Parteispenden haben in Deutschland wegen der zahlreichen Affären ein schlechtes Image. In den USA sieht man das Thema lockerer, der Erfolg der US-Spendensammler ist größer. Barack Obama ist schon jetzt der erfolgreichste Geldeintreiber der amerikanischen Wahlkampfgeschichte. Allein im August hat der Präsidentschaftskandidat der Demokraten 66 Millionen US-Dollar eingenommen und damit nicht nur den Neid seines Konkurrenten John McCain auf sich gezogen. Auch deutsche Parteien würden sich wünschen, so gut bei Spendern anzukommen. Denn im Gegensatz zu Obamas Kampagne erhält die CDU durchschnittlich nur knapp 30 Millionen Euro an Spenden – im Jahr.
Während sich US-Wahlkämpfer auf Spenden konzentrieren, müssen sich deutsche Parteien zu großen Teilen auf staatliche Zuschüsse verlassen. Obwohl die Bedeutung der Spenden wächst, beziehen die Parteien immer noch zwischen 25 und 40 Prozent ihrer Einnahmen vom Staat. Nur CSU und FDP erhalten in manchen Jahren mehr Spenden als öffentliche Mittel. Besonders vor Wahlen zeichnet sich ein parteiübergreifender Anstieg der Spendeneinnahmen ab. Trotz staatlicher Unterstützung sind laut Walter Eschweiler, Bevollmächtigter des FDP-Bundesschatzmeisters Hermann Otto Solms, „Spenden für die Kam- pagnenfinanzierung völlig unverzichtbar. Ohne sie lässt sich heutzutage kein Wahlkampf mehr finanzieren“. Um Spenden einzunehmen, müssen Parteien aktiv bei Mitgliedern und Unternehmen werben.
Parteimitglieder angeschrieben
So handhabte es auch die CSU während des Landtagswahlkampfs. „Alle Mitglieder wurden persönlich per Post angeschrieben und mit einem beigefügten Überweisungsträger um Spenden gebeten“, sagt Joachim Stamminger, Leiter Finanzen der CSU-Landesleitung. Auch Direct-Mailing, persönliche Spendenaufrufe via E-Mail, ist für Stamminger „eine zukünftige Überlegung“ und soll für höhere Spendenbereitschaft bei den Wählern sorgen. Nicht nur die CSU ist sich der wachsenden Bedeutung des Internets bewusst, auch die FDP – Walter Eschweiler: „Wir werden versuchen, die Bürger noch stärker über das Internet anzusprechen und um Spenden zu bitten.“ Die Webseiten aller Parteien zeigen das bereits: Dort haben Nutzer mittlerweile die Möglichkeit, den Parteien unkompliziert online Geld zukommen zu lassen.
Doch nicht nur Privatpersonen werden umworben – auch große Unternehmen mit ihrer deutlich stärkeren Finanzkraft stehen im Blickpunkt der Parteien und spenden reichlich. Da es keine Obergrenze für solche Zuwendungen gibt, besteht jedoch die Gefahr von Interessenkonflikten. Der Verdacht eines solchen Konflikts ist auch bei der größten Einzelspende in der Geschichte der CDU gegeben: Kurz vor der Bundestagswahl 1998, im Anschluss an ein Immobiliengeschäft mit der Bundesregierung, überreichte der Unternehmer Karl Ehlerding einem Vertrauten Helmut Kohls vier Schecks über insgesamt 5,9 Millionen Mark. Erst nachdem Kohl die Wahl verloren hatte, erschien diese Spende im Rechenschaftsbericht der CDU. Das ließ erhebliche Zweifel an der Transparenz des deutschen Parteiengesetzes aufkommen.
Im internationalen Vergleich erscheint das deutsche Spendensystem noch immer wenig strikt. In den USA muss jede Spende an einen politischen Kandidaten von mehr als 200 US-Dollar sofort der unabhängigen Wahlkommission berichtet werden. Diese veröffentlicht innerhalb von 48 Stunden Name und Adresse des Spenders. Dagegen müssen Spenden in Deutschland erst ab einem Betrag von 10.000 Euro im Rechenschaftsbericht der Partei angegeben werden. Die Berichte werden dann vom Bundestagspräsidenten veröffentlicht – oft erst in einem Abstand von zwei Jahren. Für Werner Heun, Verfassungsrechtler an der Georg-August-Universität in Göttingen, besteht dennoch kein Handlungsbedarf. „Eine niedrigere Veröffentlichungsgrenze wäre zwar angemessen und höhere Transparenz wünschenswert“, sagt er. Jedoch scheint ihm „die Situation in Deutschland nicht dramatisch“. Bei einer nicht veröffentlichten Spende von 10.000 Euro ist für Heun noch kein „ernsthafter Einfluss“ erkennbar. Doch wie sieht es bei größeren Spenden aus?
