Welche Tücken das neue Lobbygesetz hat

Public Affairs

Das Lobbyregister kommt. Einerseits war die Einführung eines gesetzlich verankerten, allgemein verpflichtenden Lobbyregisters überfällig. Über die Jahre gab es eine Vielzahl von Impulsen dazu aus der Zivilgesellschaft. Alle bisherigen parlamentarischen Versuche aber scheiterten. Gesetzesentwürfe fanden keine Mehrheiten in den Bundestagsfraktionen. Schluss­endlich brach in der letzten Legislaturperiode aufgrund vieler Skandale um Abgeordnete die parlamentarische Blockade in Berlin. Die Große Koalition musste auf den enormen Vertrauensverlust reagieren.

Das tat sie sowohl mit einem Gesetzesentwurf zur Einführung eines Lobbyregisters als auch mit einer erheblichen Verschärfung des Abgeordnetengesetzes. Seit April dieses Jahres gibt es nun das „Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und gegenüber der Bundes­regierung“ (LobbyRG). Das Gesetz verpflichtet neben anderen die gesamte Branche der professionellen Interessenvertretung zur Eintragung in ein öffentlich einsehbares Register, das vom Bundestag geführt wird. Es tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Tausende Organisationen und Personen müssen sich binnen einer Übergangsfrist bis spätestens 28. Februar eingetragen haben. Daneben haben die Länder zusätzliche gesetzgeberische Aktivität in diesem Bereich entwickelt. Neben der Bundesebene sind nun auch länderspezifische Regelungen zu beachten, die teils große inhaltliche Unterschiede aufweisen.

Guter Anfang

Das Gesetz ist ein erster, wichtiger Schritt zu mehr Transparenz in der politischen Interessenvertretung. Das Lobbyregister erfüllt seinen Zweck, Interessenvertretung transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Verfassungsrechtlich geschützt, macht das Lobbyregister nur strukturelle Daten öffentlich. Diese strukturelle Transparenz unterstreicht zunächst einmal, wie wichtig das grundgesetzlich geschützte Recht ist, Interessen gegenüber Legislative und Exekutive zu vertreten. Zugleich verdeutlicht sie auch den Anspruch an eine moderne professionelle Interessenvertretung, die aktiv an der Politikgestaltung mitwirkt. Bei einem Kontakt zum Bundestag oder zur Bundesregierung sind jetzt alle Interessenvertreter unabhängig von ihrer Organisationsform eintragungspflichtig, um ihre Einflussnahme auf Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse sichtbar zu machen.

Dieser Sachverhalt erscheint einfach. Leider ist er nicht einfach umzusetzen. Sehr schnell merkt man dem Gesetzestext das zähe Ringen der Koalitionäre um Kompromisse an. Das Gesetz ist gespickt mit unklaren Formulierungen, Lücken, handwerklichen Mängeln und schwierigen grundrechtsrelevanten Themen.

Knackpunkt Eintragungspflicht

Es gibt eine lange Liste von Ausnahmen von der Eintragungspflicht. Sie reicht von verfassungsrechtlich privilegierten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden über Kulturorganisationen der Bundesrepublik bis hin zu ethnischen Minderheiten. Das mag bei den Transparenzpflichten zu verargumentieren sein. Es erschließt sich aber nicht, warum einige der Nichteintragungspflichtigen sich nicht dem Verhaltenskodex unterwerfen müssen. So führt das Lobbyregister Unterschiede ein, und zwar nicht nur bei der strukturellen Transparenz, sondern auch in der alltäglichen Arbeit von Organisationen. Warum sollen die Verhaltensregeln bezüglich Kontaktaufnahme, Informationsbeschaffung sowie der Umgang mit vertraulichen Informationen nicht für alle gelten?

Die Eintragungspflicht ist so weit gefasst, dass unstrukturierte Organisationen und lose Zusammenschlüsse transparenter werden. In der Umsetzung wird es sicherlich eine spannende Herausforderung sein, die Eintragungspflicht bei weniger formalisierten Organisationsformen wie Kampagnen, Initiativen oder Netzwerken durchzusetzen. Denn die Auftraggebenden von Interessenvertretung auf Bundesebene sind zu benennen und einzutragen. Auch Konzerngesellschaften, die zentral mit der Wahrnehmung von Public-Affairs-Aktivitäten betraut sind, müssen sich eintragen. Das betrifft auch die gesamte Anwaltschaft, wenn ihre Interessenvertretung auf den Erlass, die Änderung oder Unterlassung einer rechtlichen Regelung durch den Deutschen Bundestag oder die Bundesregierung gerichtet ist.

Auch was die Registerinhalte angeht, strotzt der Gesetzestext vor Lücken und Unklarheiten. Diese müssen beseitigt werden, damit eine Eintragung in das Lobbyregister nach eindeutigen und vergleichbaren Maßstäben erfolgen kann. Grundsätzlich sind die Registerinhalte sinnvoll, allein der unpräzise Gesetzestext erschwert eine einfache Umsetzung.

Die Bundestagsverwaltung als registerführende Stelle versucht zurzeit, in vielen Gesprächen mit Interessenvertretenden, der Zivilgesellschaft und nicht zuletzt der Degepol mehr Klarheit zu schaffen.

Was muss angegeben werden?

