motive an, zieht uns das an. Tritt das Gegenteil ein, regt sich Widerstand in uns. Wie unser meist unbewusstes Urteil dabei ausfällt, wird nur zu einem Bruchteil durch die Worte und zum Löwenanteil durch die Körpersprache des Redners, insbesondere seine Mimik und Gestik, beeinflusst.
Die nachfolgende Wirkungsanalyse ist das Ergebnis einer präzisen Analyse und computergestützten Auswertung der Mimik und Gestik von Horst Seehofer im 19-minütigen Sommerinterview, sowie der Einschätzung von zehn im Mimikresonanz-Motivkompass ausgebildeten Körpersprache-Analysten. Diese haben sich das Sommerinterview ohne Ton angesehen, um sicherzustellen, dass sich die Bewertung nur auf die Signale der stillen Sprache von Mimik und Gestik bezieht. Dabei liegt die Wirkung von Horst Seehofer als Person hauptsächlich im Grundmotiv-Feld von Durchsetzung & Einfluss mit einer „Motivzunge“ in das Grundmotiv Ordnung & Stabilität hinein. Die Größe des unten abgebildeten Felds deckt dabei statistisch 68,9 Prozent der Experten-Einschätzung ab.
Abbildung 1: Wirkung von Horst Seehofer im Motivkompass (c) Dirk W. Eilert
Der Einfluss der Mimik auf die Wirkung
Seehofer aktiviert über seine Mimik und Gestik also Motive wie Leistung, Ehre, Beharrlichkeit und Logik. Die Positionierung auf der horizontalen Achse, also von Westen nach Osten, wird dabei insbesondere durch die Mimik beeinflusst. Personen, die ihre Mimik eher wenig bewegen, also vornehmlich eine sogenannte Null-Mimik zeigen, und dazu neigen einen eher ernsten Gesichtsausdruck zu machen, landen in ihrer Wirkung auf der rechten Seite. Für einen ernsten Gesichtsausdruck ist das Zusammenziehen der Augenbrauen hauptverantwortlich.
Screenshot 1: Seehofer zieht die Augenbrauen zusammen. (c) Bericht aus Berlin/Sommerinterview, www.ardmediathek.de
Die Gegenbewegung dazu ist ein Lächeln, das dazu führt, dass eine Person eher die Motive im westlichen (linken) Feld des Motivkompasses anspricht. Betrachten wir die ersten fünf Minuten des Sommerinterviews in der Detailanalyse, so fällt auf, dass Seehofer insgesamt zehn Mal die Augenbrauen zusammenzieht und dies mit einer durchschnittlichen Dauer von rund fünf Sekunden. Dies entspricht insgesamt knapp 50 Sekunden, also circa 16 Prozent der ersten fünf Minuten Interviewzeit. Berücksichtigen wir hier, dass Seehofer nicht die ganze Zeit im Kamerabild war, ist dies ein großer Teil der Zeit. Gelächelt hat er hingegen nur ein einziges Mal und das für drei Sekunden. Diese Zahlen machen deutlich, warum er in seinem nonverbalen Ausdruck im östlichen Feld des Motivkompasses wirkt.
Der Einfluss der Gestik auf die Wirkung
Die vertikale, also die Nord-Süd-Achse, wird insbesondere durch die Gestik beeinflusst. Zeigt ein Redner viele redebegleitende Gesten, sogenannte Illustratoren, wirkt er im nördlichen Feld des Motivkompasses. Je kleiner und sparsamer die Gesten werden und je mehr Beruhigungsgesten, wie beispielsweise nervöses Spielen mit den Fingern, auftreten, desto stärker zieht es einen Redner in seiner Wirkung in das südliche Motivfeld. In den ersten fünf Interviewminuten war die Gestik von Horst Seehofer aufgrund der Kameraeinstellung für nur 22 Sekunden im Bild. In dieser Zeitspanne hat er in 12 Prozent der Zeit Rhythmusgesten gezeigt. Das sind Gesten, die sich im Takt der Worte bewegen und beim Zuschauer das Grundmotiv-Feld Durchsetzung & Einfluss aktivieren. 4,6 Sekunden (entsprechen 21 Prozent der Zeit) nutzte Seehofer redebegleitende Gesten. Er hat allerdings auch fünf Sekunden lang Beruhigungsgesten gezeigt, in diesem Fall ein Aneinanderreiben der Finger. Während Rhythmusgesten und Illustratoren die nördlichen Motivfelder aktivieren, steuern Beruhigungsgesten die südlichen Motivfelder an. In der Verteilung der Gesten in den ersten fünf Interviewminuten (Rhythmusgesten und Illustratoren = 33 Prozent; Beruhigungsgesten = 23 Prozent) wird also das von Seehofer aktivierte Motivfeld (siehe Motivkompass-Abbildung) deutlich.
Gezeigte Emotionen und deren Wirkung
Auch die Emotionen, die eine Person über ihre Mimik zeigt, beeinflussen ihre Wirkung auf die Zuschauer. Seehofer zeigt generell, über das Sommerinterview hinaus, in seinem nonverbalen Normalverhalten relativ viele offensive Emotionszeichen wie Ärger und Überlegenheit. Die offensiven Emotionszeichen stärken in ihrer Wirkung das Motivfeld Durchsetzung & Einfluss. Im aktuellen Sommerinterview zeigt er interessanterweise weniger dieser offensiven Signale, für seine Verhältnisse aber relativ viele defensive Emotionszeichen wie Sorge und Betroffenheit. Die defensiven Signale erklären die Motivzunge in die südlichen Motivfelder hinein. Als beispielsweise Thomas Baumann die Frage stellt „Wir werden jetzt einerseits Zeuge von verstärkten Verstößen gegen die Rechtstaatlichkeit in der Türkei, auf der anderen Seite gibt es eben die Verknüpfung mit der Flüchtlingsfrage. Wo ist für Sie die rote Linie, wo Sie sagen bis hierher und nicht weiter?“, zeigt Seehofer einen Ausdruck von Betroffenheit in der Mimik: Er zieht die Augenbrauen-Innenseiten hoch und senkt den Blick.