Keine Obergrenze
Auch um diese Frage drehte sich die achte Änderung des deutschen Parteiengesetzes, die im Juli 2002 in Kraft trat. So wurde zwar eine Obergrenze für Partei-spenden diskutiert, nach Bedenken, dass solch eine Regelung umgangen werden könnte, aber nicht ins Gesetz aufgenommen. Allerdings müssen Zuwendungen von über 50.000 Euro seit 2002 sofort veröffentlicht werden – in der Regel innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt der Großspende. Bei Verstößen gegen diese Maßgabe drohen keine Sanktionen. Wird aber die Herkunft einer Zuwendung verschleiert oder werden unrichtige Angaben gemacht, so kann dies seit 2002 mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Trotz der Verschärfung des Parteiengesetzes versiegt der Geldfluss der regelmäßigen Spitzenspender nicht. Zu ihnen gehören vor allem große Firmen und Industrieverbände, die vorwiegend die bürgerlichen Parteien bedenken.
Großspender in der Kritik
So hat etwa der Verband der Bayerischen Metallindustrie (VBM), größter Parteispender Deutschlands, der CSU seit 2002 knapp vier Millionen Euro zukommen lassen. Laut Katja Schlendorf-Elsäßer, Pressesprecherin des VBM, „soll durch Spenden zur politischen Willensbildung beigetragen werden“. Die Spendenhöhe ist „mit dem politischen Gewicht der Partei in Bayern begründet“, sagt sie. Die Deutsche Bank steht mit knapp drei Millionen Euro Spenden seit 2002 auf dem zweiten Platz der Parteimäzene – mehr als 2,5 Millionen gingen davon an CDU und FDP. Bei dem Thema zeigt sich die Bank verschlossen. „Kein Kommentar“, heißt es dazu aus der Konzernzentrale.
Die Verschwiegenheit einiger Spender ist nicht verwunderlich. Schließlich sehen sich Großspender, die eine Partei mit ihren Spenden bevorzugen, oft der Kritik ausgesetzt, Einfluss auf konkrete politische Entscheidungen nehmen zu wollen. Um ihr Ansehen zu verbessern, überarbeiten einige Unternehmen ihre Spendenpolitik deshalb grundlegend, wie etwa die Allianz im Jahr 2001. Nach Übernahme der Dresdner Bank wurde „das Parteispendenniveau intern als zu hoch empfunden und daraufhin reduziert“, sagt Nicolai Tewes, Verantwortlicher für Corporate Affairs. Zwei Jahre später wurde beschlossen, jeder im Bundestag vertretenen Partei die gleiche Summe von genau 50.000 Euro zukommen zu lassen – mit Ausnahme der Linken. Spenden, die diesen Betrag übersteigen, müssen sofort veröffentlicht werden – da das bei genau 50.000 Euro nicht der Fall war, meldete die FDP eine Spende in dieser Höhe nicht sofort.
„Dem Tipp eines ‚Spiegel‘-Redakteurs“ ist es zu verdanken, dass der Versicherer die Parteispenden daraufhin um einen Euro auf 50.001 Euro pro Jahr erhöhte, um diese „so transparent wie möglich“ zu machen. Dieser Betrag wird jeweils Anfang Juli, zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause, überwiesen, „um Konflikte mit Abstimmungen im Bundestag zu vermeiden“ so Tewes. Würden alle Dax-Unternehmen solch eine Spendenpolitik betreiben, „wäre das ein guter Beitrag zur Spendenkultur und eine feine Sache für die Parteien“, sagt FDP-Mann Eschweiler. Doch Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei im deutschen Bundestag, kritisierte diese Spendenpolitik vor kurzem als „Sponsoring der Parteien“.
Obwohl große Beträge von Unternehmen Kritik auf sich ziehen, sollte man „die Bedeutung der Großspender nicht überschätzen“, so Eschweiler. Denn selbst bei den bürgerlichen Parteien machen Spenden von Privatpersonen mehr als zwei Drittel der Spendeneinnahmen aus. Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency International Deutschland (TI), fordert dennoch „die Deckelung von Unternehmensspenden auf 50.000 Euro pro Unternehmen und Jahr“. Nur wenn Transparenz gegeben sei, könne die Öffentlichkeit selbst über „die Richtigkeit einer Spende entscheiden“, so der TI-Geschäftsführer.
Humborg meint trotzdem: „Man kann grundsätzlich stolz sein auf das deutsche Parteienfinanzierungsgesetz. Schade nur, dass es dazu so vieler Skandale bedurfte.“ Denn: Verglichen mit den Kampagnen Obamas und McCains, die laut der „Süddeutschen Zeitung“ allein aus dem Finanzsektor 114 Millionen US-Dollar erhielten, sind deutsche Parteien weitaus unabhängiger von Spenden.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe 27 – Sonntag. Das Heft können Sie hier bestellen.