Aber auch nach vielen gemeinsamen Diskussionen bleiben wichtige Fragen offen. Das betrifft auch die Angaben zu den Finanzen. Die Große Koalition einigte sich nach langen Diskussionen – abweichend von der Regelung des EU-Transparenzregisters – auf den Begriff der „finanziellen Aufwendungen für Interessenvertretung“. Weitere Erläuterungen dazu finden sich im Gesetzgebungsverfahren kaum. Damit ist zwar klar, dass die Eintragungspflichtigen die Kostenseite auf der jeweiligen Organisationsebene anschauen müssen, aber es folgen keine weiteren Einzelheiten zu Kostenarten oder Abgrenzungen von Interessenvertretung im Sinne des Gesetzes zu anderen Aufwendungen. Aus der Konstruktion des Gesetzes lässt sich zudem nur entnehmen, dass es um eine „Plausibilität“ der Angaben geht.

Wer also in der Lage ist, Personalkosten, direkte Kosten der Interessenvertretung sowie Gemeinkosten jeweils hinreichend konkret abzugrenzen und mit nachvollziehbaren Verteilungsmaßstäben aufzuzeigen, unterliegt keiner Sanktionsgefahr. Die Degepol entwickelt zurzeit im Dialog mit anderen Verbänden entlang der Vorstellungen der Bundestagsverwaltung ein Modell für die Angabe der finanziellen Aufwendungen für professionelle Interessenvertretende. Damit wollen alle Beteiligten die Bewältigung der Aufgaben erleichtern und vor allem good practices bei den immer wieder auftretenden Konstellationen und Fragen der Abgrenzung und Berechnung von Aufwand schaffen.

Das Lobbyregister führt zudem bei der finanziellen Transparenz eine Regelung ein, die eine Pflicht zur Veröffentlichung der Jahresabschlüsse schafft. Sie gilt für eingetragene Vereine, aber auch andere, bisher nicht publizitätspflichtige Gesellschaftsformen. Nur wer ohnehin Bilanzen im Handelsregister hinterlegen muss, ist davon befreit, sie nochmals einzureichen. Die Brisanz dieser Regelung liegt auf der Hand: Organisationsformen, die bisher möglicherweise eher lockerer mit finanziellen Fragen umgingen, müssen nun Abrechnungen fertigen und solche offenlegen. Das wird absehbar für medialen Zündstoff sorgen. Genauso erlaubt die Gleichheit vor dem Gesetz keine Unterscheidung von „guten“ oder „bösen“ Spenden, die ebenfalls anzugeben sind. Wer Tausende Euro zum Beispiel für die Diakonie oder Caritas spendet, muss dieselben Angaben machen wie Organisationen, deren Gemeinwohlwert nicht gleich zu entschlüsseln ist.

Kontrolle und Sanktionierung

Beim Lobbyregister kommt es natürlich auch auf die Qualität der hinterlegten Daten und deren Richtigkeit an. Hier sieht das Gesetz bei unrichtigen, unterlassenen oder verspäteten Angaben Bußgelder von bis zu 50.000 Euro vor. Allerdings besitzt die Bundestagsverwaltung keinen gesetzlichen Auftrag, diese Angaben aktiv nachzuprüfen. Stichproben bleiben daher aus. Prüfungen werden vermutlich eher durch die Eingaben interessierter Kreise, von Wettbewerbern oder Whistleblowern ausgelöst.

Neben dem Bußgeldverfahren sieht das Gesetz ein Prüfverfahren bezüglich des Verhaltenskodex vor, der zum Gesetz gehört. Die Degepol hatte bereits im Beteiligungsverfahren zum Verhaltenskodex erhebliche Bedenken auch verfassungsrechtlicher Art erhoben, die weiter nicht ausgeräumt sind. Der Kodex gilt nicht für alle Interessenvertretenden gleichermaßen. Auch ist fraglich, ob eine Anlage zur Geschäftsordnung oder ein Kabinettsbeschluss ausreichen, um in das Grundrecht der Meinungsfreiheit auf diese Weise einzugreifen. Nichts spricht gegen das Postulat eines gesetzlichen Leitbildes redlicher Interessenvertretung.

Die Ausführung von Pflichten in einem Verhaltenskodex passt aber nicht in diese Systematik. Die Erfahrungen mit der freiwilligen Selbstkontrolle, nicht zuletzt mit dem nun entstehenden DRIV (Deutschen Rat für Interessenvertretung), sprechen eine andere Sprache. Unsere Branche hat eindrücklich bewiesen, dass sich eine funktionierende Selbstregulierung ohne gesetzliche Regulierung erfolgreich umsetzen lässt. Die Zukunft wird zeigen, ob dieser Eingriff in die Freiheitsrechte des Grundgesetzes einem demokratischen Verfassungsstaat nicht entgegensteht.

Es bleibt noch einiges zu tun. Alle Interessenvertretenden sind aufgerufen, sich jetzt schon auf die Eintragung vorzubereiten, auch wenn der Aufwand erheblich ist. Die Einführung des Lobbyregisters ist ein notwendiges Signal im Einsatz für Demokratie durch mehr Transparenz in der politischen Interessenvertretung. Doch Transparenz darf niemals zum Selbstzweck werden. Sie darf nicht ihre Inhalte und Prozesse bestimmen. Transparenz ist letztlich nur ein Funktionsbegriff und niemals ein Substanzbegriff. Daher braucht jede Gesetzgebung zur Interessenvertretung eine hinreichende begriffliche Präzisierung, juristische Klarheit und Detaillierung. In dieser Verantwortung steht jeder Gesetzgeber.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 137 – Thema: Die neue Mitte?. Das Heft können Sie hier bestellen.