[no-lexicon] Es macht nicht unbedingt Spaß, hinter dieser holzgetäfelten Bank zu sitzen. Wer dreimal die Woche im großen Saal der Bundespressekonferenz als Ministeriumssprecher(in) ein Ressort vertritt, der kann nie wissen, was die Journalisten alles fragen werden. Bitten sie um Details zur Sonderwirtschaftszone auf der Insel Madeira? Geht es um die Zahl der biometrisch erfassten Flüchtlinge, den Verlust deutscher Arbeitsplätze durch die Russlandsanktionen oder die Gründe für die Verschiebung der Regierungskonsultationen mit Israel? Das alles waren Beispiele der zurückliegenden Wochen.
Ahnungslosigkeit, ausweichende oder vertröstende Auskünfte kommen bei den selbstbewussten Parlamentskorrespondenten nicht gut an. Da wurde in der Vergangenheit auch schon mal geätzt, wer sich auf seinem Fachgebiet nicht auskenne, der solle am besten gar nicht erst kommen. Die Vertreter der klassischen Ressorts wie Äußeres, Inneres, Finanzen, Wirtschaft, Verteidigung und Verkehr sind am begehrtesten, aber auch die anderen müssen jederzeit hellwach sein und mit Fragen rechnen.
Wer ist also am besten als Ministeriumssprecher geeignet? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, es gibt nämlich drei Pressesprecher-Modelle: den gelernten Journalisten, den ministeriellen Insider und den Gefährten/Vertrauten des Ministers. Zwar gibt es immer wieder Überschneidungen, ein Journalist etwa kann zum ministeriellen Insider werden oder ein Beamter zum Gefährten des Politikers. Aber es handelt sich trotzdem um grundverschiedene Ansätze, zwischen denen sich ein Minister bei der Stellenbesetzung entscheiden muss.
Die Ministerien sind bestens ausgestattet, um ihrer Auskunftspflicht gegenüber den Journalisten gerecht werden zu können. In den 14 Ressorts des Kabinetts Merkel sitzen insgesamt knapp 100 Pressesprecher. Im Durchschnitt verfügt jedes Haus über sechs von ihnen. Die Chefposten sind dabei gleich unter den Geschlechtern verteilt: Sieben Pressestellen werden von Frauen geleitet, sieben von Männern.
Fotos: (1) BMVg, (2) Sandra Steins, (3) Privat
Wie lange heutzutage Ehen halten, das wissen wir ziemlich genau. Laut Statistischem Bundesamt dauert es durchschnittlich 14,7 Jahre bis zur Scheidung. Darüber können manche Spitzenpolitiker und deren Pressesprecher nur müde lächeln. Ihre Beziehung währt im besten Falle deutlich länger als eine normale Ehe, nämlich ein ganzes Berufsleben.
Das Phänomen ist am besten als „Geleitzug“ zu beschreiben. Schon die Ostindienfahrer im 16. Jahrhundert wussten, dass sie mit ihren Schiffen am sichersten im Konvoi von Europa nach Asien gelangen. Indem sie eine lange Wegstrecke gemeinsam zurücklegen, aufeinander achten, sich gegenseitig unterstützen. So halten es auch erfolgreiche Politiker und ihre Pressesprecher immer wieder.
Das auffallendste aktuelle Gefährten-Beispiel stellen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr Sprecher Jens Flosdorff
Manchmal beendet das Schicksal, sprich: der Wähler, eine Beziehung. Das war bei Michael Schroeren
Ein weiteres Beispiel für das Modell „Gefährte“: Lena Daldrup
Fotos: (1) BMZ, (2) BMBF/Hans-Joachim Rickel, (3) BMEL/photothek.net/Thomas Köhler, (4) Laurence Chaperon, (5) BMVI, (6) BMFSFJ
Es ist eigentlich eine naheliegende Idee: Wer könnte besser mit Journalisten umgehen als ein … Journalist? Der hat den Beruf idealerweise von der Pike auf gelernt, wurde in Interview- und Rechercheseminaren geschult, kann in Überschriften denken und müsste jederzeit wissen, was seinem Gegenüber in der Pressekonferenz durch den Kopf geht.
Ein willkommener Nebeneffekt für die Politiker: Sie müssen nicht lange suchen, denn sie treffen täglich auf potenzielle Kandidaten für diesen Job – bei Pressegesprächen und Interviews. Bei Auslandsreisen ist man schon mal vier, fünf Tage gemeinsam unterwegs und lernt sich kennen.
Im Moment hat etwa die Hälfte der Chefsprecher einen ausgewiesenen journalistischen Hintergrund. Am bekanntesten dürfte Petra Diroll
Weitere Seitenwechsler: Sibylle Quenett
Fotos: (1) Thomas Imo/photothek.net, (2) BMI, (3) BMG, (4), BMJV (5), privat
Der Posten des Sprechers ist bei den Beamten in fast allen Ministerien und nachgeordneten Behörden überaus begehrt. Dabei spielt es nicht unbedingt eine Rolle, dass man viel im Licht der Öffentlichkeit steht. Das schätzen Ministerialbeamte gar nicht so sehr, sie haben es gerne etwas diskreter. Umso mehr reizt sie die unmittelbare Nähe zur politischen Leitung des Hauses, denn das garantiert im besten Falle eine steile Karriere, in der die Rolle des Pressesprechers lediglich ein Etappenziel ist.
Ein aktuelles Beispiel dafür, was im besten Falle aus einem ehemaligen Sprecher werden kann, ist Walter Lindner. Außenminister Sigmar Gabriel holte ihn als beamteten Staatssekretär in das Leitungsteam seines Hauses. Der Jurist und leidenschaftliche Jazzmusiker Lindner war in der rot-grünen Bundesregierung der Sprecher von Joschka Fischer und kam wegen seiner unkonventionellen Art bei den Journalisten sehr gut an. Später wurde er Botschafter, Chef des Krisenreaktionszentrums und Sonderbeauftragter für Afrika. Was den Sprechern mit ministerialem Hintergrund an journalistischen Kenntnissen fehlt, das gleichen sie in bestem Falle mit Insiderkenntnissen im Ministerium und mit Fachkunde aus. Martin Schäfer
Weiterer Insider als Pressesprecher: Johannes Dimroth
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe N° 118 – Thema: Bundestagswahl 2017. Das Heft können Sie hier bestellen.